Bis zu 1.000 Prozent Preisunterschied: Das Geschäft mit der Fernwärme

5 Minuten
Ein Volkswirt begann aus eigener Not heraus, einen genauen Blick auf die Berechnungsmodelle von Fernwärme-Anbietern zu werfen. Mehr als 120 Fernwärmeversorger bietet die Datensammlung von Werner Siepe nun. Darin zeigen sich gravierende Preisunterschiede in den vergangenen Jahren.
Bis zu 1.000 Prozent Preisunterschied - Das Geschäft mit der Fernwärme
Bis zu 1.000 Prozent Preisunterschied - Das Geschäft mit der FernwärmeBildquelle: Image by ri from Pixabay

Die Fernwärme konnte wenig positive Schlagzeilen in den vergangenen Monaten für sich verbuchen. Immer wieder werden Beschwerden von Bürgern laut, die plötzlich mit starken Preiserhöhungen konfrontiert werden. Bis zu 800 Euro monatlich zahlen etwa Kunden der Stadtwerke Hanau (SWH). Noch schlimmer traf es Haushalte im bayerischen Wenzenbach. Hier stellte ein Fernwärme-Anbieter die Energieversorgung ab, nachdem Kunden erhöhte Rechnungen nicht bezahlt hatten. Mittlerweile hat das Unternehmen Insolvenz angemeldet. Auch die Datensammlung von Volkswirt und Finanzmathematiker Werner Siepe wurde aus der Not heraus geboren, wie er dem MDR berichtet. Der Pensionär aus Erkrath-Hochdahl bei Düsseldorf beschäftigt sich bereits seit Jahren intensiv mit Themen rund um Immobilien sowie Renten. Da er selbst mit Fernwärme heizt, erhielt er eine vierstellige Nachzahlungsforderung seines Versorgers.

Kaum verständliche Preisformeln für Fernwärme

Um die hohe Rechnung nachzuvollziehen, begann Siepe sich intensiv mit dem Thema Fernwärme zu beschäftigen. Schnell stellte er fest, dass die Fernwärme-Anbieter mit kaum verständlichen Preisformeln arbeiten, die niemand nachvollziehen kann. So greifen die Unternehmen etwa auf völlig unübliche Preisindizes zurück, die aus Sicht des Volkswirtes sowohl willkürlich ausgewählt als auch unterschiedlich gewichtet werden. Das sei seiner Einschätzung nach der wesentliche Grund für die großen Preisunterschiede zwischen den Anbietern. Insgesamt verglich der Finanzmathematiker 120 Fernwärme-Anbieter miteinander. Dabei versuchte er, eine möglichst repräsentative Auswahl zu treffen. In seiner Datensammlung finden sich daher neben den großen Unternehmen wie EnBW Stuttgart, Vattenfall Berlin, Mainova Frankfurt, Rheinenergie Köln sowie den Stadtwerken München auch rund 90 mittlere und kleinere Versorgungsgebiete. Auch Nahwärmenetze sind in seinen Datensatz eingeflossen.

Für das Jahr 2022 stellte Siepe den größten Unterschied zwischen den Fernwärme-Anbietern fest. So belief sich im Oktober 2022 der Preis des günstigsten Anbieters für Privatkunden auf 3,7 Cent pro Kilowattstunde. Die teuersten hingegen forderten bereits zwischen 39 und 42 Cent pro Kilowattstunde. Der stärkste Preisunterschied zwischen dem günstigsten Anbieter, den Stadtwerken Eisenhüttenstadt und dem teuersten Anbieter, Avacon Natur in der Stadt Gommern bei Magdeburg, belief sich auf erschreckende 1.038 Prozent. Natürlich handelte es sich während der Energiekrise in 2022 um ein Ausnahmejahr, in dem viele Energieversorger ihre Preise stark erhöhten. Doch auch im darauffolgenden Kalenderjahr konnte Siepe weitere hohe Preisunterschiede feststellen. So lagen 2023 rund 418 Prozent Differenz zwischen dem günstigsten und teuersten Fernwärmetarif. Diese Preiserhöhung spürten jedoch nicht alle Verbraucher direkt. Die Bundesregierung führte eine Preisbremse von 9,5 Cent für Fernwärmekunden ein. Was diese Quote überstieg, wurde vom Staat übernommen und musste nicht von privaten Haushalten finanziert werden.

