Sonnensteuer für PV-Anlagen soll kommen: Alle Besitzer sollen zahlen!

6 Minuten
Die Einspeisevergütung für PV-Anlagen ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Neue Anlagen erhalten zudem in Phasen mit negativen Strompreisen keine Vergütung mehr. Jetzt sollen Besitzer von PV-Anlagen insgesamt zur Kasse gebeten werden, wenn es nach Plänen der Bundesnetzagentur geht.
PV-Anlage auf Hausdach, Sinnbild für Einspeisevergütung
Sonnensteuer für PV-Anlagen soll kommen: Alle Besitzer sollen zahlen!Bildquelle: Jason Finn/Shutterstock

Ein Diskussionspapier der Bundesnetzagentur erörtert mögliche, künftige Veränderungen für die neue Fassung der Netzgeltverordnung. Viele dieser Varianten würden auch Besitzer von Bestandsanlagen finanziell stark belasten, indem sie eine Form von Sonnensteuer für PV-Anlagen einführen. Eine aktuelle Petition, vorangetrieben von den Betreibern der beiden YouTube-Channel „gewaltig nachhaltig“ sowie „Andreas Schmitz (Der Akku Doktor)“ stemmen sich gegen mehrere der vorgeschlagenen Modelle. Ihre Einschätzung: Sie sind weder sozial verträglich noch dienen sie dem Stromnetz.  

Eine Veränderung der Netzentgeltsystematik ist notwendig

Es ist keine Frage, dass wir das Stromnetz weiter ausbauen müssen, um mit den Entwicklungen Schritt halten zu können. Die Anzahl an Wärmepumpen und E-Autos steigt auch zukünftig in Deutschland an. Da jeder Ausbau ein teures Unterfangen ist, versäumte man in den vergangenen Jahren, die Kapazität stark voranzutreiben. Auch die Verteilung von Kapazitäten ist nicht immer netzdienlich erfolgt. So sind in einigen Regionen viele Erzeugungsanlagen entstanden, die regelmäßig abregelt werden müssen, da das Netz den Strom nicht mehr fassen kann. In anderen Gebieten hingegen fehlt der Strom, den man über weite Teile des Netzes dorthin bringen muss.

Strommast
Die Netzentgelte müssen sich in Deutschland stark verändern

Die erste Anpassung der Netzentgelte, die in diesem Jahr erfolgte, sollte hier bereits für einen gerechteren Ausgleich sorgen. Doch klar ist: Wenn wir das Netz weiterhin voranbringen möchten, wird das nicht genügen. Darum ist es sinnvoll und richtig, dass die Bundesnetzagentur ein Verfahren zur „Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom“ (AgNes) eröffnet hat. Während das Diskussionspapier sich jedoch größtenteils an Verbände und Unternehmen richtet, wird eine Personengruppe schnell übersehen. Nämlich all die privaten Haushalte, die die Energiewende mit ihren Anlagen in den kommenden Jahren bereits vorangetrieben haben. 4 von 6 der diskutierten Modelle könnten sich als schädlicher für das Stromnetz erweisen, als sie ihm dienen. Insbesondere für PV-Besitzer mit Bestandsanlagen.

4 von 6 Modellen schaden Netz und Menschen eher

Das erste Modell sieht eine Zahlung eines entsprechenden Netzentgelts vor, das nicht nur für den Bezug, sondern auch die Einspeisung von Strom anfallen würde. Im besten Fall läge dieser Betrag bei 0,89 Cent pro Kilowattstunde (kWh), im schlimmsten hingegen bei 3,3 Cent pro Kilowattstunde. Und das, obwohl die Einspeisevergütung für PV-Anlagen nun bereits auf 7,94 Cent gesunken ist. Damit würden also PV-Besitzer beinahe die Hälfte der Einspeisevergütung verlieren, die sie für ihre Anlage noch erhalten können. Schlimmer noch: Denn sämtliche Anlagen, die bereits unter den Ausschluss einer Einspeisevergütung in negativen Strompreisphasen fallen, würden sogar ein Minus erwirtschaften in hunderten Stunden des Jahres. Die Kombination aus diesen Regelungen würde also nicht nur jene abstrafen, die versuchen, die Energiewende im kleinen Maßstab zu realisieren. Sie würde auch den zukünftigen Ausbau von PV-Anlagen stark ausbremsen. Ein Rattenschwanz, der sich auf lange Sicht kaum als netzdienlich erweisen kann.

