Internet vor dem Kollaps? „Die Kupfernetze von heute sind die maroden Brücken von morgen“

5 Minuten
Wer hätte sich vor einem Jahr vorstellen können, dass eine Brücke über der Elbe einfach einstürzt und in Berlin die meistbefahrene Autobahnbrücke wegen Einsturzgefahr abgerissen werden muss? Marode Brücken verursachen einen Verkehrskollaps. Droht das auch im Internet?
Im Hintergrund eine marode Brücke, vorne Glasfaser-Leitungen
DSL als marode Brücke, Glasfaser als RettungBildquelle: KI-generiert: ChatGPT

Ein solches Schreckensszenario zeichnet zumindest die Telekommunikationsbranche. Auf der re:publica in Berlin machte der für seine markigen und bildlichen Statements bekannte Chef der Kölner NetCologne mit einer Analogie auf sich aufmerksam: „Die Kupfernetze von heute sind die maroden Brücken von morgen“, so Timo von Lepel. Er ist als Chef der NetCologne und der Kölner Stadtwerke seit Jahren mit der alltäglichen und lebensnotwendigen Infrastruktur vertraut.

Glasfasernetze als Pulsadern der digitalen Gesellschaft

„Das Datenvolumen im Internet wird weiter explodieren“, so von Lepel. Jährlich seien es etwa 30 bis 40 Prozent, die zusätzlich in die Netze kommen. „Da kann man sich ausrechnen, dass es irgendwann nicht mehr ausreichen wird mit dieser alten Kupfertechnologie, die wir haben.“ Glasfasernetze seien die Technologie der Zukunft, quasi „die Pulsadern der digitalen Gesellschaften“. „Überlegen Sie, was heute alles über das Internet gemacht wird.“ Man rede überall von der Digitalisierung Deutschlands. „Das geht am Ende des Tages nur mit Glasfaserinfrastruktur.“

Auffällig sei für ihn, dass der Ausbau der Glasfasernetze in Deutschland sehr unterschiedlich vorangeht. In den Städten, in denen seit Jahren schon Stadtnetzbetreiber aktiv seien, sei der Ausbau viel weiter als andernorts. Das deute auf einen gesunden Infrastrukturwettbewerb hin. Immerhin treten die Glasfasernetzbetreiber gegen schnelle VDSL-Netze und das Kabelnetz an. „Am Ende brauchen wir irgendwann mal eine hundertprozentige Versorgung. Das braucht aber noch seine Zeit.“

Glasfaser-Überbau „volkswirtschaftlich kompletter Blödsinn“

Das Ziel müsse eine flächendeckende Glasfaserinfrastruktur sein. „Davon sind wir leider noch weit entfernt.“ Er kritisierte einmal mehr den Überbau, für den vor allem die Deutsche Telekom immer wieder kritisiert wird, die diese Vorwürfe aber stets von sich weist. Man könne Wettbewerb auf der Infrastruktur machen, so von Lepel. Das heißt, alle Anbieter nutzen die gleiche Infrastruktur, bieten aber verschiedene Produkte, Bundles, Produkte mit Fernsehen und mehr an. Darüber differenzieren die Anbieter sich.

„Was aber oft passiert, ist, dass es einen Wettbewerb um die Infrastruktur gibt, also mehrere Glasfasernetze parallel aufgebaut werden.“ Das sei etwas, was man machen könne, wenn der Netzausbau in Deutschland entsprechend fortgeschritten ist – aber doch nicht dort, wo wir heute stehen. „Heute Glasfasernetze dort auszubauen, wo wir schon über andere Glasfaser gebaut haben, diese zu überbauen, ist halt volkswirtschaftlich kompletter Blödsinn“, so von Lepel. Er appellierte: „Lasst uns doch erst mal Deutschland zu 80 bis 90 Prozent mit Glasfaser ausbauen, dann können wir auch auf der Glasfaser in einen Infrastrukturwettbewerb gehen.“

Warum ihm das wichtig ist, wird auch deutlich. Denn der Glasfaserausbau ist enorm teuer. Bei NetCologne seien es 20 Jahre, die es dauert, bis das Geld, das in den Glasfaserausbau investiert wurde, zurückverdient worden ist. „Da braucht man einen langen Atem.“ Hinzu komme, dass man mit der Glasfaser im Wettbewerb zur Telekom stehe und diese ihr Kupfernetz zu ganz anderen Kosten betreiben könne.

