Telekom, Vodafone & O2: Hunderttausende haben kein schnelles Handynetz

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Im Sommer 2010 nahm die Telekom ihren ersten LTE-Sender in Deutschland in Betrieb. Was damals im brandenburgischen Kyritz eine kleine Sensation war, ist heute Standard. Doch nicht für alle: Bis heute müssen hunderttausende auf schnelles LTE von Telekom, Vodafone und O2 verzichten.
Schlechtes Handynetz ist leider immer noch in vielen Orten üblich
Schlechtes Handynetz ist leider immer noch in vielen Orten üblichBildquelle: Unsplash

Regelmäßig beglücken die drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber Medien und Kunden mit Informationen, wie viele Sendemasten sie in den vergangenen Wochen errichtet haben. Die Netzabdeckung sei besser denn je und auch 5G werde schon bald zu 99 Prozent verfügbar sein. Was man nur herausliest, wenn man die Zahlen hinterfragt: Bis heute haben hunderttausende Haushalte kein LTE von Telekom, Vodafone oder O2. Schlimmstenfalls überschneiden sich die weißen Flecken und es gibt gar kein Netz. Beim neuen 5G-Standard sind es sogar Millionen Haushalte, die auf das Netz verzichten müssen, das in den meisten Fällen ohnehin nur als eine Art 5G light daherkommt.

Telekom: 5G „fast die Regel“, aber nur ein bisschen

Die Telekom „hat in den vergangenen vier Wochen die Mobilfunkversorgung an 772 Standorten ausgebaut. 110 Standorte wurden dafür neu gebaut und funken jetzt, je nach individuellem Versorgungsziel, mit LTE und 5G-Frequenzen.“ Mit dieser Meldung richtete sich die Telekom in dieser Woche an die Medien. Regelmäßig gibt man Updates, wie viele Sendemasten neu gebaut wurden, wo zusätzliche Frequenzen aktiviert und somit mehr Kapazitäten geschaffen wurden. Natürlich ist auch das Lieblingsthema der Mobilfunker, der 5G-Ausbau, dabei relevant. Die Abdeckung von 5G betrage bei der Telekom inzwischen 96 Prozent aller Haushalte, heißt es. 5G-Empfang sei „mittlerweile fast die Regel“.

Die Telekom suggeriert damit, dass der Highspeed-Standard nahezu flächendeckend zur Verfügung steht. Doch das ist mitnichten so. Denn auf der schnellen 3,6 GHz-Frequenz funken bundesweit nur rund 10.900 5G-Antennen. Das dürfte in etwa 3.600 Maststandorten entsprechen. Zum Vergleich: Bundesweit hat die Telekom etwa 36.500 Mobilfunkantennen-Standorte. Gerade einmal ein Zehntel ist also mit jener Technik ausgerüstet, die Gigabit-Datenraten liefert. An den restlichen Standorten liefert die Telekom – fachlich nicht ganz korrekt – im Prinzip nur LTE mit dem „Marken-Aufkleber“ 5G aus. Denn zusätzliche Kapazitäten für höhere Geschwindigkeiten liefert das in der Fläche eingesetzte 5G kaum. Es nutzt die bisherigen LTE-Frequenzen und Kapazitäten in einem als DSS bezeichneten Verfahren. Allerdings: Es ermöglicht der Telekom (sowie Vodafone und O2) andere Funktionen im 5G-Netz, die für einen normalen Smartphone-Anwender aber heute noch keine Rolle spielen.

Bis 2025 will die Telekom 99 Prozent der Bevölkerung mit (dem langsamen) 5G erreichen. Das entspricht dem Level der heutigen LTE-Haushaltsabdeckung. Das klingt viel, bedeutet aber, dass immer noch rechnerisch 410.000 Haushalte kein LTE (und künftig 5G) der Telekom nutzen können. Hinzu kommen mögliche Waldgebiete und Grenzregionen, in denen das Netz kaum wirtschaftlich ist. Da sich dort aber keine Haushalte, sondern höchstens Wanderer, Radfahrer und Landwirte befinden, spielen sie für die Haushalt-Zählung keine Rolle.

LTE-Abdeckung bei drei Anbietern bei jeweils 99 Prozent

Bei Vodafone und O2 verhält sich das nicht anders. Auch diese beiden Netzbetreiber liefern regelmäßig Ausbau-Erfolgsmeldungen, beschränken sich aber in der Regel darauf, die Abdeckung in der Bevölkerung zu nennen. Auffällig: Alle drei Anbieter kommunizieren, dass sie 99 Prozent der Bevölkerung – also der Haushalte – mit LTE versorgen können. Ein Prozent bleibt also jeweils außen vor. Wie groß die Schnittmenge derer ist, die keines der drei Netze empfangen können, ist unklar. Die Bundesnetzagentur sprach Ende vergangenen Jahres gegenüber inside digital von etwa 0,3 Prozent der Fläche Deutschlands. Wären damit Haushalte gemeint, wären es immer noch 123.000 Haushalte ohne jegliches LTE-Netz.

