Nio ET5 Touring im Test: Komfortabler Elektro-Kombi mit Premium-Genen

9 Minuten
Der Nio ET5 ist einer von wenigen Elektro-Kombis, die aktuell erhältlich sind. Wir haben die Premium-Variante mit 100 kWh großem Akku im Test auf die Probe gestellt. Etwas günstiger ist die Base-Variante (Standard Range) mit 75 kWh großem Energiespeicher.
Nio ET5 Touring steht an einer Ladesäule.
Nio ET5 Touring im Test von inside digital.Bildquelle: Hayo Lücke / inside digitgal

Die für viele Käufer vielleicht wichtigste Botschaft vorweg: Wer sich für den Nio ET5 Touring entscheidet, darf sich auf einen leistungsstarken Elektro-Kombi freuen. Über den Elektromotor an der Vorderachse stehen 150 kW (204 PS) Leistung bereit, das passende Aggregat an der Hinterachse entfaltet sogar 210 kW (286 PS) auf die Straße. In Summe steht also eine Systemleistung von 360 kW (490 PS) nebst 700 Nm Drehmoment bereit. Eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h gelingt nach Herstellerangaben in flotten 4,0 Sekunden, in der Spitze sind 200 km/h möglich. Die Federung könnte in manchen Situationen insbesondere innerstädtisch etwas komfortabler abgestimmt sein. Das Fehlen einer Luftfederung macht sich hier bemerkbar. Sie ist bisher dem teureren Nio ET7 (Test) vorbehalten.

Nio ET5 Touring bietet viele Fahrmodi

Über das vertikal ausgerichtete und 12,8 Zoll große Touch-AMOLED-Display in der Mitte des Innenraums und über einen kleinen Schalter an der Mittelkonsole kannst du die fünf grundlegenden Fahrmodi auszuwählen. Neben den bekannten Modi Eco, Komfort, Sport und Sport+ steht auch ein benutzerdefinierter Modus zur Verfügung. Den Wechsel kannst du auch während der Fahrt vollziehen.

On top bietet der 4,79 Meter lange Fünftürer bis zu vier sogenannte szenariobasierte Fahrmodi. Und zwar für das Fahren auf Schnee, auf Sand, bei Nässe und mit der passenden Ausstattung in Form des Anhänger-Pakets auch ein spezieller Anhänger-Modus. Die Möglichkeit zur Anpassung der Rekuperation gibt es in drei Stufen (Standard / Niedrig / Sehr niedrig) nur über das Menü des Touchscreens. Passende Schaltwippen hinter dem Lenkrad fehlen. Komfortables Ein-Pedal-Fahren erlaubt der erste Kombi von Nio nicht.

Modern und ohne viele Tasten: der Innenraum des Nio ET5 Touring.

Das Platzangebot vorn ist durch und durch gut. Vor allem die Kopffreiheit im loungeartig gestalteten Innenraum ist beeindruckend. Man sitzt aber verhältnismäßig hoch, wodurch der Rückspiegel insbesondere für große Menschen phasenweise wie ein Störfaktor wirkt. Aber auch in der zweiten Sitzreihe ist dank eines Radstandes von 2,89 Metern ordentlich Platz. Mit Einschränkungen müssen hinten nur lang gewachsene Menschen leben. Sie werden Kontakt zu dem flach nach hinten abfallenden Dach aufnehmen. Bis zu etwa 1,90 Metern Körpergröße ist aber alles im Soll.

Viel Platz im Kofferraum

Apropos Dach: Nio bietet serienmäßig ein Glaspanoramadach, das einerseits viel Licht in den Innenraum strömen lässt, aber sehr stark getönt ist. Im Kofferraum, versteckt hinter einer elektrisch öffnenden Heckklappe, ist Platz für bis zu 450 Liter Ladevolumen, mit umgeklappten Rücksitzen stehen bis zu 1.300 Liter zur Verfügung. Damit liegt der Nio ET5 Touring in etwa auf einem Niveau mit dem Renault Mégane E-Tech (Test) oder dem Volvo XC40 Recharge Pure Electric (Test). Mit dem ebenfalls im E-Kombi-Segment heimischen Opel Astra Electric Sports Tourer (Test) kann er hingegen nicht mithalten.

