Seit einem guten halben Jahr nutze ich nun das Google Pixel 4. Das hat nur 64 GB Speicher, bietet physisch nur Platz für eine SIM-Karte und hat ein winziges Display – ich komme von einem Galaxy Note 9 (256 GB). Dennoch habe ich das Google-Experiment gewagt.
Das lachsorange („Oh So Orange“) Pixel 4 in meiner Tasche zieht seit Beginn unserer Liaison die Blicke an. Der Ausruf „Ach, Google macht auch eigene Handys?“ zeigt mir, dass Google als Smartphone-Hersteller längst nicht jedem ein Begriff ist.
Das iPhone-Pendant per Definition ist ein ausgereiftes Stück Technik. Nicht das absolut letzte, was Smartphone-Entwickler 2019 zu bieten hatten, aber längst ausreichend. Snapdragon 855, 6 GB RAM und hinter der Fassade neuestes Standard-Klotzen mit USB 3.1, IP68-Schutz, Bluetooth 5 und mehr. Höchstens WiFi 6 könnte der erhobene Zeigefinger von Ende 2019 (USB 3.2 war beim Pixel-4-Marktstart noch nicht so verbreitet) vermissen.
Übrigens: Das Pixel 4 ist längst nicht mehr horrend teuer. Ohne Vertrag ist es oft schon für unter 500 Euro zu haben. (Preisvergleich).
Das große Pixel-Plus – die Software
Während die meisten Hersteller sich abmühen, eine optimierte Benutzeroberfläche herzustellen, bleibt Google beim Sinne des Erfinders. Kein Wunder, Android = Google – im übertragenen Sinne.
Minimalistisch und maximal intuitiv ist die Pixel-Version von Android 10. Alle Features sind mit an Bord, nichts wird weggelassen und nichts Überflüssiges wird dazugedichtet. Dazu hast du stets die aktuelle Software auf dem Handy. In den bisherigen 6 Monaten Nutzung kam jeden Monat pünktlich das Sicherheits-Update – manchmal mit neuen Features im Gepäck. So bist du voll dabei und siehst, wie Android quasi live weiterentwickelt wird. Keine Angst, die Updates sind natürlich nicht Beta.
Das Speicher-Dilemma
Schade: Mit nur 64 GB nicht erweiterbarem Speicher brachte mich das Pixel 4 bei der Ersteinrichtung schon vor arge Probleme. Mein vollgestopftes Galaxy Note 9 wollte bereits mehr als diese 64 GB rüberkopieren. Na gut, erstmal also die Cloud-Sicherung anwerfen. Hier nutze ich eine Mischung aus OneDrive und Google. Dank intelligenter Speicherverwaltung halte ich mein Pixel 4 somit mehr oder weniger gut bei 74 Prozent Speicher-Auslastung. Kauf-Empfehlung ist auf jeden Fall die 128-GB-Version – die aber leider auch 100 Euro mehr kostet.
Bei der Dual-SIM-Funktion – für mich total wichtig – hatte ich erst Schwierigkeiten erwartet. Die Einrichtung der eSIM ist bei der Telekom aber überhaupt kein Problem, funktioniert auch an Feiertagen (Einrichtung an Weihnachten) und für die andere SIM (O2) ist im Handy selbst Platz. Allerdings fürchte ich schon den nächsten Handywechsel, wenn ich womöglich die eSIM wieder in ein physisches Exemplar eintauschen muss. Die erwartbaren Schwierigkeiten liegen aber nicht auf Pixel-Seite und grundsätzlich bin ich Anhänger der eSIM-Idee.
Der Akku – wirklich so mies?
Nur 2.800 mAh stehen beim Pixel-4-Akku auf dem Papier. Ein lächerlich kleiner Wert. Das muss aber ja nichts heißen, wie in der Vergangenheit schon so manches Flaggschiff gezeigt hat. In den ersten Wochen bestätigte sich aber der Eindruck unseres und zahlreicher weiterer Tests. System und Technik zehren ordentlich an dem kleinen Paket. Selbst bei moderater Nutzung (und ich bezeichne mich eher als Power User) schaust du der Akku-Anzeige beim Schrumpfen zu.
Nachdem im Januar 2020 ein Update erfreuliches hervorbrachte und den Akku zum Effizienzmonster aufputschte, hat sich die Freude mittlerweile wieder etwas gelegt. Es ist eine Hassliebe. Morgens starte ich erfrischt und voller Tatendrang mit 100% in den Tag, am Nachmittag werden die Blicke in Richtung rechte obere Displayecke immer banger.
