Wie haben wir getestet?
Der Test fand an einem Anschluss in Berlin statt, der 2019 neu von Vodafone gebaut wurde. Allerdings hat Vodafone dabei keine Glasfaserleitung bis auf das Gelände gezogen, sondern das bestehende Koaxialnetz erweitert. Technisch funktioniert der Anschluss also genau so, wie ein Anschluss im Bestandsnetz. Besonderheit am Testanschluss aber: Mangels Alternativen – es steht um Objekt nur vergleichsweise teures FTTH der Telekom zur Verfügung – haben sich viele Nachbarn für Vodafone entschieden. Das verstärkt den Shared Medium-Effekt deutlich, möchte man meinen.
Für unseren Test haben wir über einen Monat hinweg zu verschiedenen Uhrzeiten vorher festgelegte Speedtest-Server genutzt. Dabei gilt wie immer: Ein Speedtest kann nur einen Teil der tatsächlichen Bandbreite abbilden. Das zeigt sich auch im Test. Denn wenn der Server stark frequentiert ist, dann ist das nicht der Leitung anzulasten. Deswegen haben wir bewusst einen bunten Blumenstrauß an Server gewählt, die teils vom speedtest.net-Netzwerk stammen. Aber auch nicht so bekannte Speedtests sind dabei. Neben dem Speedtest von Netflix haben wir beispielsweise auch den Vodafone-eigenen Speedtest genutzt. Aber auch die für Streaming so wichtigen Content-Delivery-Networks (CDN) wie Cloudflare haben wir getestet.
Getestet haben wir dabei wie auch ein normaler Nutzer seine Leitung nutzt: Mit einem Windows-Laptop, angeschlossen an ein Cat-6-LAN-Kabel. Als Router und Modem kann die AVM FritzBox 6660 Cable und einer der Gigabit-LAN-Ports der Box zum Einsatz. Weitere aktive Nutzer im Netzwerk gab es zum Zeitpunkt der Tests, die wir protokolliert haben, nicht. Das Setup wurde während der Tests nicht verändert.
Um zwei Ergebnisse vorweg zu nehmen: Ja, es gab teils extrem langsame Testwerte, die gerade einmal ein Zehntel der gebuchten Leitung entsprachen. Aber nein: In aller Regel schien es nicht die Leitung zu sein, die langsam ist. Die erstaunliche Erkenntnis dieses Tests: Ganz oft liegt die Schwachstelle viel tiefer im Netz.
Test 1: Der Büro-Start: Werktags, 8.15 Uhr
Deutschland ist im Home-Office. So sind die privaten Internet-Leitungen seit dem Frühjahr stärker belastet, als sie es vor der Pandemie waren. Doch in den wenigstens Haushalten wird wohl um 8 Uhr morgens intensiv Netflix oder Amazon Prime genutzt, die als Treiber des Datenverkehrs in Deutschland gelten. Dennoch erreichten wir in diesem Test zum Testserver von Consultix gerade einmal 236 Mbit/s, obwohl die Leitung 1.000 Mbit/s hergeben sollte.
Ist die Vodafone-Leitung also schon morgens überlastet? Nein. Denn nur kurz darauf testen wir zum Server von Cronon eine Datenrate von 940 Mbit/s im Downstream. Dass hier noch immer 60 Mbit/s zu den gebuchten 1.000 Mbit/s fehlen ist in diesen Geschwindigkeitsregionen nichts Ungewöhnliches und kann viele Gründe haben. Fakt ist aber: Die Leitung bietet (nahezu) das gebuchte Gigabit. Nur eben nicht zu jedem Server. So erreichten wir zu Cloudflare 750 Mbit/s, Google testeten wir mit 754 Mbit/s, ein Server von Deutsche Glasfaser (letztlich das CDN-Netz Fastly) schickt uns 859 Mbit/s und Netflix 590 Mbit/s.
Test 2: Die Rush-Hour: Sonntag, 20.30 Uhr
Private Internetanschlüsse werden abends am häufigsten genutzt. Besonders deutlich wird das samstags und sonntags. Das spiegelt sich auch in unseren Messungen wider. Netflix mag uns nur noch 180 Mbit/s schicken, Cloudflare 364 Mbit/s und der Vodafone-eigene Unitymedia-Test 118 Mbit/s, ein Vodafone-Speedtest.net-Server gar nur 30 Mbit/s. Noch langsamer war nur der Cronon-Server. Das Unternehmen wurde einst von Strato gegründet, gehört wie Strato auch zu United Internet und hat sein Rechenzentrum in Berlin – an der gleichen Adresse wie Strato. Dennoch: Am Sonntagabend kamen wir hier auf nur 43 Mbit/s im Downstream. Warum das so ist? Dazu später mehr. Übrigens: Das beste Messergebnis in dieser Testreiche lieferte uns der Server von Deutsche Glasfaser: 550 Mbit/s kamen hier am Sonntagabend an.
