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Bidirektionales Laden mit dem E-Auto – eine sinnvolle Stromspeicherung?

7 Minuten
Erneuerbare Energien bleiben auf dem Vormarsch. PV-Anlagen sind dank günstiger Preise und verbesserter Gesetzesbedingungen immer attraktiver für Hausbesitzer geworden. Bidirektionales Laden mit dem E-Auto könnte eine sinnvolle Methode zur Stromspeicherung ohne separaten Stromspeicher darstellen.
Bidirektionales Laden mit dem E-Auto – eine sinnvolle Stromspeicherung
Bidirektionales Laden mit dem E-Auto – eine sinnvolle StromspeicherungBildquelle: Foto von Eren Goldman auf Unsplash

Wer stark von erneuerbaren Energien profitieren will, benötigt eine große PV-Anlage auf dem Dach. Besonders profitieren Haushalte, die den günstigen Strom zugleich für das eigene E-Auto oder eine Wärmepumpe nutzen. Ohne zusätzlichen Stromspeicher lässt sich der erzeugte Strom jedoch nicht vollständig im eigenen Haus verbrauchen. Für eingespeisten Strom fällt die Vergütung mit 8,2 Cent pro Kilowattstunde deutlich geringer aus als die derzeitigen Stromkosten von 33,9 Cent. Da kommt schnell die Frage auf: Kann ich die Batterie meines E-Autos nicht als Stromspeicher verwenden? Bidirektionales Laden mit dem E-Auto kann viele Vorteile bringen – jedoch nicht ohne Hürden.

Der Traum der Unabhängigkeit vom Energieversorger

Weniger abhängig vom Energieversorger zu sein, ist ein Traum, den sich viele Menschen erfüllen wollen. Insbesondere nach der Preisexplosion während der Energiekrise ist der Wunsch nach Unabhängigkeit wieder vielerorts aufgeflammt. Die Umsetzung ist jedoch umso schwieriger. Selbst unter den besten Bedingungen kann ein Haushalt heutzutage nur schwer einen Autarkiegrad von 100 erreichen. Der Energieertrag von erneuerbaren Energien schwankt zu stark. Wer etwa eine PV-Anlage auf dem eigenen Dach montiert hat, kann damit rund 30 Prozent seines Eigenbedarfs decken. 70 Prozent der benötigten Energie müssen jedoch noch immer über den Versorger bezogen werden. Wer von der Sonnenenergie auch nachts noch profitieren sowie seinen Autarkiegrad steigern will, benötigt einen Stromspeicher. Mithilfe eines Speichers kann der Autarkiegrad auf 60 bis 80 Prozent erhöht werden.

Obwohl Stromspeicher heutzutage bereits günstiger zu erwerben sind, muss man dennoch mit hohen Investitionskosten rechnen. Pro Kilowattstunde Speicherkapazität kommen Kosten zwischen 750 und 1.200 Euro auf dich zu. Je größer die Speicherkapazität ausfällt, desto günstiger ist der Preis pro Kilowattstunde dabei. Einige Hersteller bieten zudem erweiterbare Stromspeicher an, die bei Bedarf im Nachhinein aufgestockt werden können. Mithilfe der Batterien kann überschüssiger Strom tagsüber gespeichert werden, sodass er bei Bedarf wieder an das Hausnetz abgegeben werden kann. Doch warum sollte man einen separaten Stromspeicher kaufen, wenn das eigene Elektroauto längst eine passende Batterie besitzt?

Stromspeicher steigern den Eigenverbrauch und erhöhen die Unabhängigkeit - egal ob E-Auto oder separater Speicher
Stromspeicher steigern den Eigenverbrauch und erhöhen die Unabhängigkeit – auch die E-Auto-Batterie kann als Speicher dienen

In der Theorie könnte das E-Auto hier eine wichtige Versorgungslücke schließen. Autobatterien, die den Strom nicht nur aufnehmen, sondern bei Bedarf wieder abgeben, wären eine ideale Maßnahme, um die schwankende Energieversorgung aus erneuerbaren Energien auszugleichen. Insbesondere, da E-Auto-Besitzer hier keinen zusätzlichen Stromspeicher kaufen müssten, um von den Vorteilen zu profitieren. Fachleute versprechen sich daher viel von der Möglichkeit des bidirektionalen Ladens – allerdings sind bisher nur wenige E-Autos und Wallboxen überhaupt dafür geeignet.

Bidirektionales Laden mit dem E-Auto – idealer Stromspeicher?

Bidirektionales Laden beim E-Auto bedeutet nichts anderes, als dass Strom dabei in zwei Richtungen fließen kann. Einmal aus dem Netz heraus in einen Speicher hinein und dann ebenso aus dem Speicher wieder hinaus in das Netz zurück. Faktisch sind viele Elektrogeräte im Alltag dazu imstande. Ein jeder Akku fällt unter diese Kategorie, da er Strom speichert und ihn anschließend wieder abgibt. So können Laptops oder Powerbanks auch ein Smartphone oder Tablet aufladen. In der Theorie funktioniert dieses Prinzip ebenso mit dem E-Auto, doch im Gegensatz zum Hausstrom setzt die E-Auto-Batterie nicht auf Wechselstrom (AC). E-Autos fahren mit Gleichstrom (DC), weshalb der Wechselstrom beim Laden der Autobatterien umgewandelt werden muss. Möglich wird das durch einen Gleichrichter, entweder im Bordladegerät deines Fahrzeuges oder in einer DC-Wallbox. Wenn der Strom ins Netz zurückfließen soll, wäre dafür ein Wechselrichter notwendig.

