Die Umstellung von alten Kupfernetzen auf moderne Glasfaseranschlüsse war eines der Hauptthemen auf der Branchenmesse Anga Com 2025 in der vergangenen Woche. DSL-Abschaltung, Kupfer-Glas-Migration, Infrastruktur-Update. Der Vorgang hat viele Namen und Bezeichnungen. Und ebenso viele Meinungen. Denn so unterschiedlich wie die Interessen der verschiedenen Anbieter und Verbände sind, so unterschiedlich sind auch ihre Meinungen. Und so prallten in Köln teils gegensätzliche Positionen aufeinander. Die Kurzzusammenfassung: Während einige Akteure zur Eile mahnten, warnten andere vor übereilten Abschaltungen. Die Bundesnetzagentur zeigte sich gespalten, die Telekom-Wettbewerber einig. Und wie es wirklich weitergeht, das weiß noch immer niemand.
Anga: „Keine Zeit mehr zu verlieren“
Franziska Löw, Leiterin Regulierung beim Breitbandverband Anga, machte deutlich, dass der bestehende Zustand den Ausbau weiterer Glasfasernetze bremse. Noch immer seien rund 64 Prozent der Haushalte am DSL-Kupfernetz angeschlossen, obwohl vielerorts bereits Glasfasernetze verfügbar seien. Hauptproblem sei, dass die Telekom an ihrem alten Netz festhalte, weil es wirtschaftlich lukrativ sei. Das Kupfernetz ist längst abgeschrieben, der Ausbau neuer Leitungen teuer. Das schadet insbesondere den Wettbewerbern, die in Glasfaser investieren, aber unter niedriger Auslastung leiden. Gleichzeitig, so war von anderen Branchenvertretern ehrlich zu hören, ist eine höhere Bandbreite allein für die wenigsten Kunden der Grund, von Kabel oder DSL zur Glasfaser zu wechseln.
Die Lösung sieht Löw nicht in neuen Gesetzen, sondern in einer entschlossenen Regulierung: „Das geht nach unserer Auffassung auch ohne Gesetzesänderung.“ Die Bundesnetzagentur könne bereits heute klare Leitplanken festlegen. Dabei ging es – und jetzt kommt harte Kost für die meisten Leser – um den § 34 TKG. Laut ihm kann nur die Deutsche Telekom einen Antrag auf DSL-Abschaltung in bestimmten Gebieten stellen. Das aber wird sie nach aller Wahrscheinlichkeit mitnichten dort tun, wo nur die Wettbewerber ein gut ausgebautes Glasfasernetz haben. Diese wiederum haben laut Gesetz keine Möglichkeit, eine Abschaltung zu forcieren, selbst wenn sie alle Haushalte mit Glasfaserleitungen erschlossen haben. Die Bundesnetzagentur beruft sich auf den Gesetzestext, der Anga-Verband sieht das anders und fordert ein verbindliches Regulierungskonzept, das für alle Marktakteure gilt und faire Rahmenbedingungen schafft. Die Lösung, so Löw, liege in einem Regulierungskonzept nach § 17 TKG. Hier könnten beispielsweise Schwellenwerte als Rahmen definiert werden.
VATM: Homes Passed als Investitionsblockade
Schützenhilfe für die Anga kam vom Wettbewerberverband VATM. Dieser wirft der Telekom vor, beim Ausbau bewusst auf „Homes Passed“ zu setzen – also Glasfaser nur bis zur Bordsteinkante zu legen –, um so Investitionen anderer Anbieter zu blockieren und gleichzeitig das abgeschriebene Kupfernetz lukrativ weiter zu nutzen. Homes Connected und tatsächliche Vertragsabschlüsse würden dabei gezielt vernachlässigt.
BNetzA: Uneinigkeit in der Behörde bei DSL-Abschaltung
Vonseiten der Bundesnetzagentur war auf der Messe eine gewisse Ambivalenz zu spüren. Daniela Brönstrup, Vizepräsidentin der Behörde, sprach sich deutlich dafür aus, den Fokus auf echte Glasfaseranschlüsse zu richten. „Homes Passed, das ist nicht das, was wir anstreben sollten“, sagte sie. Ziel seien „Homes Connected“, also voll erschlossene Haushalte. Zur Erinnerung: Bei Homes Passed geht die Glasfaserleitung am Haus (und somit am Kunden) vorbei, aber nicht ins Haus. Polemisch kommentierten Marktbeobachter das als den Mallorca-Ausbau: Das Handtuch ist ausgelegt, der Haushalt für Glasfaser reserviert und somit für andere unattraktiv. Positiv bewertete Brönstrup, dass bereits 62 Prozent der angeschlossenen Haushalte (Homes Connected) die Glasfaser auch nutzen.