Viele Knöpfe zur Bedienung gibt es im Interieur des Nio ET5 Touring nicht. Außer der Möglichkeit, die Gänge über einen Wippschalter an der Mittelkonsole einzulegen, die Warnblinkanlage und die Zentralverriegelung zu aktivieren, gibt es nicht viele Einstellungsmöglichkeiten. Stattdessen erfolgt die Bedienung aller wesentlichen Funktionen über den großen AMOLED-Touchscreeen. Das muss man mögen. Über das Multifunktionslenkrad lässt sich in 1- und 5-km/h-Schritten die Geschwindigkeitsregelanlage einstellen.

Seitenansicht des Nio ET5 Touring
In der Seitenansicht sind die Kombi-Gene des Nio ET5 Touring unübersehbar.

Hinter dem Lenkrad ist zusätzlich ein 10,2 Zoll großes digitales Kombiinstrument zu finden, das alle für den Fahrer wichtigen Informationen anzeigt. Ein Head-up-Display gibt es nicht. Auch nicht gegen Aufpreis, was schade ist. Und noch etwas fehlt leider: die Unterstützung von Android Auto respektive Apple CarPlay. Derzeit ist auch nicht absehbar, wann sich daran etwas ändern wird.

Zum Verlieben: Nomi als digitaler Autoassistent

Umso erfreulicher ist die Verfügbarkeit des Nomi Assistant, Nios cleverem Sprachassistenten. Er steht als Nomi Halo in einer kaum sichtbaren Standard-Ausführung oder gegen 600 Euro Aufpreis als Nomi Mate in Form eines kreisrunden dreh- und schwenkbaren Zusatz-Displays auf dem Armaturenbrett zur Verfügung. Entscheidest du dich für Nomi Mate, reagiert das kleine Gesicht auf Zuruf („Hey Nomi“) mit putzigen Animationen wie einem Lächeln oder Winken. Noch viel beeindruckender ist aber die klare, deutliche Stimme des Autoassistenten.

Nomi Sprachassistent im Nio ET5 Touring.
Assistenzsystem Nomi Mate im Nio ET5 Touring.

Von einer knarzenden Computerstimme ist Nomi weit entfernt und vermittelt so ein unausweichliches Premium-Gefühl. Auf Anweisung schaltet Nomi übrigens unter anderem die Massagefunktion in den Vordersitzen ein, öffnet oder schließt die Fenster oder nimmt eine Zieladresse für das Navigationssystem entgegen. Letztgenanntes steht mit Echtzeitverkehrsinformationen zur Verfügung und berücksichtigt auf der Langstrecke auch notwendige Ladestopps.

Nio ET5 Touring: Ein Blick auf den Verbrauch

Unter die Lupe genommen haben wir auch den Verbrauch des rund 2,2 Tonnen schweren Nio ET5 Touring. Während wir innerstädtisch im Schnitt einen Strombedarf von 18,4 kWh pro 100 Kilometer ermitteln konnten, waren es auf der Landstraße durchschnittlich 19,8 kWh. Auf der Autobahn schnellt der Verbrauch noch weiter in die Höhe – auch wegen des recht hohen Gewichts des Kombi-Stromers. Hier haben wir unter weitgehender Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h einen Durchschnittsverbrauch von 26,5 kWh pro 100 Kilometer ermittelt. Das ist sogar mehr als in Kias Elektro-Schiff EV9 (Test).

Seitliche Frontansicht des Nio ET5 Touring.
Flache Scheinwerfer zeichnen das an einen Hai erinnernde Frontdesign des Nio ET5 Touring aus.

