Der Verkauf eines Stadtnetzes an die Telekom ist in der Branche ein rotes Tuch – erst recht, wenn der Verkäufer im Lobbyverband BUGLAS (Bundesverband Glasfaser) organisiert ist und gleichzeitig Warnungen vor Remonopolisierung im Raum stehen. Der Hintergrund: Der BUGLAS hat seit etwa einem Jahr die Telekom als Mitgliedsunternehmen und steht seitdem bei anderen Lobbyverbänden im Kreuzfeuer der Kritik. Genau in diesem Spannungsfeld steht DOKOM21: Sie zieht sich aus Essen zurück und verkauft ihr Netz – ausgerechnet an die Telekom. Wurde hier nüchtern kalkuliert oder kampflos aufgegeben und welche Rolle spielt der BUGLAS? DOKOM21-Geschäftsführer Marko Iaconisi erklärt im Interview mit inside digital, warum es am Ende doch die Telekom wurde und welche Folgen das für Wettbewerb und Kunden hat.
inside digital: Herr Iaconisi, Sie geben ein 75 Kilometer langes Glasfasernetz in Frohnhausen und Huttrop ab und ziehen sich damit komplett aus Essen zurück. War Essen für DOKOM21 wirtschaftlich nie tragfähig? Ist der Verkauf Teil einer größeren strategischen Neuausrichtung auf Dortmund oder eher die Notbremse, weil man gegen Telekom und Co. auf Dauer keine Chance sah?
Marko Iaconisi: Das Netz in Essen war durchaus wirtschaftlich, zumindest bis zum 01.07.2024. Nicht, weil das mein erster Tag bei DOKOM21 als Geschäftsführer war, sondern weil das Nebenkostenprivileg fiel und der größte Auslastungsbringer, die Wohnungswirtschaft, und damit ein großer Anteil der direkten Zugänge zum Endkunden im Essener Netz wegbrach. DOKOM21 stand vor der Entscheidung, das Netz im aktuellen Zustand zu belassen oder das Glasfaser-Netz in den Gebäuden zu einem vollwertigen FTTH-Netz zu erweitern. Die dritte Option war die Veräußerung des Netzes. Eine aus meiner Sicht völlig sinnvolle und vor allem strategisch richtige Abwägung. Im Kern haben wir uns die Frage gestellt: Investiere ich als Dortmunder Unternehmen weiterhin in Essen oder doch lieber in FTTH-Glasfasernetze in Dortmund? Die Antwort, denke ich, erübrigt sich.
inside digital: DOKOM21 ist im BUGLAS organisiert, also in einem Verband, der lange vor allem die alternativen Glasfaseranbieter gebündelt hat und in dem inzwischen auch die Telekom selbst Mitglied ist. Dieser Schritt wird von anderen Verbänden und deren Mitglieder extrem kritisch gesehen. Jetzt verkauft ein BUGLAS-Mitglied sein Stadtnetz an eben diese Telekom, was ebenfalls für Kritik sorgt. Gleichzeitig warnt die Monopolkommission vor einer Remonopolisierung. Wie erklären Sie, dass der Verkauf ausgerechnet an die Telekom erfolgte? Wäre nicht ein Verkauf an einen anderen Regionalanbieter viel mehr im Interesse des Wettbewerbs gewesen?

Marko Iaconisi: Wir verstehen gut, dass man den Verkauf des Essen-Netzes mit dem BUGLAS verbinden möchte, nur hat das miteinander nichts zu tun. DOKOM21 hat bereits Anfang September 2024, und damit bereits vor unserem Eintritt in den BUGLAS im Dezember 2024, das Voss Ingenieurbüro für Kommunikationstechnik als externes und unabhängiges Beratungshaus damit beauftragt, das Netz in Essen zu bewerten und dem Markt zum Kauf anzubieten. Im Januar hat unser Berater den Verkauf veröffentlicht und ist aktiv auf 27 potenzielle Unternehmen zugegangen. Schlussendlich hat uns die Telekom das beste Angebot unterbreitet und mit uns auf Augenhöhe verhandelt. Den Vorwurf, den maximalen Verkaufspreis erwirtschaften zu wollen, nehmen wir gerne an. Schlussendlich wird diese Summe, die wir mit dem Verkauf erwirtschaften, in die Glasfasernetze in Dortmund investiert.
inside digital: Bevor man ein Stadtnetz komplett verkauft, ließen sich theoretisch auch andere Modelle denken, etwa der Verkauf der Infrastruktur mit anschließender Nutzung über Open Access oder eine Fortführung von DOKOM21 als eigenständige Marke auf einem Telekom-Netz. Welche Alternativen zum Komplettverkauf haben Sie konkret geprüft und warum sind diese Optionen gescheitert?
Marko Iaconisi: Da haben Sie vollkommen recht, das war eine Alternative, die wir uns auch sehr genau angesehen haben. Aber auch bei dieser Option wären Investitionen notwendig gewesen, um Open-Access seriös in Essen anbieten zu können.
inside digital: Thilo Höllen von der Telekom hat vor einigen Wochen in einem Interview bei uns betont, dass die Telekom Netze anderer Anbieter nur sehr selten nutzt, lieber selbst baut und auf langfristige Modelle mit klarer Kontrolle setzt – Kooperation ja, aber zu Bedingungen der Telekom. Gleichzeitig endet Ihr Ausflug nach Essen nicht in einer gemeinsamen Nutzung des Netzes, sondern in einem kompletten Verkauf an die Telekom. Konnten Sie diesen Deal nicht auch nutzen, um über die Mitnutzung auf Open Access-Basis Ihres Kernnetzes in Dortmund durch die Telekom zu sprechen?
Marko Iaconisi: Eine sehr gute Idee, die Charme hat. Darüber werden wir uns Gedanken machen.
inside digital: In der Pressemitteilung zur Übernahme ist von einem möglichst reibungslosen Übergang für die Kundinnen und Kunden die Rede, konkrete Zusagen zu Preisen oder Leistungen fehlen aber. Wie wird der Wechsel konkret ablaufen, sowohl technisch auf Netzebene als auch aus Kundensicht in Bezug auf Tarife und bestehende Verträge mit Endkunden? Und ab wann sind Ihre bisherigen Essener Anschlüsse über die Telekom buchbar?
Marko Iaconisi: Wie oben erwähnt, bleiben die Endkunden noch auf FTTH-Basis erhalten. Dadurch ist es möglich, dass die Telekom ihre Systemtechnik parallel zu unserer aufbaut. Dies hat den großen Vorteil, dass der Kunde bei der Umstellung nur mit einer minimalen Ausfallzeit zu rechnen hat. Wir werden alle Kunden in Abstimmung mit der Telekom persönlich ansprechen und stehen unseren Kunden selbstverständlich weiterhin zur Verfügung.
Da die Telekom das Netz als Open-Access-Netz entwickeln wird, wird dem Kunden eine Auswahl an alternativen Providern zur Verfügung stehen. Eine Aussage dazu, wann genau Telekom damit auf den Markt gehen wird, obliegt der Telekom. Ich kann sagen, wir wollen den Asset-Deal technisch im Laufe des Jahres 2026 abschließen.
inside digital: Vielen Dank!
Transparenzhinweis: Das Interview wurde aus zeitlichen Gründen schriftlich geführt.
