Gemeinsamer Netzausbau: Telekom, Vodafone, O2 und 1&1 tun sich zusammen

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Mobilfunk im Zug gehört für viele Reisende zu den frustrierendsten Erfahrungen im Alltag: Funklöcher, langsame Datenraten oder gar kein Empfang. Das soll sich ändern. Telekom, Vodafone, O2 und 1&1 wollen gemeinsam das Netz verbessern.
Ein Mobilfunksendemast mit den Logos der vier deutschen Netzbetreiber

Bauen die vier Netzbetreiber ihr Netz künftig gemeinsam an

Besonders auf Fernverbindungen ist stabiles Internet oft Mangelware. Technisch ist es bislang höchst anspruchsvoll, die Signale für schnelles 5G-Internet nah genug an die Strecke zu bringen. Schon seit mehr als einem Jahr gibt es daher Probeläufe, wie man das ändern kann. Auf einer rund zwölf Kilometer langen Nebenstrecke zwischen Malchow und Karow in Mecklenburg-Vorpommern testeten O2 Telefónica, Vantage Towers, Ericsson und die Deutsche Bahn, wie sich 5G-Funktechnik entlang der Gleise effizient aufbauen lässt. Wir hatten darüber ausführlich berichtet. Jetzt geht das Projekt, das eigentlich längst beendet und abgebaut sein sollte, in die nächste Phase. Unter dem Projektnamen „Gigabit Innovation Track XT“ (GINT XT) arbeiten erstmals alle vier deutschen Mobilfunknetzbetreiber gemeinsam mit der Deutschen Bahn an einer Lösung.

Pilotstrecke der Bahn in Mecklenburg-Vorpommern wird erweitert

Entlang einer sonst kaum benutzten privaten Bahnstrecke haben seinerzeit die Projektverantwortlichen eine Reihe neu entwickelter Mobilfunkmasten errichtet – alle 1.000 Meter einer. An Bord eines umgebauten ICE-Testzugs, dem „Advanced TrainLab“, wurden reale Messfahrten durchgeführt. Dabei kamen unter anderem 3,6-GHz-Frequenzen zum Einsatz, die hohe Datenraten ermöglichen. Ergänzend werden sowohl niedrigere Frequenzen mit größerer Reichweite als auch noch höhere Frequenzbereiche getestet. Auch funkdurchlässige Scheiben, aktive und passive Antennen sowie alternative Stromversorgung mit Brennstoffzellen wurden erprobt. Die Erkenntnisse aus dem Projekt zeigten schon damals: Gigabit-Datenraten im fahrenden Zug sind möglich – wenn Infrastruktur, Netztechnik und Planung stimmen.

Mit dem Nachfolger GINT XT geht man nun einen Schritt weiter. Was ihn besonders macht: Die Netzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone, O2 Telefónica und 1&1 bauen das Netz nicht mehr getrennt, sondern gemeinsam. Statt vier paralleler Netze soll künftig eine gemeinsame Infrastruktur zum Einsatz kommen. Das inkludiert den gemeinsamem Zugang zu Basisstationen, Antennen und Software. Das verhindert, dass ein Mast künftig vier verschiedene Antennen tragen muss und jeder Anbieter ein hohes finanzielles Investment tätigen muss.

Vier Netzbetreiber sollen Technik gemeinsam nutzen

„Ein leistungsstarkes Netz entlang der Schiene ist für uns eine zentrale Zukunftsaufgabe“, sagt Abdu Mudesir, Geschäftsführer Technologie der Telekom Deutschland. Ziel sei es, technische Möglichkeiten und wirtschaftliche Machbarkeit frühzeitig zu verbinden. Auch O2-Chef Markus Haas sieht in dem Projekt einen wichtigen Meilenstein: „Die ersten Tests zeigen: Gigabit am Gleis ist machbar, wenn alle mit anpacken“, erklärt er. „Unser Ziel ist es, Reisenden stabile Datenraten und umfassende Netzkapazitäten für Streaming, Arbeiten und Kommunizieren im Zug zu bieten.“

Der Netzausbau erfolgt dabei technologieoffen. Zudem wird geprüft, wie sich der neue Bahnfunk FRMCS (Future Railway Mobile Communication System), der europaweit GSM-R ablösen soll, mit öffentlichem Mobilfunk kombinieren lässt. Die notwendigen Masten entstehen ohnehin – und stehen auf Bahngelände. Das erspart nicht nur Genehmigungsverfahren, sondern macht auch den Weg frei für eine effizientere Umsetzung. Allerdings muss die Verträglichkeit des öffentlichen Mobilfunks mit dem neuen Bahnfunk überprüft werden.

Ein zentrales Ziel des Projekts ist die Bahnstrecke Hamburg–Berlin. Mit bis zu 230 Zügen pro Tag zählt sie zu den meistbefahrenen Verbindungen Deutschlands. Rund 30.000 Fahrgäste sind täglich auf ihr unterwegs. Im Rahmen einer geplanten Generalsanierung will die Bahn die nötige Infrastruktur für FRMCS und Mobilfunk gleich mit errichten. Hier könnten die Ergebnisse des GINT-XT-Projekts direkt in die Praxis übertragen werden. Und hier drängt die Zeit: Die Generalsanierung der Strecke startet schon am 1. August.

Noch viele Fragen offen

„Wir wollen Gigabit-Mobilfunk in den kommenden Jahren zuverlässig und stabil zu den Bahnreisenden bringen – und nutzen dafür die 5G-Frequenzen aller Netzbetreiber“, sagt Marcel de Groot, Deutschlandchef von Vodafone. Die Strecke Hamburg–Berlin sei dafür das ideale Testfeld. Eine Einschätzung, die auch Michael Martin, CEO der 1&1 Mobilfunk GmbH, teilt: „Unsere Innovationskraft und technologische Expertise bringen wir gezielt in GINT XT ein. Das Projekt steht exemplarisch für gelebte Innovation durch Kollaboration.“

Doch noch gibt es offene Fragen: Wer betreibt künftig die Technik? Wie werden Netzbetreiber aufgeschaltet? Und wie wird das Projekt langfristig finanziert? Denkbar ist, dass ein Betreiber wie Vantage Towers die physische Infrastruktur übernimmt und die Netzbetreiber ihre Signale zentral einspeisen. Wichtig ist nun, dass die Beteiligten zügig Einigkeit erzielen. Denn mit Hamburg–Berlin und der Riedbahn in Baden-Württemberg stehen gleich mehrere Generalsanierungen bevor, bei denen die Mobilfunker solche Netze integrieren könnten. Für die Strecke Hamburg–Berlin hatte die Bahn schon vor einigen Monaten den entsprechenden Netzausbau angekündigt, wollte hier aber auf eigene Masten setzen und nicht auf die Pilotarbeit von Vantage Towers.

So oder so: Für dich als Bahnfahrgast bedeutet das Projekt vor allem eines – die realistische Aussicht auf stabiles, schnelles Internet im Zug. Videokonferenzen, Streaming oder Cloud-Zugriffe könnten damit bald nicht mehr an Tunnel und Funklöchern scheitern. Aber noch nicht heute. Und auch noch nicht morgen. Doch GINT XT könnte zeigen, dass gemeinsamer Netzausbau nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll ist – und zum Vorbild für den bundesweiten Rollout werden. Letztendlich wird hier aber auch noch die Bundesnetzagentur ein Wort mitreden wollen, wenn es um den gemeinsamen Ausbau von verschiedenen Netzbetreibern geht.

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