Immer wieder hören wir davon, wie Menschen von Videospielen abhängig werden. Manche Videospiele wie das bekannte “World of Warcraft” oder “FIFA 22” scheinen besonders häufig zu einer Videospielsucht zu führen. Woran liegt das, welche Rolle spielen die Entwickler dabei und wie können sich Spieler schützen? Diese Fragen und mehr haben wir von inside digital dem Medien- und Kommunikationswissenschaftler Dr. Frederik Weinert gestellt.
Weinert beschäftigt sich bereits seit längerem mit dem Suchtpotential von Videospielen und offenbart nun, wie Entwickler uns gezielt manipulieren und eine Sucht erzeugen. Er erläutert zudem, wie Spieler sich selbst schützen können und Spiele mit hohem Suchtpotential frühzeitig erkennen.
Warum machen Videospiele uns süchtig?
inside digital: Wieso machen Videospiele überhaupt süchtig?
Dr. Frederik Weinert: Gute Games sind so konzipiert, dass sie sich wie eine reale Welt anfühlen. Hinzu kommen Belohnungssysteme, die sich befriedigend anfühlen sowie Herausforderungen, Challenges und Quests, die das Gehirn stimulieren. Das Spielen hat meist einen lohnenden Effekt durch den Gewinn von Erfahrungspunkten, Levelaufstiege und durch das Looten neuer Items, die am besten legendär und episch sind. Je besser ein Game diesbezüglich konzipiert ist, desto eher macht es süchtig, vor allem dann, wenn das Game die Möglichkeit bietet, sich mit anderen Spielern zu messen, z. B. durch ein Ligen-System, Ränge und einen Wettstreit innerhalb von Gilden oder Clans.
inside digital: Wie groß ist die Rolle, die Entwickler dabei spielen?
Dr. Frederik Weinert: Gute Games haben ein hohes Maß an Immersion, eine virtuelle Realität, die extrem süchtig machen kann. Das ist natürlich im Sinne der Entwickler, denn dadurch gelangt das Spiel in die breite Öffentlichkeit wie beispielsweise das Online-Rollenspiel „World of Warcraft“ im Jahr 2005, das noch heute erfolgreich ist, wenn auch nicht mehr so wie damals. Seit einigen Jahren setzen Entwickler zusätzlich auf Lootboxen, In-Game-Käufe sowie andere Techniken wie Time-Gating und zeitlich limitierte Aktionen, wodurch die Gamer massiv unter Druck gesetzt werden.
Wer ist von einer Videospielsucht betroffen?
inside digital: Wer ist besonders anfällig für eine Videospielsucht? Gibt es Personengruppen, die besonders gefährdet sind?
Dr. Frederik Weinert: Junge und einsame Menschen sind besonders anfällig für süchtig machende Games. Kinder und Jugendliche haben meist keine ausreichende Medienkompetenz, um die Sucht einschätzen zu können. Mediensucht entsteht schleichend und verursacht zunächst keine Reaktionen bei Überdosierung wie zum Beispiel das Übergeben nach zu viel Alkohol. Vor allem Jugendliche messen sich in Online-Games, beispielsweise im Spiel „FIFA“. Sie investieren Geld und Zeit, um sich Packs zu kaufen, damit das eigene Team zu einem Monster-Team wird. Nach einem Jahr erscheint dann wieder ein neues Spiel der „FIFA“-Reihe, dann sind alle Investitionen futsch. Dieses Prinzip nennt sich „geborgte Macht“.
Auch einsame Menschen sind gefährdet, denn sie suchen in Games Anerkennung und Selbstverwirklichung. Gerade im Pay-to-win-Bereich, beispielsweise im Spiel „Diablo: Immortal“, lassen sich Macht und Anerkennung durch Echtgeld-Transaktionen kaufen. Das ist verlockend, denn ein mächtiger Spielcharakter wird gerne in virtuelle Gruppen eingeladen, um Dungeons effektiv zu meistern. Auch wenn viele Games, vor allem auf dem Handy, im Store zunächst kostenfrei sind, ist es möglich und teilweise notwendig, über 1.000 Euro zu investieren, um mithalten zu können. Das ist irre. Und es zeigt, dass viele Menschen keine Selbstkontrolle haben und dann in eine Sucht abrutschen, die für Außenstehende nicht direkt erkennbar ist.
inside digital: Welche Auswirkungen kann eine Videospielsucht auch außerhalb des Finanziellen haben?
Dr. Frederik Weinert: Ein finanzieller Schaden durch Sucht wie Überschuldung ist zunächst besonders prägnant. Genauso gefährlich sind aber auch soziale Isolation, Bewegungsarmut, Schlafmangel und Gereiztheit, sobald die Sucht nicht befriedigt werden kann. Das wiederum hat weitere Auswirkungen: Im Job kommt es zu Problemen, zwischenmenschlich und fachlich. Freundschaften werden nicht mehr gepflegt. Der fehlende soziale Kontakt allgemein führt zu Verhaltensstörungen, es können Angstzustände und Panikattacken auftreten. Spätestens dann ist Hilfe wichtig, doch aufgrund der sozialen Isolation können Freunde, Nachbarn oder der Arzt nicht umgehend helfen.