Keine Angst vor plötzlicher DSL-Abschaltung

NetCologne-Chef Timo von Lepel auf der re:publica im Gespräch
NetCologne-Chef Timo von Lepel auf der re:publica im Gespräch

Die Wettbewerber fordern daher seit Längerem, das Kupfernetz, das als Grundlage für DSL und VDSL dient, dort abzuschalten, wo es bereits Glasfasernetze gibt. Die Diskussion kochte vor wenigen Wochen auf, als es in Medienberichten hieß, dass eine DSL-Abschaltung für Millionen Kunden bevorstehe. Hier entwarnte auf der re:publica auch Susanne Ding, die im neuen Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung für diesen Bereich zuständig ist. Über Nacht werde da nichts abgeschaltet, beruhigte sie. Allerdings habe die Bundesregierung auch nicht die Möglichkeit, Netzbetreiber zu einem Glasfaserausbau zu zwingen. Die Grundversorgung in Deutschland liege bei 15 Mbit/s im Downstream.

Zu einer möglichen Abschaltung von DSL dort, wo es bereits Glasfasernetze gibt, hielt sie sich bedeckt. Sie verwies auf das Impulspapier der Bundesnetzagentur und stellte in Aussicht, dass es dieses Jahr noch Eckpunkte geben werde, wie es weitergehen könne. Dabei hieß es auch, dass man – anders als im Impulspapier – sich auch die Situation anschauen werde, wenn nicht die Telekom, sondern ein anderer Anbieter ganze Regionen mit Glasfaser versorgt hat. Wenig verwunderlich ist, dass die Telekom hier wenig Interesse hat, ihr eigenes Netz abzuschalten.

Glasfaserausbau wird „überragendes öffentliches Interesse“

Indes hat das Bundeskabinett heute den Glasfaserausbau in Deutschland reformiert. Die Ministerrunde hat beschlossen, den Glasfaserausbau als überragendes öffentliches Interesse einzustufen. Damit wird eine zentrale Forderung der Verbände und Anbieter umgesetzt. Die Politik hatte diesen Schritt schon im Rahmen der Bundestagswahl und des Koalitionsvertrags in Aussicht gestellt. Der Schritt hat „das Potenzial, den Glasfaserausbau signifikant zu beschleunigen“, heißt es vom Bundesverband Glasfaser (Buglas). „Das neue Haus von Minister Wildberger legt in der Aufbauphase ein beeindruckendes Tempo vor und trägt damit der dringenden Notwendigkeit Rechnung, um die digitale Infrastruktur als Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg entscheidend voranzubringen“, erklärt Wolfgang Heer, Geschäftsführer des Buglas. Nun komme es darauf an, diesen Schwung beizubehalten.

Auch der Breko als Bundesverband Breitband nennt den Vorgang „eine wortwörtlich überragende Nachricht für den Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland.“ Mit der Einstufung des Glasfaser- und Mobilfunkausbaus als im ‚überragenden öffentlichen Interesse‘ werde dieser künftig rechtlich gleichgestellt mit dem Ausbau von Stromnetzen und Erneuerbaren Energien. „Das wird die Genehmigungsverfahren beschleunigen und die Planungssicherheit erhöhen“, hofft der Hauptstadtbüroleiter des Breko Sven Knapp.  

Bundestag und Bundesrat müssen den Schritt noch billigen. Dem Vernehmen nach soll das aber noch vor der Sommerpause geschehen.

Und was sagst du?

Bitte gib Dein Kommentar ein!
Bitte gibt deinen Namen hier ein