Die zweite Variante sähe eine Abrechnung nach Leistungsspitzen vor, die man monatlich oder vierteljährlich berechnen würde. Auf Basis dieser höchsten Leistungsspitze möchte man dann eine Gebühr entrichten. Auch diese Variante wäre wenig zukunftsträchtig – ebenso wie Variante drei, die einen pauschalen Grundpreis für alle einführen würde. Dieser Grundpreis würde sich nicht daran orientieren, wer das Netz in welchem Maßstab benutzt, wodurch die Last ungerecht verteilt würde.

Auch Bestandsanlagen sollten zur Kasse gebeten werden

Das vierte Modell erwägt einen sogenannten Baukostenzuschuss. Dabei würden alle Personen, die eine Erzeugungsanlage errichten, eine einmalige Gebühr zahlen, die dem Netzausbau zugutekommen würde. Theoretisch wäre diese Option zwar realisierbar, es sprechen jedoch ein paar Fakten dagegen, sie als bevorzugte Variante umzusetzen. Zum einen würde der Kauf einer PV-Anlage dadurch verteuert, was in Kombination mit den schlechteren Einspeisebedingungen die Anlage weniger rentabel erscheinen lässt. Ebenso würden alle Anlagen, die die Gebühr einmal errichtet haben, danach nicht mehr aktiv zum weiteren Ausbau beitragen.

Stromanbieter wollen jetzt auf private PV-Anlagen zugreifen
Bestandsanlagen verwenden das Stromnetz und sollten seinen Ausbau mittragen

Außerdem würde sie Bestandsanlagen, die das Netz bereits kontinuierlich nutzen, außen vorlassen. Als jemand, der erst kürzlich die eigene PV-Anlage in Betrieb genommen hat, habe ich für mich intensiv darüber nachgedacht, ob eine zusätzliche Gebühr für Bestandsanlagen angemessen erscheint. Für mich lautet die Antwort auf diese Frage „ja“, aus zwei Gründen heraus. Zum einen werde ich das Netz sowohl für den Strom, den ich einspeise, als auch beziehe, weiterhin nutzen. Vor allem steht jedoch für mich im Vordergrund, dass ich möchte, dass das Netz so ausgebaut werden kann, dass auch noch Menschen nach mir zu einer PV-Anlage greifen können, um ihre Stromkosten zu reduzieren. Darum ist es für mich grundsätzlich angemessen, wenn auch Bestandsanlagen ihren Teil dazu beitragen. Die Verteilung sollte jedoch sozial gerecht und netzdienlich erfolgen, weshalb ich mich der Einschätzung anschließe: Am sinnvollsten wäre eine Kombination aus Modell 5 und Modell 6 der Bundesnetzagentur.

Kapazitätspreis und dynamische Netzentgelte statt Sonnensteuer

Anstatt eine allgemeine Abgabe einzuführen, die pauschal alle tragen müssen oder die sich auf alle Kilowattstunden verteilt, sollten wir die Netzdienlichkeit der neuen Maßnahmen jetzt in den Fokus stellen. So können wir sicherstellen, dass unser Stromnetz sich langfristig in die gewünschte Richtung entwickelt. Verpassen wir diesen Moment und eine der anderen Lösungen setzt sich durch, haben wir meiner Meinung nach lediglich ein Problem mit einem anderen getauscht, um der Sache einen neuen Farbanstrich zu liefern. Einen langfristigen Nutzen hätte niemand davon. Anders sieht es hingegen mit einer Kombination der letzten Vorschläge aus.