Das wiederum hatte zur Folge, dass wir auf der Autobahn-Langstrecke eine Reichweite von nur 355 Kilometern erreichen konnten. Ermittelt bei 11 Grad Celsius Außentemperatur und mit eingeschalteter Klimatisierung. Die von Nio in Aussicht gestellte WLTP-Reichweite von bis zu 560 Kilometern konnten wir bei eher frischen Temperaturen also längst nicht erreichen. Bei Temperaturen zwischen 20 und 22 Grad Celsius, dem Wohlfühlbereich eines E-Auto-Akkus, sollten 450 bis 500 Kilometer aber kein Problem sein. Für die ebenfalls erhältliche und etwas preiswertere Standard-Range-Variante liegt die WLTP-Reichweite nach Angaben des Herstellers übrigens bei bis zu 435 Kilometern.

Ladeleistung: Es kommt darauf an …

Umso erfreulicher ist es da, dass der Nio ET5 Touring an öffentlichen Schnellladesäulen mit einer hohen Ladeleistung punkten kann. Während das Standard-Range-Modell unter optimalen Bedingungen bis zu 140 kW abrufen kann, sind beim von uns getesteten Long-Range-Modell sogar bis zu 180 kW möglich. Zu beachten ist allerdings, dass die Long-Range-Batterie in zwei Versionen erhältlich ist; auch mit nur 125 kW Ladeleistung. Wenn du eine Nio Power Swap Station für einen schnellen Akkuwechsel ansteuerst, kann es dir passieren, dass du beim Tausch eine solch ältere Akkugeneration mit schwächerer Ladeleistung erhältst. Beeinflussen kannst du das nicht.

Wir hatten die Möglichkeit, den Nio ET5 Touring mit der neuen Akkugeneration an einer Schnellladesäule zu testen. Für eine Aufladung von 35 auf 80 Prozent der maximal verfügbaren Akkukapazität mussten nur 16 Minuten vergehen. Dabei lag die maximale Ladeleistung sogar bei knapp 184 kW, also oberhalb der in Aussicht gestellten Maximalladeleistung. Die Weiterladung auf 100 Prozent dauerte knapp 45 Minuten, wobei bis zu rund 85 Prozent mehr als 100 kW Ladeleistung nutzbar waren.

Nio ET5 Touring Ladekurve
Ladekurve des Nio ET5 Touring an einer HPC-Ladesäule von EnBW.

An AC-Ladesäulen und an einer heimischen Wallbox kannst du den Nio ET5 Touring übrigens am elektrisch zu öffnenden Ladeanschluss hinten links mit bis zu 11 kW aufladen. Eine höhere Ladeleistung mit bis zu 22 kW ist selbst optional nicht erhältlich. Praktisch: Jederzeit ist es möglich, die Batterie vorzuheizen, um eine möglichst optimale Ladeleistung abrufen zu können. Eine Wärmepumpe ist Teil der Serienausstattung.

Wie viel kostet der Nio ET5 Touring?

Wie erwähnt gibt es den Nio ET5 Touring wahlweise mit fest verbautem Akku oder mit Wechselakku, um die Nio Power Swap Stations nutzen zu können. Entscheidest du dich für den Wechselakku, kostet der Elektro-Kombi 47.500 Euro zuzüglich 169 Euro im Monat für die kleine respektive 289 Euro monatlich für die große Batterie. Der Kauf der Batterie ist mit Zusatzkosten in Höhe von 12.000 Euro (Standard Range) respektive 21.000 Euro (Long Range) verbunden. Der Preis für elektrifizierten Kombi steigt dann also auf 59.500 mit der kleinen oder 68.500 Euro mit der großen Batterie. Wichtig: Entscheidest du dich für den Batteriekauf, ist die Nutzung der Akkuwechselstationen von Nio nicht möglich.

