Großwärmepumpen für Fernwärmenetze: unterschätzte Lösung für Deutschlands Heizsituation?

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Großwärmepumpen kommen bisher nur vereinzelt zum Einsatz, obwohl sie viel Potenzial bergen. Denn sie wären um einiges effizienter als die klassische Wärmepumpe zum Heizen in Eigenheimen. Sogar hohe Temperaturen können sie erreichen. Doch einige fehlenden Voraussetzungen verhindern den Ausbau.
Großwärmepumpen für Fernwärmenetze – unterschätzte Lösung für Deutschlands Heizsituation
Großwärmepumpen für Fernwärmenetze – unterschätzte Lösung für Deutschlands HeizsituationBildquelle: Fraunhofer IEG/ Frank Wiedemeier

Die Wärmewende in Deutschland schreitet weiter voran. Während die Wärmepumpen für den heimischen Ausbau großzügig mit bis zu 40 Prozent vom Staat gefördert werden, bleibt ein anderes Potenzial bisher ungenutzt. Großwärmepumpen könnten laut Einschätzung einer Fraunhofer-Studie den kompletten Wärmebedarf Deutschlands decken und dabei drei Viertel der hierzulande genutzten Gasmenge einsparen. Doch warum werden Großwärmepumpen bisher nicht zahlreich für das Fernwärmenetz eingesetzt?

Ausbau des Fernwärmenetzes mit Riesenwärmepumpen

Die Fraunhofer-Studie untersuchte im Auftrag der Agora Energiewende, wie sich Großwärmepumpen auf die Wärmeversorgung in Deutschland auswirken würden. Die Zahlen und Effizienz der Systeme versprechen dabei eine mögliche Lösung für deutschlandweite Fernwärmenetze. Würde sich Deutschland auf die Riesenwärmepumpen konzentrieren, könnten große Menge an Energie und damit auch fossilen Brennträgern eingespart werden. Dabei bieten Großwärmepumpe auch Optionen für industrielle Anwendungen, da bis zu 200 Grad Celsius damit erreicht werden können. Riesenwärmepumpen wären somit nicht nur eine ideale Möglichkeit, um über ein Fernwärmenetz zahlreiche Haushalte mit Wärme zu versorgen. Sie könnten auch industrielle Prozesse günstig antreiben. Für Großwärmepumpen mit einer Leistung von 500 kW, die ihre Wärme aus Geothermie, Fluss- oder Seewasser, Abwasser und Grubenwasser oder industrieller Abwärme beziehen können, sind solche Temperaturziele kein Hindernis.

Doch warum erfolgt bisher kein großzügiger Ausbau der energieeffizienten Systeme? Wie so häufig sind hier Kostenfaktoren und mangelnde industrielle Standards ein Problem. Damit nicht nur sämtliche Wohngebäude, sondern auch rund ein Drittel der benötigten industriellen Prozesswärme gewährleistet wären, müsste bis zum Jahr 2045 eine thermische Leistung von 4 Gigawatt gebaut werden. Zurzeit haben wir in Deutschland lediglich 100 Megawatt installiert, während sich weitere 600 Megawatt zumindest in Bau oder Planung befinden. Mit diesen insgesamt 700 Megawatt hätte Deutschland lediglich 17,5 Prozent der benötigten Ausbaumenge erreicht.

Andere Länder wie Skandinavien setzen bereits jetzt auf eine weite Verbreitung von Großwärmepumpen. Der deutsche Markt ist bisher jedoch hauptsächlich von „kundenspezifischen Lösungen gekennzeichnet“, wie die Studie berichtet. Das bedeutet, dass sämtliche Großwärmepumpen individuell auf den Großkunden zugeschnitten und installiert werden müssen. Dadurch entstehen hohe Kosten für die Planung, Fertigung sowie Installation der einzelnen Riesenwärmepumpen. Ein industrieller Standard, mit einer großzügigen Massenfertigung der benötigten Bauteile könnte hier die benötigte Kostenreduktion liefern.