Test 3: Werktags, 20.30 Uhr
Gleiche Uhrzeit, anderer Tag. Werktags ist das Streaming-Verhalten etwas anders als an einem Sonntag. Das zeigt sich auch im direkten Vergleich der Messwerte: Netflix erreichte an dem Mittwoch des Tests (drei Tage nach dem Test 2) 240 statt 180 Mbit/s und die Deutsche Glasfaser lieferte mit 601 Mbit/s noch einmal etwas mehr und auch Google-Server waren 135 Mbit/s schneller und brachten es auf 570 Mbit/s. Der Messwert von Cronon steigt auf immer noch langsame 67 Mbit/s. Doch es geht auch umgekehrt: Cloudflare lieferte mit 283 Mbit/s etwa 81 Mbit/s weniger als am Sonntag. Und auch der Testserver von AS250.net verlor von schon langsamen 130 Mbit/s am Sonntag noch einmal 62 Mbit/s und lieferte nur noch 68 Mbit/s.
Der Upstream
Für unseren Test, der ohnehin nur eine Stichprobe sein kann, da er an einem einzigen Anschluss in Berlin durchgeführt wurde, haben wir weit über 80 Messungen zu unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlichen Servern gemacht. Das Positive: Der Upstream enttäuschte uns nie nur eine einstellige Zahl an Messungen war langsamer als die gebuchten 50 Mbit/s. Die meisten Messwerte lagen sogar darüber.
Die Ping-Zeiten
Insbesondere für Gamer, aber auch für andere Anwendungen und ein flüssiges Internet-Surfgefühl sind niedrige Ping-Zeiten relevant. Das sind jene Zeiten, die ein Datensignal benötigt um von deinem Rechner zum Server und wieder zurückzukommen.
Die Ping-Zeiten unserer Testserver waren durch die Bank auf einem guten Niveau. Die meisten Messungen lagen im Bereich von 20 bis 30 Millisekunden, was ein guter, durchschnitt ist. Ausreißer gab es sowohl nach unten als auch nach oben. So antworte der Google-Messserver in der Regel in unter 10 Millisekunden, Verbindungen zu einem Server in Köln von Netcologne dauerten insbesondere in den Rush-Hour-zeiten zwischen 50 und 80 Millisekunden. Da aber waren sie wie gesagt die Ausnahmen.
Abseits des Protokolls
In der alltäglichen Nutzung der Leitung fallen keine massiven Einbrüche auf – zumindest, solange es nur um Dienste wie Videostreaming & Co. geht. Will man aber in den Abendstunden größere Datenmengen aus dem Netz ziehen, etwa um ein Playstation-Update zu machen, dann dauert es deutlich länger als zu anderen Zeiten. Auffällig auch: Während einer Samstag-Nachmittag-Spielzeit in der Fußball-Bundesliga war die Leitung kaum nutzbar. Möglich, dass hier übermäßiges Streaming das Netz zum Einbruch brach oder es schlichtweg ein dummer Zufall war. Messungen fanden in der Zeit jedoch nicht statt, sodass hier keine absoluten Werte vorliegen.
Gesamtbetrachtung
Über alle Messergebnisse hinweg fällt auf: Es gibt immer einen Testserver, der annehmbare Datenraten aufweist. Annehmbar ist hier ganz klar in Bezug auf die gebuchte Geschwindigkeit zu sehen. Es ist vollkommen klar, dass andere Internetnutzer froh wären, wenn sie die in diesem Test teils bemängelten 30 oder 50 Mbit/s bekommen würden.
550 Mbit/s vom Server der Deutschen Glasfaser am Sonntag war über alle Tests hinweg der schlechteste schnelle Wert, während gleichzeitig andere Testserver bedeutend weniger lieferten. Die Schwachstelle des Anschlusses, die zur Datenverstopfung am Abend führt, ist also offenbar nicht das viel kritisierte Shared Medium. Es sind die Netzübergänge (Peering-Points) von Vodafone in andere Netze.
Denn sobald Datenverkehr in viel gefragte Netze übergeben wird, fällt der Datendurchsatz runter. Das ist besonders deutlich bei Netflix, Cronon (Strato) oder Cloudflare zu beobachten. Vodafone wäre also gut beraten, möglichst schnell in diese Netzübergänge zu investieren. Dabei handelt es sich entweder um direkte Vereinbarungen mit den anderen Netzen und direkte Übergaben des Datenverkehrs (Private Peering) oder um den Anschluss an offene Internetknoten wie den DeCIX in Frankfurt. In Berlin, dem Standort unseres Testanschlusses, kommt auch oft der lokale BCIX zum Tragen. Vodafone ist hier nach Betreiberangaben mit 2 x 100 Gbit/s angeschlossen. Zum Einsatz kommen diese bei unseren Test-Verbindungen aber kaum. Die Routings liefen in der Regel zu privaten Peering-Punkten und auffallend oft erst von Berlin nach Frankfurt. Wenn diese Leitungen überlastet sind, hat das Auswirkungen auf alle Internetverbindungen, die darüber laufen.
Es ist also am Ende nicht die Art des Anschlusses per Kabel, die den Anschluss in den Abendstunden langsam macht, sondern die allgemeine Überlastung des Vodafone Backbones. Zumindest ergibt sich dieser Eindruck aus unserem Test. Im Gegensatz zur zeitaufwändigen Splittung von Anschluss-Clustern, der Segmentierung, sollten Änderungen am Routing und der Ausbau von Peering-Points vergleichsweise schnell gehen. Vodafone wäre gut beraten, das zeitnah zu tun, denn der Traffic-Hunger der Kunden steigt weiter an.
Zum direkten Vergleich: So schneidet ein Gigabit-Anschluss der Telekom im Test ab.