Gleichzeitig trat ihre Bundesnetzagentur-Kollegin Ute Dreger, zuständig für Gigabit-Ausbau und Marktregulierung, auf die Bremse. „Wir können die Kupfernetze nicht kurzfristig abschalten“, erklärte sie. Dafür seien schlichtweg nicht die Voraussetzungen vorhanden.
Netzbetreiber: Zwischen Hoffnung und Hürde
Auch die (alternativen) Glasfaser-Netzbetreiber äußerten sich auf der ANGA COM – ebenfalls mit unterschiedlichen Einschätzungen. Reinhard Sauer, CEO der Deutschen Giganetz, räumte offen ein: „Sind wir schnell genug im Anschluss? Das muss ich verneinen.“ Nach guter Vermarktung müsse man „deutlich an Speed gewinnen“, so Sauer. Der Ausbau beginne bei einer Quote von 35 Prozent, mit Nachverdichtung strebe man 60 bis 70 Prozent an. Über Kooperationen wolle man zudem die Auslastung steigern.
Vodafone-Deutschland-Chef Marcel de Groot stellte sich klar hinter die Forderung nach einer gesteuerten DSL-Abschaltung: „Die DSL-Abschaltung ist sehr, sehr wichtig für die Zukunft der Glasfasernetze in Deutschland.“ Er betonte die Notwendigkeit klarer Leitplanken, die Wettbewerb sicherstellen und der Branche Planungssicherheit geben. Bei ausreichendem Vorlauf sei er optimistisch. Vodafone setzt primär auf sein Kabelnetz, das gigabitfähig sei, wie de Groot und andere Manager mehrfach betonten. Allerdings baut Vodafone auch vereinzelt echte Glasfasernetze aus und hat ein interessantes Glasfaser-Ausbau-Pilotprojekt auf der Messe vorgestellt. Zudem ist Vodafone über ein Investment an der Firma OXG an einem Glasfaser-Ausbau für bis zu sieben Millionen Haushalte beteiligt, die man unter eigenem Namen vermarkten will.
Weniger drängend sieht man das Thema DSL-Aus bei O2 Telefónica. Privatkundenchef Andreas Laukenmann zeigte sich skeptisch: „Bei der geringen Penetration, die wir haben, sind wir weit davon entfernt, dass wir das machen sollten.“ Aus seiner Sicht dürfe eine Abschaltung keinen Nachteil für die Kunden bringen und müsse möglichst transparent erfolgen. Ein Zwang zur Migration sei derzeit verfrüht. O2 ist allerdings auch in einer sehr bequemen Position: Man betreibt selbst keine Glasfasernetze, hat lediglich Anteile an dem vergleichsweise kleinen Anbieter UGG. Im Festnetzgeschäft vermarktet man ausschließlich bestehende Infrastrukturen anderer Anbieter und hat als einziger Anbieter im deutschen Markt neben DSL und Glasfaser auch Zugriff auf die Kabelnetze von Vodafone und Tele Columbus.
Deutsche Telekom als Elefant im Raum
Die Deutsche Telekom war auf der Anga Com allenfalls in Form von interessierten Mitarbeitern des Unternehmens an den Messeständen zu sehen. Offizielle Vertreter ließen sich nicht blicken und waren auch für die Podien nicht angekündigt. Dennoch war die Telekom so etwas wie der berühmte rosa – oder besser magenta – Elefant im Raum. Sie ist am Ende bei einer DSL-Abschaltung der entscheidende Player, zog es aber – anders als in den Vorjahren – vor, der Messe fernzubleiben. Allenfalls interessierte Mitarbeiter des Unternehmens waren an den Messeständen zu sehen, offizielle Vertreter ließen sich nicht blicken.
Immerhin: Eines eint fast alle Akteure. Ohne ein klares Konzept zur Umstellung auf Glasfaser wird Deutschland das Ziel einer zukunftssicheren digitalen Infrastruktur nicht erreichen. Doch die Branche treibt noch ein weiteres Problem um: der Glasfaserausbau im Haus. Die Inhaus-Verkabelung (Fachbegriff NE4) ist gerade in größeren Miethäusern ein großes Problem, wie sich auf der Messe zeigte. Alles dazu liest du in Kürze in einem weiteren Text auf inside digital.