Das fünfte Modell des Diskussionspapiers sieht einen sogenannten Kapazitätspreis vor. Hier würde also überprüft, in welchem Ausmaß der eigene Verbrauch sowie die eigene Einspeisung das Stromnetz belasten. Das würde weder den Ausbau von PV-Anlagen ausbremsen noch jene sozial benachteiligen, die das Netz in geringem Umfang nutzen. Würden sich dynamische Netzentgelte aus dem sechsten Modell passend hinzugesellen und den Bezug und die Einspeisung dann vergünstigen, wenn es für das Stromnetz am günstigen ausfällt, könnte das eine starke Synergie für die Stromverwendung bilden. Schon heute achte ich darauf, dass meine Wärmepumpe in den Stunden durchläuft, in denen ich den meisten Sonnenstrom zur Verfügung habe. So werden geringere Mengen in das Netz eingespeist und ich kann einen guten Anteil meines Stroms selbst verbrauchen.

Strommasten, Sinnbild für Stromnetz
Dynamische Netzentgelte würden langfristig nötige Impulse setzen

Ebenso könnte eine Anpassung der Dynamisierung der Netzentgelte an den regionalen Bedarf den Zubau von Erzeugungsanlagen dort begünstigen, wo man sie tatsächlich im Stromnetz benötigt. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesnetzagentur den Gegenwind gegen die anderen Vorschläge realisiert und sich verstärkt auf die netzdienlichen Aspekte fokussiert. So könnte man das Stromnetz in den kommenden Jahren belastbar und sozial verträglich ausbauen. Auch du kannst im Übrigen deinen Beitrag dazu leisten, indem du die bei WeAct gestartete Petition „Finger weg von der Photovoltaik!“ unterstützt.

Bildquellen

  • schwedens-strompreise-sind-im-eu-vergleich-deutlich-guenstiger: Casey Horner auf Unsplash
  • stromanbieter-wollen-jetzt-auf-private-pv-anlagen-zugreifen: Foto von Vivint Solar auf Unsplash
  • unterschaetzte-schwachstelle-im-stromnetz-forscher-schlagen-alarm: Matthew Henry/Unsplash
  • eigene-pv-anlage-planen-diese-nuetzlichen-tools-helfen-dir: anatoliy_gleb/Shutterstock
  • einspeiseverguetung-steigern-so-erhalten-pv-betreiber-jetzt-hoehere-verguetung: Jason Finn/Shutterstock

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7 KOMMENTARE

  1. Nutzerbild Karsten Frei

    Die Energiewende frisst eigene Kinder und Unterstützer.
    Eigentlich sollen sich die Bundesnetzagentur und die Bundesregierung an EU Beispiel gg. Russland richten.
    Gesetze hin, Gesetze her, was politisch notwendig ist, dort gibt es keine Gesetze.
    Von heute auf Morgen alle Gesetze von vergangenen 25 Jahren mit einem neuen Gesetz außer Kraft setzen und fertig.
    Alle Verbindlichkeiten sind sofort weg und man kann sich Gedanken machen, wie man Stromüberfluss besser handhabt.

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  2. Nutzerbild A. Schemmer

    Erst sollten wir Anlagen bauen, und dann bestraft werden. Typisch Deutschland. Man kann sich auf nichts verlassen.

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  3. Nutzerbild Andreas

    Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen!
    Ich habe einen Vertrag mit dem Staat, dass ich 20 Jahre lang eine festgelegte Einspeisevergütung für den gelieferten Strom bekomme. Lieferort ist mein Hausanschluss. Es war nie die Rede davon, dass der Strom an irgend eine Adresse geliefert werden soll. Wenn ich jetzt plötzlich mit Netzgebühren für den gelieferten Strom belastet werde, widerspricht das meinem Empfinden nach dem Vertrauensschutz.