Weitere Aufpreise musst du zahlen, wenn du dich zum Beispiel für 20 statt 19 Zoll große Leichtmetallfelgen entscheidest (+1.500 Euro) oder die Lackierung Arctic Green wählst (+1.500 Euro). Vier Farben (Schwarz, Grau, Weiß, Blau) gibt es ohne Aufpreis. Ein Comfort Package, das unter anderem ein Duftsystem für den Innenraum, eine Massagefunktion in den Vordersitzen und 14-fach elektrisch verstellbare Vordersitze beinhaltet, kostet 2.000 Euro Aufpreis. Für ein Abdunklungssystem des Panorama-Glasdachs sind 1.500 Euro extra zu zahlen, für ein Anhängerpaket mit bis zu 1,4 Tonnen Anhängelast 1.250 Euro.

Front des Nio ET5 Touring.
Front des Nio ET5 Touring.
Heck des Nio ET5 Touring.
Heck des Nio ET5 Touring.

Wichtig: Wer sich für den Nio ET5 Touring mit großer Batterie entscheidet, kauft gleichzeitig die Premium-Variante des E-Autos. Dann sind nicht nur die 20-Zoll-Felgen im Kaufpreis bereits inklusive, sondern auch das Comfort Package, die Glasdach-Abdunkelung und das Anhänger-Paket. Auch Nomi Mate als Sprachassistent kostet in diesem Fall keinen Aufpreis, sondern ist serienmäßig an Bord.

Fazit zum Nio ET5 Touring: E-Kombi mit Premium-Charakter

Wie viel Freude kann ein Kombi als Elektroauto bereiten? Nio ET5 Touring! So lässt sich kurz und knapp der Fahrspaß mit dem chinesischen Premium-Auto der Mittelklasse zusammenfassen. Das Fahrgefühl ist nicht nur in der Stadt, sondern insbesondere auch auf der Langstrecke überragend. Hinzu kommt die richtig gute Verarbeitung des Innenraums, die an so mancher Stelle keinen Zweifel am Premium-Charakter des Autos aufkommen lassen. Etwa bei den sich auf Knopfdruck öffnenden Türen oder bei den in die Wischblätter integrierten Waschdüsen der Scheibenwischer. Nomi als nutzbarer Sprachassistent ist zudem eine echte Ohrenweide.

Kopfschmerzen bereiten primär zwei Dinge: die mäßige Reichweite bei winterlichen Temperaturen auf der Autobahn und die vom Fahrersitz eher suboptimale Rundumsicht. Etwas ausgeglichen wird das durch die umfangreiche Ausstattung, die neben einer Heckkamera auch eine 360-Grad-Kamera und Parksensoren beinhaltet. Da zahlreichen verbauten Assistenzssysteme (33 Sensoreinheiten, darunter elf Kameras, fünf Radarsensoren und ein Lidar-Laserscanner) sind in diesem verhältnismäßig breiten Auto in vielen Situationen eine echte Hilfe. Auffallend ist, wie viele Menschen dem Nio ET5 Touring ein optisch sehr gelungenes Erscheinungsbild attestieren.

Kameras und Lidar-Scanner auf dem Dach des Nio ET5 Touring.
Optisch gewöhnungsbedürftig: Kameras und Lidar-Scanner auf dem Dach des Nio ET5 Touring für ein hohes Maß an Sicherheit während der Fahrt.

Vorteile Nio ET5 Touring

  • hochwertige Verarbeitung
  • tolle Fahreigenschaften
  • gutes Platzangebot insbesondere auf den vorderen Sitzen

Nachteile Nio ET5 Touring

  • bei frischen Temperaturen keine überzeugende Langstrecken-Reichweite
  • vergleichsweise hoher Verbrauch
  • Rundumsicht ist eher mäßig

Hinweis: Dieser Fahrbericht zum Nio ET5 Touring erfolgte auf Basis des installierten Betriebssystems mit der Versionsnummer Banyan 2.1.2.

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