Strommangel vorübergehend gelöst: Eine Stadt atmet auf

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Oranienburg ging als erster Stadt der Strom aus. Versäumnisse in der Planung der Stadtentwicklung haben dazu geführt, dass weder Neuanschlüsse noch Leistungserhöhungen für Haushalte möglich waren. Jetzt fand die Stadt eine vorübergehende Lösung.
Erster Stadt geht Strom aus: Zu viele Wärmepumpen am Netz
Erster Stadt geht Strom aus: Zu viele Wärmepumpen am NetzBildquelle: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Deutschlands Stromnetz gilt als eines der stabilsten der Welt, wie eine Untersuchung des VDE aus dem Jahr 2022 zeigt. Lediglich Südkorea übertraf das deutsche Ergebnis, sodass Deutschland seinerzeit Platz zwei der Weltrangliste belegte. Im Schnitt fiel die Stromversorgung in Deutschland lediglich zwölf Minuten im Jahr aus. Dennoch hat sich der Aufwand zur Aufrechterhaltung der Netz- und Systemsicherheit im Kontext der Energiewende vergrößert. Nicht immer gelingt dabei die rechtzeitige Anpassung der Infrastruktur, wie der Fall Oranienburgs zeigt.

Eine Stadt atmet auf: Strommangel vorbei

Ab Mai soll es für Menschen in Oranienburg wieder möglich sein, Wärmepumpen und Wallboxen für E-Autos an das Stromnetz anzuschließen. Noch vor wenigen Wochen war in der Stadt daran nicht länger zu denken. Die Stadtwerke hatten bekannt gegeben, dass das Stromnetz seine Belastungsgrenze erreicht hatte. Schuld daran war ein zu schwaches Umspannwerk. Solchen Umspannwerken fällt in unserem Stromnetz die Aufgabe zuteil, die Spannung zu transformieren, damit der Strom von großen Stromtrassen auf lokale Netze übertragen werden kann.

Als Lösung für das Stromdilemma in Oranienburg setzte man nun auf eine Verstärkung des existierenden Umspannwerkes. Zuständig dafür ist der Netzbetreiber Edis Netz, der aufgrund von internen Vorkehrungen an dem bestehenden Umspannwerk bald weitere Kapazitäten zur Verfügung stellen kann. Weitere Leistungserhöhungen könnten ab September 2024 nachfolgen. Der Bau eines neuen Hochspannungsnetzes, das die Stadt langfristig besser versorgen soll, kann voraussichtlich erst im Jahr 2026 fertiggestellt werden.

Oranienburgs Probleme waren dabei keineswegs unerwartet. Schon im Jahr 2017 kündigte sich der Stromengpass an. Der damalige Chef der Stadtwerke, Alireza Assadi, zog jedoch nicht die notwendigen Konsequenzen, wie Merkur berichtet. Stattdessen unterließ er die Investition in die benötigte Infrastruktur zugunsten der Gewinnmaximierung der Stadtwerke. Mittlerweile prüft die Stadt eine Schadensersatzklage gegen den ehemaligen Stadtwerke-Chef. In der Stadt hat sich dafür längst ein Untersuchungsausschuss zusammengefunden, denn bereits seit Jahren häufen sich Vorwürfe des Missmanagements gegen Assadi.

Versäumnisse brachten Stromversorgung an Kapazitätsgrenze

Der Strombedarf in Oranienburg stieg wesentlich schneller an, als die Verantwortlichen vorhersahen. Dafür verantwortlich seien nicht nur die Zuwanderung weiterer Bewohner, sondern ebenso der verstärkte Anschluss von Anlagen wie Wärmepumpen und Wallboxen für Elektroautos. Nach Angaben der Stadtwerke Oranienburg habe man bereits vor über einem Jahr beim Betreiber des Umspannnetzwerkes weitere Kapazitäten angefordert. Der Betreiber, E.DIS, habe jedoch nicht darauf reagiert, sodass die Stadtwerke Oranienburg nun die Bundesnetzagentur darüber informierten. Um das Stromnetz in Oranienburg weiterhin stabil zu halten, konnten die Stadtwerke weder Neuanmeldungen noch Leistungserhöhungen für Wärmepumpen oder Wallboxen genehmigen. Das örtliche Stromnetz hatte somit seine Kapazitätsgrenzen erreicht und bremste die Energiewende in Oranienburg aus. Haushalte, die sich von fossilen Heizungen zugunsten von Wärmepumpen trennen möchten, standen indessen ebenso im Regen wie Interessenten von E-Autos.

