Wie immer, wenn Elon Musk den Mund aufmacht, landet es in den Schlagzeilen. Aktuell geht es um die Idee, ein „kindgerechtes“ Sprachmodell zu entwickeln. Klingt harmlos – wäre da nicht die Tatsache, dass ausgerechnet ein milliardenschwerer Tech-Messias mit Hang zu kontroversen Aussagen die KI auf Kinder loslässt, die jüngst noch durch Antisemitismus und Hitler-Begeisterung auffiel, Aber vielleicht ist gar nicht entscheidend, was sein kindgerechter KI-Chatbot kann. Sondern was es mit unseren Kindern macht, wenn sie mit Systemen wie diesen aufwachsen.
Neue Realität: Kinder und KI sind längst unzertrennlich
Sich jetzt nur auf Musk einzuschießen, greift zu kurz. Denn der Einfluss von KI auf den Alltag von Kindern ist schon Realität – lange bevor „Baby Grok“, so der Name des geplanten Chatbots, überhaupt das Licht der Welt erblickt. Ob durch YouTube-Algorithmen, automatische Transkripte, Sprachassistenten wie Alexa oder Siri – oder eben direkt durch Tools wie ChatGPT: Auch Kinder interagieren längst mit künstlicher Intelligenz.
Die Wahrheit ist: Wir können KI aus dem Kinderzimmer nicht mehr verbannen. Die Art, wie Kids sie nutzen, unterscheidet sich dabei oft deutlich von uns Erwachsenen. Während der Fünfjährige sich von der KI spannende Geschichten erzählen lässt oder mit Gemini stundenlang über Bagger philosophiert, suchen Teenager in Chatbots gezielt nach Ratschlägen, Orientierung – oder sogar nach Nähe. Für viele wird KI zum digitalen Freund.
Die stille Gefahr: Wenn KI echtes Lernen verhindert
Und genau da beginnt aus meiner Sicht die größte Gefahr. Klare, valide Studien fehlen bislang – was kein Wunder ist, denn wir sprechen hier über eine noch recht neue Entwicklung. Also verlasse ich mich auf meine Beobachtungen und auf das, was Menschen sagen, die sich schon intensiv mit dem Thema beschäftigen. Nicht falsch verstehen: KI kann Kindern durchaus helfen – ihre Neugier stillen, ihnen komplizierte Dinge altersgerecht erklären und so weiter. Aber mindestens genauso wichtig ist das, was Kinder durch den KI-Einsatz nicht lernen.
Ich muss da unweigerlich an einen Artikel denken, den ich mal über Menschen schrieb, die glauben, echte Beziehungen zu KIs führen zu können. Dabei geht’s um Leute, die sich im echten Leben oftmals mit zwischenmenschlicher Kommunikation schwertun. Die finden dann ihr Glück bei KI-Chatbots wie Replika oder character.ai, weil virtuelle Partner immer freundlich sind, nie Stress machen und zu jeder Tageszeit verfügbar sind.
Genau das erwarten Kinder dann auch! An einem Punkt im Leben, an dem man noch so unendlich viel zu lernen hat, könnte ihnen KI ein ganz falsches Gefühl geben: Das Gefühl, dass man ständig für jede Idee gelobt wird und das Gefühl, dass der andere immer Zeit und immer Lust hat. Chatbots sind einfach nett, unkompliziert und reibungslos. Menschen sind das nicht.
KI lügt deinen Kindern ins Gesicht
Für mich ist das fatal. Denn Kinder müssen lernen, was ein echtes „Nein“ bedeutet. Oder ein „Jetzt nicht“. Sie müssen erleben, dass andere mal genervt reagieren, unfair sind oder einfach keine Lust haben. Natürlich können Eltern oder Lehrkräfte auf die Kinder einwirken – aber wenn du acht Jahre alt bist, und deine Mama gerade keine Zeit hat, während dir dein KI-Kumpel stundenlang zuhört und dich lobt? Dann wirst du dich wahrscheinlich genau dorthin orientieren. Weil es sich jetzt gut anfühlt – aber langfristig alles andere als gut für dein Sozialverhalten ist.
Und dabei reden wir noch gar nicht über die anderen offensichtlichen Schwächen der KI – Halluzinationen. Diese Systeme erfinden Antworten, wenn sie keine besseren parat haben. Wenn Gemini mir vorschlägt, Klebstoff auf die Pizza zu schmieren, merke ich das hoffentlich. Meine fünfjährige Version hätte das womöglich einfach mal ausprobiert.
