Die Anga Com in Köln ist jedes Jahr das Stelldichein der Kabel-TV-Branche. Während im vergangenen Jahr das Ende des Nebenkostenprivilegs – von einigen auch als Zwangsverkabelung bezeichnet – bevorstand, gab es jetzt ein Fazit. Elf Monate ist es nun her, dass eigentlich jeder, der Kabelfernsehen nutzt, auch dafür zahlen muss – und zwar mit einem eigenen, persönlich abgeschlossenen Vertrag für Kabel-TV. Dass das nicht immer so ist, ist ein offenes Geheimnis, mit dem alle unterschiedlich umgehen. Während Vodafone und Tele Columbus, so zumindest die offizielle Aussage, aktiv gegen sogenannte Schwarzseher vorgehen, sieht IPTV-Anbieter Zattoo eine strukturelle Schieflage im Markt. Der Streaming-Anbieter hatte gehofft, viele Kabelkunden auf seinen Dienst überführen zu können.
Vodafone: Wer nicht zahlt, wird abgeschaltet
Vodafone sieht sich mit dem Wegfall des Nebenkostenprivilegs vor allem organisatorisch herausgefordert – und zieht eine klare Linie. „Wir sind intern sehr zufrieden damit, dass wir von den betroffenen Kunden ungefähr die Hälfte halten konnten“, erklärte Maren Pommnitz, Director Home Connectivity & Entertainment bei Vodafone Deutschland, auf der Anga Com.
Für Kunden, die sich nicht aktiv melden oder zahlen, findet Vodafone deutliche Worte: Sie werden regelmäßig angesprochen – und wenn keine Reaktion erfolgt, abgeschaltet. Die Abschaltungen erfolgen gestaffelt und technisch unterstützt, beispielsweise durch Filtereinsätze in den Verteilanlagen. Pommnitz betont: Fernsehen sei kein Gratisprodukt – und das müsse sich auch in der Kundenbeziehung widerspiegeln.
Bezugnehmend darauf, dass Studien von zahlreichen Schwarzsehern ausgehen, ist sie der Auffassung, dass die dort genannten Zahlen „deutlich zu hoch seien“. Dem Eindruck von Vodafone zufolge gehe die ausgebliebene Kundenwanderung darauf zurück, dass viele TV-Zuschauer sich möglicherweise schon vor dem Stichtag 1. Juli 2024 um andere Empfangswege gekümmert haben und längst versorgt waren. Dem Vorwurf, Schwarzseher bewusst nicht abzuschalten, um sie immer noch von einem Kabel-TV-Produkt zu überzeugen, sehen sich die Kabelnetzbetreiber schon seit Monaten ausgesetzt. Auch Telekom-Chef Tim Höttges ist das ein Dorn im Auge.
Tele Columbus: Filter gegen illegale Nutzung im Kabel-TV
Auch Tele Columbus geht mit klarer Kante gegen unerlaubte Nutzung vor. „Wir haben immer gesagt: Wir sind kein NGO. Wer unser Kabelfernsehen nutzt, soll dafür zahlen“, so Stephan Kalleder, Senior Director Products & Growth bei Tele Columbus. Haushalte, die nach der Abschaltung weiterhin das TV-Signal empfangen, erhalten klare Mitteilungen. Dabei gab es sogar den Hinweis auf mögliche strafrechtliche Konsequenzen. „Das war ein bisschen an der Grenze, das zu sagen. Ich will aber auch nicht unterstellen, dass da draußen noch 30 bis 40 Prozent Schwarzseher sind. Das Thema Schwarzseher würde ich gern ein bisschen runterspielen wollen.“
Technisch setzt Tele Columbus gezielt auf Filtereinsätze, um Schwarzsehen zu unterbinden. Die Maßnahmen erfolgen selektiv, aber entschlossen. „Natürlich ist das aufwendig – aber notwendig“, so Kalleder. „Früher war Kabel ein Ein-Sender-viele-Empfänger-System.“ Das sei vor allem unschön, wenn man Haushalte abgeklemmt habe und dann wieder Leistungen bestellt werden. Schließlich muss dann ein Techniker zweimal anfahren.
Trotzdem sieht Tele Columbus die Umstellung als Chance: Besonders in bislang weniger adressierten Gebäuden konnte man durch gezielte Kommunikation neue Sichtbarkeit gewinnen. Bündelprodukte aus TV und Internet verkauften sich deutlich besser. Der Anteil entsprechender Abschlüsse sei auf über 50 Prozent gestiegen.
Zattoo: Mehr als eine Million Haushalte ohne Vertrag
Auch IPTV-Anbieter Zattoo hat von der Entwicklung profitiert – wenn auch nicht im erhofften Maß, wie man offen zugibt. „Die Euphorie zu Beginn war groß. Danach etwas weniger“, räumte CEO Roger Elsener ein. „Die Erwartungen waren höher, aber es ist was passiert.“ Das eigene Privatkundengeschäft sei um rund 20 Prozent gewachsen. White-Label-Partnerschaften verzeichneten ebenfalls deutliche Zuwächse. Dabei liefert man anderen Anbietern, etwa Stadtnetzen, das TV-Signal und die Technik, ohne selbst als Anbieter und Vertragspartner in Erscheinung zu treten.
- TV-Streaming: Zattoo & Co im Vergleich
Gleichzeitig bleibt eine große Lücke: Laut einer von Zattoo beauftragten Studie schauen mehr als zwei Millionen Haushalte weiterhin TV, obwohl sie keinen gültigen Kabel-TV-Vertrag haben – bewusst oder unbewusst. Für Elsener ist das ein strukturelles Problem: Diese Haushalte zahlen nichts und sind für legale Anbieter (wie Zattoo) kaum erreichbar. Hinzu kommt ein weiteres Thema: „In Teilen der Bevölkerung hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass Fernsehen kostenlos sein müsse“, so Elsener. Das erschwere faire Preisgestaltung und schaffe Marktungleichgewichte, vor allem wenn einige Anbieter Lizenzkosten zahlen und andere nicht.
Der Kampf um die (Kabel-)TV-Zukunft bleibt offen
Ein Jahr nach dem Ende der Umlagefähigkeit zeigt sich ein fragmentiertes Bild. Vodafone und Tele Columbus setzen auf Abschaltungen, Filtersperren und gezielte Vertragsvermarktung. Zattoo profitiert vom IPTV-Trend, warnt aber vor strukturellen Marktproblemen durch Vertragslose. Davon soll es – laut Studie – immer noch zwei Millionen Haushalte geben, was die Kabel-TV-Betreiber bestreiten. Doch wenn es so wäre, wäre das ein großer Teil des TV-Kuchens, von dem Kabelnetzbetreiber, Streaming-Anbieter, Satelliten-Betreiber und freenet TV gleichermaßen etwas abhaben wollen. Insbesondere das Antennenfernsehen von freenet TV kämpft faktisch ums Überleben.
Gleichzeitig scheint die Zeit des kostenlosen Fernsehens vorbei zu sein. Wer TV-Angebote nutzt, muss auch bezahlen – diese Botschaft tragen die Netzbetreiber zunehmend offensiv in den Markt. Doch bis alle Haushalte auf Einzelverträge umgestellt sind, bleibt noch viel zu tun. Und: Per Satellit bleibt das Fernsehen wohl noch auf Jahre kostenlos. Das zumindest hat gerade erst RTL verlautbart.