Zwar arbeitete man bereits in Oranienburg an dem Bau eines neuen Hochspannungsnetzes, dessen Fertigstellung kommt für die Energiewende jedoch zu spät. Erst im Jahr 2026 sollte das Hochspannungsnetz zusätzliche Kapazitäten liefern. Hätten die Stadtwerke Oranienburg keine andere Möglichkeit gefunden, die Engpässe zu lösen, sähe die Lage in Oranienburg weiterhin düster aus. Nicht nur, dass Wallboxen und Wärmepumpen nicht mehr in Betrieb genommen werden könnten. Auch Neubauten müssten damit auf Eis gelegt werden, da keine weiteren Häuser mehr an das Stromnetz angeschlossen werden könnten. Wer sich einen Traum vom Eigenheim in Oranienburg erfüllen wollte, musste zwischenzeitig bangen.

Zusätzlich bremst der begrenzte Strom auch die lokalen Industrien aus. Weder können bereits angesiedelte Unternehmen ihre Produktionskapazitäten steigern, noch können sich neue Firmen in Oranienburg ansiedeln. Die Stadtwerke Oranienburg arbeiten „zusammen mit der Hochspannungsnetzbetreiberin E.DIS Netz mit Hochdruck an einer Zwischenlösung, um den Engpass zu beseitigen, bis der Neubau des Umspannwerks der Stadtwerke Oranienburg in Betrieb gehen kann“, teilte der Geschäftsführer der Stadtwerke, Peter Grabowsky gegenüber der Zeitung Merkur mit. Ob die aktuelle Zwischenlösung auch für die Industrie Abhilfe schaffen kann, bleibt ungewiss.

Droht weiteren Städten Strommangel?

Durch die insgesamt sichere Stromversorgung in Deutschland ist ein ähnliches Szenario, wie wir es in der Stadt Oranienburg nördlich von Berlin sehen, zwar nicht völlig undenkbar – doch unwahrscheinlich. Um die Versorgungssicherheit in Deutschland langfristig trotz des steigenden Bedarfs an Strom zu erhöhen, wären dynamische Stromtarife ein hilfreiches Werkzeug. Dank dynamischer Stromtarife können Verbraucher ihren Verbrauch direkt an der Netzauslastung ausrichten. Das geschieht automatisch durch den dynamischen Stromtarif, der zu Zeiten, in denen die Netze besonders ausgelastet sind, umso höher ausfällt. Dadurch werden Verbraucher automatisch versuchen, möglichst viel ihres Verbrauchs in Phasen zu legen, in denen diese Preise günstiger ausfallen – und somit eine geringere Auslastung des Netzes gegeben ist.

Laut einer Studie der Agora Energiewende könnten bis zu zehn Prozent des Gesamtverbrauchs in Deutschland von diesen sogenannten „haushaltsnahen Flexibilisierungen“ betroffen sein. Reduzieren dynamische Stromtarife die Belastungsspitzen im Netz, so wäre der Netzausbau laut Studie im bisherigen Tempo realisierbar. Das größte Hindernis für dynamische Stromtarife bleibt jedoch der dafür benötigte Ausbau der Smart Meter. Nur wenn der Stromverbrauch in Echtzeit beim Verbraucher gemessen werden kann, ist eine Abrechnung über einen dynamischen Stromverbrauch überhaupt möglich. Einige Anbieter von dynamischen Stromtarifen wie Tibber bieten auch eigene Geräte zur Echtzeitmessung an, die auf einen digitalen Stromzähler aufgesetzt werden können. Damit ist der Bezug eines dynamischen Stromtarifs auch ohne Smart Meter möglich.

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1 KOMMENTAR

  1. Nutzerbild Thorsten

    Zeigt mal wieder deutlich die Inkompetenz unserer Regierung.

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