Selbst mit Stromspeicher kann produzierter Strom von PV-Anlagen nur zu 60 Prozent selbst verbraucht werden
PV-Anlagen produzieren Gleichstrom, den auch E-Auto-Batterien verwenden

PV-Anlagen produzieren ebenfalls Gleichstrom, der erst durch einen angeschlossenen Wechselrichter zu Wechselstrom für deine Hauselektronik wird. Darum kannst du mit dem Strom einer PV-Anlage dein E-Auto laden, bei der Verwendung im Haus muss jedoch eine Umwandlung erfolgen. Je nachdem in welche Richtung der Strom also fließen soll und welche Leitungen er dabei passiert, muss eine passende technische Vorbereitung gewährleistet sein.

Formen des bidirektionalen Ladens

Insgesamt gibt es drei Varianten des bidirektionalen Ladens, V2L, V2H und V2G genannt. Die einfachste Form ist bereits heute in einigen Modellen integriert. In deinem E-Auto befindet sich dann eine ganz normale Schuko-Steckdose, an der man elektrische Geräte anschließen kann. Diese Funktion bezeichnet man als Vehicle-to-load (V2L) oder Vehicle-to-Device (V2D). Sowohl der Hyundai Ioniq als auch der Kia Niro oder Modelle von MG (MG 4/5/Marvel) fallen in diese Kategorie. Vehicle-to-Home (V2H) stellt die zweite Möglichkeit dar. Hierbei wird das E-Auto an die Wallbox angeschlossen und gibt Energie ans Stromnetz des Hauses ab. Die Ladung der Autobatterie erfolgt dabei ebenso über die Wallbox, im besten Fall direkt mit überschüssigem Strom aus der PV-Anlage. Wenn nötig, kann der im Auto geladene Strom jederzeit zum Eigenverbrauch an das Hausnetz zurückgegeben werden. Etwa, wenn die PV-Anlage keinen Strom mehr zur Verfügung stellt.

Vehicle-to-Grid (V2G) stellt die anspruchsvollste Variante des bidirektionalen Ladens dar und ist zurzeit keine umsetzbare Option. Dabei würde das E-Auto den Strom aus seiner Batterie nicht nur in das heimische Netz, sondern in das gesamte Netz einspeisen. Dadurch könnten sich dank intelligenter Steuerung viele Tausend E-Autos zu einer Art virtuellem Kraftwerk verbinden, das jederzeit zur Stabilisierung der Energieversorgung nutzbar wäre. Dadurch ließen sich Bedarfsspitzen am Morgen oder Abend ausgleichen, wenn nicht ausreichend erneuerbare Energien für den Zeitraum zur Verfügung stehen.

Nicht jede Wallbox ist für das bidirektionale Laden von E-Autos geeignet
Nicht jede Wallbox ist für das bidirektionale Laden von E-Autos geeignet

Wallboxen, die ein bidirektionales Laden ermöglichen, fallen im Schnitt jedoch drei- bis viermal so teuer wie übliche Modelle aus. Dazu würde sowohl die Technologie im E-Auto selbst als auch das Lastmanagement einiges an Geld kosten. Damit sich diese Investitionskosten lohnen, müsste viel Strom in eine Autobatterie hinein- und hinausfließen. Beim aktuellen Bedarf in durchschnittlichen Haushalten bräuchte es somit Jahre, um die Kosten auszugleichen. Lukrativer könnte es sein, wenn viele E-Autos zur Netzstabilisierung herangezogen werden, da für diesen Strom höhere Erlöse am Markt erzielbar sind.

Neue Normen müssten bidirektionales Laden mit E-Auto absichern

Auch wenn die Technologien für das bidirektionale Laden bereits vorhanden sind, lässt sich der Wunschtraum des Stromspeichers in der Garage nicht so simpel umsetzen. Damit es zu keinen Schwierigkeiten kommt und an möglichst vielen Ladestationen funktioniert, müsste ein klar strukturiertes Regelwerk her. Die von deinem E-Auto abgegebene Strommenge muss dabei gemessen werden, damit ein passendes System überhaupt entscheiden kann, wann deine Batterie angezapft wird und ab wann das E-Auto den Strom behalten soll.

So wäre es unter anderem sinnlos deine Autobatterie anzuzapfen, während deine PV-Anlage ausreichend Strom produziert, weil der überschüssige Strom damit nur im öffentlichen Netz landen würde. Ebenso darf das bidirektionale Laden deine Batterie nicht so stark erschöpfen, dass du mit deinem Auto nicht mehr fahren kannst, wenn du es benötigst. Eine feine Abstimmung, die nicht nur deine individuelle Situation berücksichtigt, sondern auch grundlegende Sicherheitsnormen abdeckt, müsste geschaffen werden. Die Weichen dafür müssen nicht nur auf Gesetzesebene gestellt werden, sondern ebenso vonseiten der Hersteller und aus wirtschaftlicher Sicht.

Noch immer ist es unklar, wie Autohersteller mit der Garantie für die Autobatterie umgehen, wenn sie auch für das bidirektionale Laden freigegeben wird. Durch die Nutzung als Stromspeicher-Ersatz wird eine Batterie häufiger be- und entladen als das bei der reinen Nutzung als Verkehrsmittel der Fall wäre. Ebenso offen bleibt die Frage nach der Haftung für eventuell auftretende Schäden an der Installation, sollte es zu Fehlfunktionen kommen. Die Gefahr dafür lässt sich nicht pauschal einschätzen, da es große, technische Unterschiede von E-Auto-Modellen, mit der Größe ihrer Batterien bis hin zur Spannung im Bordnetz, gibt. Hausanschlüsse und Wallboxen müssen in der Lage sein, solche Unterschiede auszugleichen, um Schäden an der Batterie auszuschließen. Solange es jedoch keine einheitliche Norm gibt, können Hersteller von E-Autos und Wallboxen sich dabei nicht ausreichend aufeinander abstimmen.

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