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  4. Nutzerbild Norbert Schönert

    Nein, bestehende Regeln ändern wo große private Investitionen getätigt worden sind geht gar nicht. Die Netzbetreiber haben über Jahre/Jahrzehnte riesige Gewinne eingestrichen/ausgeschüttet und nichts getan. Keine Stromnetze ausgebaut, keine Smartmeter, keine Speicher. Jetzt sollen wir die Versäumnisse bezahlen. Der Vorschlag die Wärmepumpe bei Stromüberschuss laufen zu lassen ist absurd. Mit Heizkörpern kann man keine Wärme speichern. Mit den Heimspeichern wird ein großer Beitrag geleistet die Netze am Abend zu entlasten. Seit Jahren wird das bidirektionale Laden von E-Autos von den Stromanbietern verhindert, da dann wieder weniger Strom verkauft werden kann. Mittlerweile gibt es X Studien darüber. In Frankreich, Skandinavien, Japan geht das schon alles. Wir regulieren noch. Vertrauen und Verlässlichkeit in die Politik kann man vergessen. Die Lobbyisten lassen grüßen.

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  5. Nutzerbild Wilfried Eberl

    Ich bin eigentlich schon zu alt, um mir noch eine PV-Anlage anzuschaffen. Heisst: Eine Anschaffung wird sich mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu meinen Lebzeiten amortisieren. Dennoch habe ich mir gelegentlich Gedanken darüber gemacht, in welcher Form eine solche Anlage für mich überhaupt in Frage käme, wäre ich noch jünger. Erst vor zwei Wochen diskutierte ich mit meiner Partnerin die sinkenden Anschaffungskosten und die steigende Effizienz moderner Anlagen. Gleichzeitig spekulierte ich auf eine Art „neuer Steuer“, mit der unsereins gleich wieder abgestraft würde. Dem Artikel zufolge werde ich wohl Recht behalten. In diesem Fall kann ich nicht behaupten, dass mich das freute. Nichtsdestotrotz würde ich mir in jüngeren Jahren eine PV-Anlage zulegen wollen und zwar als reine „Insel-Lösung“ mit reichlich Speicher. Warum sollte ich einspeisen, was ich selbst verbrauchen kann? Die aktuellen Anstrengungen der BNetzA wären damit auch erst einmal egal. Doch ich bin mir sucher, auch für den Eigenverbrauch werden wir in Zukunft noch zur Kasse gebeten. Es geht den „großen Nummern“ nämlich nicht um Förderung sauberer Energie, sondern um die Förderung des eigenen Geldsäckels. Wenn wir durch Eigenversorgung bedingt weniger Steuerlast haben, holen die es sich durch die Hintertür. Und der „grüne Gedanke“ bekommt einen „braunen“ Beigeschmack. Doch wie Eingangs geschrieben, bin ich eh zu alt für solche Investitionen und mein Eigentum erbt niemand von Bedeutung – falls nicht auch hier noch der Staat zulangt. Liege ich erst in der Kiste, kann es mir auch wurscht sein.

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  6. Nutzerbild Grünstromverbrauchet

    Strom sucht sich immer den kürzesten Weg.
    Wenn der von meiner Solaranlage produzierte Strom nich direkt bei uns verbraucht wird dann verbrauchen die direkten Nachbarn in unserer Straße den Strom!

    Ergo verbraucht dann einfach nur unsere Straße WEIGER Strom und die Nezzbelastung bleibt dauerhaft GERINGER,

    Weil WENIGER Strom in unsere Straße geleitet werden muss!

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  7. Nutzerbild Georg

    hätte man von Anfang an eine vernünftige Planung gehabt, dann müsste man jetzt nicht hektisch an verschiedenen Schrauben drehen. 🤷🏼‍♂️

    Was uns vor allem fehlt sind Speicher. Das ist das Hauptproblem und das wusste man schon vor Jahren.

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