Wie können Spieler sich schützen?
inside digital: Was können Spieler tun, um sich selbst zu schützen? Auf welche Taktiken sollten Spieler achten und was sind Warnzeichen für ein süchtig machendes Spiel?
Dr. Frederik Weinert: Spieler sollten sich pro Tag ein zeitliches Limit setzen und generell kein Geld in In-Game-Käufe investieren. Lootboxen, die im Spiel in Form von kostenfreien Belohnungen möglich sind, kann man zum Beispiel auch durch einen Freund oder den Partner öffnen lassen und dabei zuschauen. Das klingt vielleicht komisch, aber das hilft und ist unterhaltsam. Taktiken und Warnzeichen sind aggressive Werbung in Games, zeitlich begrenzte Shopangebote, angebliche Rabattaktionen sowie Abo-Modelle und Battle-Pass-Angebote, wodurch die Ausgaben über Monate und Jahre steigen. Das verführt auch dazu, immer wieder einzuzahlen, um das Game weiterhin auf hohem Niveau spielen zu können.
Ein wichtiges Warnsignal sind außerdem Erfahrungsberichte auf Reddit. Es ist wichtig, sich mit anderen Spielern auch außerhalb des Games auszutauschen, beispielsweise in Foren oder den sozialen Medien. Das eröffnet einen objektiven Blickwinkel und die Möglichkeit, potenziell süchtig machende Games zu erkennen und – bei vorhandener Medienkompetenz – mit Spaß zu spielen, ohne dass es zu einer Sucht kommt. Um es praktisch zu sagen: “FIFA”, “World of Warcraft” und “Diablo: Immortal” können risikoarm konsumiert werden, sofern die Dosierung stimmt. Ich hoffe, Aufklärung trägt dazu bei, dass jeder Spieler weiß, dass Games nur dann gefährlich werden, wenn sie zu sehr Teil des Lebens werden. Games sind nämlich eigentlich ein cooles Hobby und ich wünsche mir, dass jeder Spieler dieses Hobby ohne Schaden genießt.
inside digital: Was sollten Spieleentwickler ihrer Meinung nach tun, um Verbraucher zu schützen?
Dr. Frederik Weinert: Spieleentwickler sind Wirtschaftsunternehmen, die vor allem an finanziellen Gewinn denken. Die sind nicht Mutter Teresa. Das ist auch logisch. Gute Entwickler achten allerdings auf ihren Ruf und sollten auf die Suchtgefahren freiwillig hinweisen, zum Beispiel indem im Game alle paar Stunden ein Hinweis aufpoppt, dass die Spielzeit so und so hoch ist. Auch bei In-Game-Käufen könnte ein Fenster aufpoppen: „Möchten Sie den Kauf wirklich tätigen?“ Aber das sind Wunschträume. Vielmehr sollten Verbraucherschutz und Politik die Suchtgefahr in Games regulieren. Aus diesem Grund braucht das Thema mehr Öffentlichkeit und eine starke Lobby.
Fazit zur Videospielsucht
Videospiele sind ein Hobby, das immer mehr an Popularität gewinnt. Besonders Kinder und Jugendliche treten immer früher in die virtuelle Welt ein. Für viele Videospielentwickler und Unternehmen ist dies die ideale Möglichkeit, junge Spieler an ihr Produkt zu binden und auf diese Weise eine Sucht zu erzeugen. Vor allem bei Kindern ist es deshalb wichtig, dass der Medienkonsum von Eltern reguliert und kontrolliert wird.
Wie Dr. Frederik Weinert bereits sagte, sind Videospiele in sich nicht böse, oder schädlich. Jedoch ist ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen neuen Medien unabdinglich. Wer auf die Warnzeichen achtet, die Dr. Weinert aufgezeigt hat und reflektiert mit Videospielen umgeht, der hat nichts zu befürchten. Immer mehr Studien zeigen, dass Videospiele in moderatem Maß sogar positive Auswirkungen haben können. Wir bedanken uns bei Dr. Weinert für seine Einsichten in das komplizierte Thema der Videospielsucht.
So ein Quatsch… Wenn’s so wäre, sind über 2 Millarden Menschen schon spielsüchtig.
Ich weiß nicht, was hier als Videospielsucht dargestellt wird klingt für mich mehr nach Glücksspielsucht. Lootboxen haben zwar garantierte Chancen das zu bekommen was ma sich wünscht, diese Chancen sind aber so gering das man häufig hunderte Euro investieren muss um an sein Ziel zu kommen. Meiner Meinung nach gehören Lootboxen und Gachasysteme in ihrer deezeitigen Form mehr reguliert.
Videospielsucht, ist für mich was anderes und deutlich komplexer als das im Artikel beschriebene. Aber das würde jetzt zu lange dauern…