Wir können es weder erwarten noch dürfen wir es zulassen, dass Kinder sich diese Verhaltensweisen künstlicher Intelligenz per Trial-and-Error selbst erarbeiten müssen.
Abschreiben statt Denken: Wenn KI den Lernprozess ersetzt
Apropos „selbst erarbeiten“: Vermutlich schneller, als wir Erwachsenen überhaupt realisiert haben, wo ein KI-Chatbot im Alltag hilfreich sein kann, haben Kinder längst herausgefunden, wie man sich mit ChatGPT elegant vor den Hausaufgaben drückt. Plötzlich ist alles ganz einfach: Texte schreiben, Matheaufgaben lösen, Referate vorbereiten – das geht mit ein paar Prompts in Minuten.
Das Problem? Niemand lernt dabei wirklich etwas. Statt selbst zu denken, mutieren Schüler zu Abschreibern. Und das hat Konsequenzen: Wer keine Gedanken mehr formulieren muss, trainiert seine Ausdrucksfähigkeit nicht. Wer nicht mehr selbst knobelt, verliert Problemlösungskompetenz. Und wer immer nur auf Copy-and-Paste vertraut, verlernt das Denken.
Aber: Wichtig ist auch der Blick auf die andere Seite. Auch Lehrkräfte müssen sich diesen neuen Herausforderungen stellen. Erkennen sie, ob ein Kind oder ein Chatbot die Aufgaben gelöst hat? Wissen sie, wie man mit KI-generierten Texten pädagogisch sinnvoll umgeht? Unsere Antwort darauf muss lauten: Wir müssen beide Seiten stärken – die Lernenden ebenso wie die Lehrenden.
Kinder dürfen und sollen KI nutzen. Aber bitte, um ihr Denken zu trainieren – nicht, um es auszulagern.
Wir müssen Kindern den Umgang mit KI beibringen
Und damit wären wir bei meinem vielleicht wichtigsten Punkt, auf den ich immer wieder gerne hinweise: Wir müssen Menschen helfen, Technik zu verstehen – und das gilt für Kinder ganz besonders. Medienkompetenz wird stets eingefordert, aber zur Wahrheit gehört eben auch: Medienkompetenz ist heute auch KI-Kompetenz!
Kinder müssen wissen, was eine KI ist, wie sie funktioniert – und wo ihre Grenzen liegen. Ein Sprachmodell wie ChatGPT wählt nicht die „richtige“ Antwort, sondern die statistisch wahrscheinlichste. Das sollte man einem Fünfjährigen nicht mit komplexer Wahrscheinlichkeitsrechnung erklären – aber man kann sagen: „KI kann sich irren – genau wie Menschen.“
Kinder müssen verstehen, dass Chatbots keine Freunde sind, sondern Programme. Dass sie trainiert wurden – mit all den Vorurteilen und Verzerrungen, die im Netz nun mal existieren. Und dass sie deshalb niemals neutral sein können.
Dafür braucht es aber nicht nur aufgeklärte Eltern, sondern vor allem: geschulte Lehrkräfte. Menschen, die den Kindern nicht nur Warnungen, sondern auch Chancen vermitteln. Und ja, dazu gehört natürlich auch, dass die Lehrerschaft den Kindern auch Potenzial und Chancen der KI aufzeigen muss. Künstliche Intelligenz ist eine mächtige Waffe, aber ja, natürlich muss man erst erlernen, wie man sie gebraucht.
Mein Fazit: KI ist weder Spielzeug noch Babysitter!
Deshalb mein Appell: Lass deine Kinder bitte nicht allein mit der Chatbot-Experience. Nimm sie an die Hand. Hilf ihnen zu verstehen, was ChatGPT und Co. können – und was nicht. Ich befürchte, dass KI künftig immer häufiger als vermeintlich smarter Babysitter herhalten muss: Wo früher der Fernseher lief, läuft jetzt ein Sprachmodell. Das Tablet erzählt Geschichten, beantwortet Fragen, spielt Spiele. Klingt harmlos – ist es aber nicht zwangsläufig.
Denn KI zwingt auch uns Erwachsene, ständig dazuzulernen. Genau deshalb sind Eltern jetzt in der Pflicht: Nicht nur, um selbst Schritt zu halten – sondern auch, um die Kinder zu begleiten. Die nächste Generation kann enorm von KI profitieren – in der Schule, zu Hause, im Leben. Aber nur, wenn wir sie nicht damit allein lassen. Nur, wenn wir da sind, um einzuordnen, zu erklären, zu schützen.
Ich bin überzeugt: Kinder brauchen keine perfekten Antworten. Sie brauchen uns – echte Menschen!