Manchmal lade ich abends auf und lasse es über Nacht einfach liegen – nicht immer eine gute Idee: Während der circa achtstündigen Schlummerphase sind gerne mal zwischen 15 und 30 Prozent weg – durch Nichtstun. Selbst im Flugmodus frisst die Software ordentlich Akku (>10 Prozent in 8 Stunden). Über Nacht komplett ausschalten ist keine Option, wenn ich das Gerät auch als Wecker nutze.
Der große Vorteil des Pixel 4: Es ist extrem schnell wieder aufgeladen. Selbst eine kurze Session am Ladekabel bringt wieder Saft für mehrere Stunden. Wenn ich es bei einstelliger Akkuanzeige an die Steckdose hänge, ist es nach etwas mehr als einer Stunde wieder komplett voll. Die Intelligenz des Geräts gibt außerdem bereitwillig Auskunft, wie lange die Ladung bei hochgerechnet konstanter Nutzung reicht und wie schnell gerade aufgeladen wird. Hier ist das Pixel 4 Spitzenklasse.
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Das hilft gegen den Akku-Blues
Es gelingt mir aber – wenn’s sein muss – den Akku länger auf der Bahn zu halten: Zuallererst ist hier der Energiesparmodus genannt – der sorgt für deutlich bessere Energieeffizienz durch das Herunterfahren der vollen Leistung. Natürlich könnte ich den Modus dauerhaft einstellen – dann könnte ich mir aber genauso gut ein Pixel 3a kaufen.
Ansonsten ist natürlich das 90-Hertz-Display der Energiefresser Nummer 1. Die Smooth-Display-Funktion kann ebenfalls zeitweise deaktiviert werden. Ist andererseits aber ein absolutes Kaufargument des Pixel 4. Gleiches gilt für die Sensorik mit Active Edge, Quetsch-Feature des HTC-Ahnenstamms, und Motive Sense, womit sich das Smartphone wie von Geisterhand steuern lässt. Übrigens: Mit etwas Übung ist diese Gestensteuerung innovativ und echt zu gebrauchen. All diese Features dauerhaft oder temporär deaktiviert, machen das Pixel 4 auch zu einem Konditions-Profi und ich komme locker über den Tag.
Nebenbei: “Active Edge” habe ich nach den ersten zwei Monaten übrigens erstmal verbannt. Sobald ich die Funktion zum Beispiel zum Erstellen von Screenshots nutzen kann, wird sie wieder eingestellt.
Noch ein Wort zur Kamera
Google bleibt minimalistisch im Vergleich zu anderen Flaggschiff-Herstellern – und hat hier die nächste Apple-Parallele. Das Pixel 4 hat “nur” zwei Objektive auf der Rückseite: Hauptkamera und Telezoom. Gerade im Dunkeln ist die Kamera des Pixel 4 dank hervorragendem Nachtmodus weltklasse und womöglich die beste auf dem Markt.
Ansonsten kann man schwadronieren und im detaillierten Vergleich nach Unterschieden suchen. Ich halte aber fest: Einen Ultra-Weitwinkel oder eine spezielle Makro-Cam vermisse ich nicht, Telezoom und normaler Weitwinkel reichen für meine Belange völlig aus. Klar: Auf dem folgenden (Nacht-)Bild der Kölner Skyline sieht man die Krümmung bei Dom und „Groß St. Martin“ bei genauerem Hinsehen.
Wirklich ins Gewicht fällt das meiner Meinung nach nicht. Fotos sind detailreich, scharf und realitätsgetreu, die größtmögliche Ausprägung dieser Parameter macht für mich eine gute Kamera aus – und die hat das Pixel 4.
Warum ich das Pixel 4 nicht mehr missen möchte
Das Gerät an sich schnurrt mit idealer Performance und schier unbegrenzten Möglichkeiten. Wer ein Faible für Android hat, sollte das Pixel ausprobieren und auch, wer von Apple den Schritt zu Android wagt, ist mit dem Pixel 4 – oder einem anderen Pixel-Smartphone – zum Einstieg gut bedient.
Das Pixel 4 ist meiner Meinung nach das beste Kompakt-Smartphone, das es derzeit zu kaufen gibt. Nachdem ich in den vergangenen Jahren eher zu größeren Geräten tendiert habe, hat es das Pixel geschafft, mich wieder umzustimmen. Design, Innovationslust und die nachhaltige Weiterentwicklung der Software haben mich zum Pixel-Fan werden lassen. Selbst die anfängliche Verwirrung um den nicht vorhandenen Fingerabdrucksensor ist schnell verflogen. Die Gesichtserkennung ist zertifiziert, sicher und funktioniert gut. Neben der im iPhone, die wohl beste Gesichtserkennung auf dem Markt.