Bisher fehlen klare gesetzliche Rahmen für Riesenwärmepumpen

Damit sich die Kosten nachhaltig senken, müssen Großwärmepumpen eine bessere Standardisierung mit höheren Stückzahlen erreichen. Dieses Ziel lässt sich nur mit dem passenden politischen Rahmen erreichen, der vor allem aus besseren Förderungen und schnelleren Genehmigungsverfahren bestehen müsste. Problematisch betrachtet das Fraunhofer-Institut hier vor allem sogenannte Blockheizkraftwerke, die man üblicherweise mit Erdgas betreibt. Sie erhalten die gleichen Förderungen wie Großwärmepumpen, obwohl diese Systeme wesentlich nachhaltiger und energieeffizienter genutzt werden könnten.

Beide Verfahren werden zurzeit über die gleichen Fördermaßnahmen als sogenannte „innovative Kraft-Wärme-Kopplungs-Systeme“ (iKWK) im Rahmen des KWK-Gesetzes gefördert. Seit September 2022 werden die gleichen Systeme ebenso über die „Bundesförderung Effiziente Wärmenetze“ (BEW) bezuschusst. Bei der Bezuschussung von Systemen, die noch immer fossile Energieträger verwenden, fürchten die Experten des Fraunhofer-Instituts, dass diese länger als nötig betrieben würden. Den dringend benötigten Ausbau beziehungsweise Umbau des Wärmenetzes könnte das dagegen ausbremsen.

Der derzeitige fehlende Ausbau des Fernwärmenetzes ist die nächste Hürde, die Deutschland für eine zukunftsfähige Wärmequelle überwinden muss. Damit die Versorgung bis zum Jahr 2045 mit Fernwärme ausreichend gedeckt ist, muss Deutschland den Ausbau des Wärmenetzes vorantreiben. Im Schnitt müssten Kommunen im Jahr nach Schätzungen des Instituts rund 800 Kilometer neuer Wärmetrassen bauen. Im Jahr 2020 betrug der Zubau pro Jahr rund 423 Kilometer – man müsste die bisherigen Anstrengungen also beinahe verdoppeln, um das Ziel zu erreichen.

Doch zumindest bezüglich des geplanten Ausbaus des Fernwärmenetzes kann man erste Hoffnungsschimmer erkennen. Erst kürzlich einigte sich die Bundesregierung gemeinsam mit der Energiebranche beim Fernwärmegipfel darauf, dass Städte und Dörfer die Wärmenetze schneller ausbauen sollen. Bis 2030 will man zudem die Hälfte der Fernwärme klimaneutral erzeugen. Dazu sollen alle Kommunen ab 10.000 Einwohnern eine Wärmeplanung vornehmen, die den Bedarf feststellt und übermittelt, welche Wärmeinfrastruktur bereits existiert. Anhand dieser Daten will man Potenziale bestimmen, um abzuschätzen, welche unterschiedlichen Energiequellen für die kommunale Wärmeversorgung infrage kommen.  

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1 KOMMENTAR

  1. Nutzerbild S. Urban

    Hier wird die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) direkt mit Wärmepumpen verglichen und „über einen Kamm geschoren“. Bitte vergessen Sie die Stromwende nicht. KWK = Strom & Wärmeerzeugung; Wärmepumpe = Wärmeerzeugung (& Stromverbraucher). Woher sollen denn laut Fraunhofer die Residuallasten, vor allem im Winter, bereitgestellt werden? Hier kommt die innovative KWK ins Spiel, wobei das Bhkw nur dann laufen sollte wenn gerade zu wenig erneuerbarer Strom im Netz ist. Man sollte die Technik also sinnvoll verknüpfen. Ausschließlich mit Wärmepumpen, PV und Wind kommen wir in Deutschland leider nicht über den Winter. Wenn H2 in der Stromerzeugung eine Rolle spielen muss, dann aber bitte nicht nur im flexibel betriebenen Großkraftwerk (Wirkungsgrad 30-40) sondern in KWK (Wirkungsgrad 90 %). Dafür müssen natürlich auch die Wärmenetze vorhanden sein.

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