2024 wenig Entspannung in den Preisen in Sicht

Im ersten Quartal 2024 konnte Siepe weiterhin Preisunterschiede feststellen. Die Quote fällt mit rund 608 Prozent sogar noch höher aus als die Unterschiede im vergangenen Jahr. Während der günstigste Anbieter rund 4,3 Cent pro Kilowattstunde veranschlagt, sind es beim teuersten, dem Hansewerk Natur in Bad Malente, mehr als 30,5 Cent. Damit deutlich wird, wie stark sich dieser Preis auf einen Musterhaushalt auswirkt, hat Siepe den hohen Arbeitspreis auf ein typisches Einfamilienhaus mit 120 Quadratmetern Wohnfläche angewandt.

Bei den Stadtwerken Hanau etwa, wo der derzeitige Arbeitspreis bei 29 Cent pro Kilowattstunde liegt, ergäben sich bereits Kosten von 498 Euro pro Monat. Dabei sind zusätzliche Kosten für die Erzeugung von warmen Wasser in dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt. Zwar sinkt der Arbeitspreis der Stadtwerke Hanau im April wieder auf rund 19 Cent trotz steigender Mehrwertsteuer. Dennoch bedeutet das, ein einzelner Haushalt zahlt monatliche Heizkosten von mindestens 342 Euro. Das sind jährliche Heizkosten von bis zu 4.104 Euro, die ein Durchschnittshaushalt kaum aufbringen kann.

Fernwärme bleibt ein Monopol

Für Kunden von Fernwärme-Anbietern mit hohen Preisen bedeutet das, sie sitzen inmitten einer Kostenfalle. Ein Wechsel zu anderen Versorgern ist technisch zurzeit nicht möglich, da nur ein Anbieter über das Fernwärmenetz zur Verfügung steht. Eine Herabsenkung der Preise kann so nur durch politischen Druck auf die Versorger gewährleistet werden. Denn häufig befinden sich die Fernwärmeversorger in kommunaler Hand. So viel Freiraum in der Preisgestaltung, wie wir ihn in der Fernwärme beobachten, gibt es bei keinem anderen Sektor auf dem Energiemarkt. Im Vergleich zu anderen Energieanbietern ist die Informationsbeschaffung bei Fernwärme schwierig. Zwar hat die Arbeitsgemeinschaft Fernwärme (AGFW) für das Frühjahr eine Plattform angekündigt, auf der die Versorger ihre Preise veröffentlichen werden.

Wann genau diese online gehen wird, ist jedoch weiterhin offen. Sie soll einen Überblick über 150 Netze in Deutschland bieten. Eine solche Preisübersicht hätte jedoch längst zur Verfügung stehen sollen. Insbesondere, wo der Fernwärme im Zuge der Energiewende immer mehr Gewichtung beigemessen wird. Sofern die Preisgestaltung der Fernwärme-Anbieter nicht wesentlich stärker reguliert und transparenter gestaltet wird, kann sie nicht als echte Alternative zu eigenen Heizsystemen betrachtet werden. Die Abhängigkeit der Verbraucher von einem einzelnen Versorger und dessen Preisgestaltung fällt dabei zu groß aus. Positive Beispiele wie die günstigen Preise der Stadtwerke Eisenhüttenstadt geben zwar Grund zur Hoffnung für die Branche. Doch nur, wenn man Kunden langfristig die Fernwärme zu sicheren Preisen und politischer Absicherung bietet, kann sich die Fernwärme in Deutschland wirklich bewähren.

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1 KOMMENTAR

  1. Nutzerbild Karsten Frei

    Oh……Da haben sich deutsche Verbraucher nicht lange genug gefreut, dass Monopol auf dem Elektro und Gasversorgungsmarkt abgeschafft wurde, da kommt der Wirtschaftsminister mit neuem Monopol um die Ecke.
    Und so schnell wird sich keiner in die neuen Wärmenetze einklinken können.
    Ich lach’ mich kaputt.

    https://www.inside-digital.de/news/energieversorger-kuendigen-heizkunden-stilllegung-von-gasnetzen-an

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