Allerdings ist es meist so, dass diese Haushalte sich schwierigen Regionen befinden. So gibt es immer wieder Bürgerinitiativen gegen Sendemasten. Wenn Initiativen in abgelegenen Dörfern erfolgreich sind, kann keiner der drei Netzbetreiber die weißen Flecken schließen. Sendemasten abseits der Dörfer sind für die Netzbetreiber in der Regel keine Option. Die Masten sind deutlich teurer zu errichten, brauchen Strom und eine Netzanbindung. Beides gibt es in Wäldern und Feldern vor den Dörfern nicht. Oft stellt sich auch der Naturschutz quer. Und: Die Sendeleistung (oder wie der Volksmund sagt: die Strahlung) wäre höher als wenn die Antenne im Ort steht, was die Absurdität der Anliegen der Bürgerinitiativen gegen Sendemasten im eigenen Ort zeigt. Selbst in Städten sei es inzwischen schwer, neue Antennenstandorte zu finden, sagte jüngst der O2-Chef und mahnt vor Kapazitätsengpässen.

Immerhin: Ist einer der drei Anbieter mit einem Sender in einem dünn besiedelten Gebiet vertreten, so gibt es inzwischen ein Verfahren, bei dem sich die Netzbetreiber gegenseitig zumindest eine Grundversorgung freischalten können. Dieses MOCN genannte Verfahren bringt zumindest ein Grund-LTE-Netz der anderen Anbieter in einen Ort, ohne dass jeder Netzbetreiber seine eigene Technik erreichten muss. Highspeed-Internet kann man aber nicht erwarten, da nur das LTE-Band 20 geteilt wird, das maximal etwa 75 Mbit/s pro Netzbetreiber in die Luft bringt.

Mehrere Millionen Haushalte noch ohne 5G

Doch zurück zu den Ausbauzahlen: Auch Vodafone und O2 bauen – wenig überraschend – neben weiteren LTE-Standorten 5G aus. O2 erreiche 95 Prozent, Vodafone 92 Prozent der Bevölkerung mit 5G, lassen die Presseabteilungen der Anbieter wissen. Informationen, wie viel 5G davon am Ende Highspeed-5G und wie viel davon nur „5G light“ über das DSS-Verfahren ist, gibt es kaum. Angesichts dessen, dass auch diese Netzbetreiber für schnelles 5G auf 3,6 GHz-Frequenzen setzen, wird die Zahl der Antennen aber kaum höher sein als bei der Telekom. Denn die benötigten Frequenzen haben nur wenige hundert Meter Reichweite, ein LTE-Sender auf dem Land hingegen kommt auf den Flächenfrequenzen auf 5 bis 10 Kilometer. Diese Reichweite bietet auch 5G auf Frequenzen um 700 MHz, die ebenfalls zum Einsatz kommen. Sie bieten aber keine hohen Geschwindigkeiten. Der Aufbau der echten Highspeed-5G-Sender lohnt sich also nur in Regionen mit einer dichten Bevölkerung. Aber so oder so bedeuten die Zahlen: Bei O2 haben heute etwas mehr als 2 Millionen Haushalte technisch noch keinen 5G-Empfang, bei Vodafone sind es rechnerisch 3,69 Millionen.

Der Vollständigkeit halber: Mit 1&1 gibt es inzwischen einen vierten Netzbetreiber, der ein eigenes Netz aufbaut. Doch für die Erschließung von Funklöchern dürfte 1&1 bis auf Weiteres kaum in Betracht kommen. In der Fläche setzt 1&1 auf ein National Roaming mit O2, künftig mit Vodafone. Gerade einmal 100 aktive eigene Antennen hatte man zuletzt vermeldet. Zwar sendet man auch LTE, will aber vor allem ein 5G-Netz aufbauen.

Wichtiger als die verbleibenden 5G-Lücken der drei etablierten Anbieter zu stopfen wäre aber ohnehin, ein flächendeckendes LTE-Netz für alle Anbieter zu haben. Das könnte mit einer möglichen Verlängerung bestehender Frequenzen durch die Bundesnetzagentur übrigens kommen. Dann sollen die Ausbauverpflichtungen verschärft werden. Das aber hilft am Ende des Tages auch nichts, wenn sich schlichtweg keine Sendemasten bauen lassen.

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