Kabel-Internet in Deutschland: Steht das Aus durch Glasfaser bevor?

4 Minuten
Wie lange hat das Kabelnetz in Europa noch Zukunft? Wird es durch Glasfaser ersetzt, und investieren die Netzbetreiber überhaupt noch? Auf einer Branchentagung gab es hierzu interessante Einblicke mit düsteren Aussichten für Deutschland.
Netzausbau von Internet-Leitungen
Hat Kabel-Internet bei Glasfaser eine Chance?Bildquelle: Vodafone

„Am Ende werden alle Kabelnetze überbaut, alles wird irgendwann Glasfaser sein“, stellt Sven Baus von Teleste gleich zu Beginn seines Vortrags auf dem FRK-Breitbandkongress in Leipzig in dieser Woche klar. Teleste gilt als Ausrüster der Kabelnetzbetreiber. Doch dabei geht es nicht um einen Zeitraum von fünf oder zehn Jahren. Auch ist das Ende des Kabels weniger ein technisches als ein strategisches Thema. Teleste beobachtet aktuell drei Szenarien, die Baus genau definierte.

Kabelnetzbetreiber haben unterschiedliche Strategien

So gibt es die aggressiven Überbauer, etwa in Frankreich, Spanien oder Großbritannien. Sie wollen bis 2030 alle Koaxialnetze durch Glasfaser ersetzen. Der Vorteil: Die in diesen Ländern übliche oberirdische Verlegung senkt die Kosten. Diese Strategie verlangt aber Tempo und Risikobereitschaft. Denn wer seine Kunden zu schnell zwingt, auf Glasfaser umzusteigen, riskiert Fluktuation. „Wenn man da schlafende Hunde weckt, schauen sich die Kunden schnell nach anderen Anbietern um.“

Zweitens gibt es die mittelschnellen Überbauer, etwa in Skandinavien. Sie setzen noch bis 2035 oder länger auf DOCSIS, investieren aber nur dort in Glasfaser, wo kein Koax-Netz existiert. Ihre Devise: „So lange wie nötig, nicht so lange wie möglich.“ DOCSIS ist der verwendete Übertragungsstandard beim Internet per Kabel. Aktuell kommt in aller Regel DOCSIS 3.1 zum Einsatz. Mit DOCSIS 4.0 wären weitaus höhere Datenraten möglich, allerdings erfordert das massive Investitionen in die Netze.

Drittens gibt es Netzbetreiber, die klar auf DOCSIS setzen, etwa in den Benelux-Ländern, Österreich oder der Schweiz. „In DOCSIS we trust“ lautet hier die Haltung. Diese Betreiber investieren weiter in ihre Kabelnetze und wollen aktiv mit der Glasfaser konkurrieren. Hier wird dann auch DOCSIS 4.0 eingesetzt.

DOCSIS-Experten werden rar

Baus macht deutlich, dass DOCSIS-Netze nicht automatisch zum Auslaufmodell werden. „DOCSIS ist nach wie vor eine technisch und kommerziell wettbewerbsfähige Wahl.“ Voraussetzung sei aber, dass Netzstabilität und Servicequalität stimmen. Die Herausforderung: Es fehlt an Nachwuchs. „DOCSIS-Expertise wird seltener“, sagt Baus. An Universitäten finde sich kaum noch technischer Nachwuchs für die Technik.

Das heißt aber nicht, dass die Technik nicht weiterentwickelt wird. Im Gegenteil: Baus spricht von DOCSIS 4.0, 1,8-GHz-Verstärkern und sogar von „DOCSIS auf Steroiden“. Besonders in Nordamerika, dem Taktgeber der Branche, entstehen neue Standards. Dort, so Baus, wolle man die Kabelinfrastruktur „bis zum bitteren Ende“ ausreizen.

Der entscheidende Unterschied zur Glasfaser sei nicht die Bandbreite. „Es gibt heute keine Killerapplikation, die Glasfaser zwingend notwendig macht.“ Vielmehr komme es auf stabile Netze, intelligente Analysewerkzeuge und guten Kundendienst an. „Zufriedene Kunden wechseln nicht. Nicht ohne technische Notwendigkeit.“

Was passiert bei Vodafone und Tele Columbus

Abhängig vom gewählten Szenario variieren auch die Investitionen. Wer aggressiv überbauen will, muss sein bestehendes Netz nur noch warten und hoffen, dass die Technik durchhält, bis alle Kunden Glasfaser nutzen. Wer sich mehr Zeit lässt, muss investieren und gleichzeitig Glasfasernetze ausbauen. Und wer DOCSIS langfristig nutzen will, muss Netzintelligenz und Wartung auf ein neues Level heben.

Die Erkenntnis: Kabelnetze haben durchaus eine Zukunft – wenn man sie richtig betreibt. Glasfaser mag das Ziel sein, doch der Weg dorthin ist nicht alternativlos. Und wie sieht es in Deutschland aus? Baus ordnet Vodafone eher als „ambitionierten“ denn als konsequenten Überbauer ein. „Man möchte gerne ein aggressiver Überbauer sein“, formuliert er diplomatisch. Die Pläne für einen schnellen Glasfaser-Umstieg seien durch Partnerschaften wie mit Altice zwar formuliert, aber nicht stringent umgesetzt. Zusammen mit Altice hat Vodafone das Joint Venture OXG gegründet, das bis zu sieben Millionen Haushalte in Deutschland mit Glasfaser erreichen will. Vodafone selbst erreicht aber weit über 20 Millionen Haushalte.

Noch deutlicher ist die Lage bei Tele Columbus: Dort wollte man einst zum „Hyperchampion“ werden, musste diesen Kurs aber wegen fehlender Investitionen aufgeben, wie ein Mitarbeiter des Unternehmens berichtet. Die neue Strategie zielt nun darauf ab, mit dem vorhandenen Kabelnetz kostendeckend zu arbeiten. DOCSIS 4.0 in Deutschland wird es also wohl nicht geben. Zumindest zum Marktführer Vodafone war zu vernehmen, dass hier aktuell Ausschreibungen laufen, das Bestandsnetz auf Basis von DOCSIS 3.1 weiter auszubauen.

Und was sagst du?

Bitte gib Dein Kommentar ein!
Bitte gibt deinen Namen hier ein