Platzhirsch! So gut ist das „Made in Germany“ E-Bike aus dem 3D-Drucker

8 Minuten
Ein E-BIke aus dem 3D-Drucker? Genau das versucht die Magedeburger Firma Urwahn. Heraus kommen edle, stylische und performante Räder. Wir haben das Modell „Platzhirsch“ getestet und schauen, ob hier eher „Form follows Function“ oder „Design vor Praxis“ gilt.
Das ist das E-Bike Urwahn Platzhirsch
Das ist das E-Bike Urwahn PlatzhirschBildquelle: Michael Stupp / inside digital

Beim Platzhirsch von Urwahn handelt es sich um ein ungewöhnliches E-Bike. Wer sich das Rad kurz anschaut, bemerkt sofort einen Knick in der Optik – und im Rahmen: Da fehlt doch was? Genau, aus Design- aber auch aus Funktionsgründen verzichtet der Hersteller auf ein durchgehend verbundenes Sattelrohr. Das Produkt: Ein eigenwilliges Rahmendesign mit Kniff und Knick, das sofort Blicke fängt. Das Style-Fahrrad weckt Assoziationen an die Räder von van Moof, weiß diese Verwandtschaft aber an entscheidenden Stellen abzugrenzen. Sowohl inhaltlich als auch optisch. Dennoch: Die Urwahn-Bikes treten klar in Konkurrenz zu den City-Flitzern aus den Niederlanden.

Fair Frame: Made in Germany – Stahl-Rahmen aus dem 3D-Drucker

Aber was steckt hinter der E-Bike-Manufaktur aus Magdeburg? Der Hersteller verwendet nachhaltig produzierten Stahl und entwickelt jeden Rahmen passgenau im speziellen 3D-Drucker. Nun zum weggelassenen Sattelrohr, das hier eben nicht auf dem Tretlager aufsitzt. Das Startup nutzt hier die Charakteristik des Stahlrahmens und sorgt für eine geschmeidige Federung. Wellen und kleine Schlaglöcher schluckt das Bike gekonnt, obwohl es als City-Bike mit Gravel-Attitüde weder über eine eigene Heck- respektive Sattelstützen- noch über eine Gabel-Federung verfügt. Hier macht sich die Materialwahl wirklich bezahlt.

Fair Frame Stahl-Rahmen aus dem 3D-Drucker von Urwahn
Der „Fair Frame“ aus dem 3D-Drucker – und ein näherer Blick auf die Farbvariante „Oxid“.

Und das ist ein gutes Stichwort. Denn günstig ist das vermeintlich preiswert im 3D-Drucker produzierte Fahrrad nicht. Der Platzhirsch kostet mit der kleinsten technischen Ausstattung mehr als viereinhalbtausend Euro. Bei unserem Test-Fahrrad liegen wir bereits bei mehr als 5.500 Euro Anschaffungskosten. Da sich das Rad insbesondere an Pendler richtet, kann es sich lohnen, es als Job-Rad bei deinem Arbeitgeber im Rahmen eines Leasings zu finanzieren.

Technisch erste Sahne: Das steckt im Urwahn Platzhirsch E-Bike

Zu den Basics: Der Platzhirsch von Urwahn ist ein Citybike mit Mahle-Motor am Hinterrad (Nabenmotor „ebikemotion“, 250 Watt, 40 nm Drehmoment) und einem 250-Wattstunden-Akku fest verbaut im Unterrohr. Der Nachteil des nicht herausnehmbaren Akkus wird durch das geringe Gewicht des Pendler-Bikes abgeschwächt. Keine 15 Kilogramm legt der Platzhirsch in der Referenzgröße M auf die Waage. Für mehr Akku-Power lässt sich noch ein Zusatzakku am Flaschenhalter montieren. Geladen wird via proprietärem Netzteil an der Steckdose.

Rücklichter des Urwahn Platzhirsch
Die Rücklichter des Urwahn Platzhirsch im Sattel (StVO-konform).

Aktiviert wird der Motor am Lenker durch eine minimalistische Steuerung – iWOC Trio – ohne Display. Ein Power-Knopf aktiviert den Motor, gleichzeitig leuchten die StVO-konformen Vorder- und Rücklichter (integriert in Lenker und Sattelstütze). Separat steuerbar sind die sehr hellen Leuchten der Firma LightSKIN nicht.

Mittels zweier Taster kannst du zwischen den drei Fahrmodi wechseln und die Motor-Unterstützung regeln. Rechts am Lenker befindet sich die Schaltung – in unserem Testgerät ist das die Highend-Variante von Shimano, eine edle Deore-XT-Kettenschaltung (1-/11-Fach, 50Z/11-36Z). Die macht im Vergleich zur Basis-Ausstattung mit „Single Speed Gates Carbon Drive“ 1-Gang-Schaltung schon 500 Euro Preisunterschied aus. Gebremst wird mittels hydraulischen Shimano BL-MT200 Scheibenbremsen. Alle Leitungen und Bremszüge liegen innerhalb des Rahmens und sind so geschützt.

Motor Fernsteuerung des Urwahn Platzhirsch E-Bikes
Minimalistische Steuerung ohne Display am Lenker: Die iWOC Trio Fernbedienung mit drei Tasten. Die kleinen LEDs zeigen an, ob der Motor eingeschaltet ist.
Urwahn Platzhirsch E-Bike Bremse, Schaltung, Motor
Technisches Herz: Shimano Deore XT Schaltung, der Hinterrad-Nabenmotor von Mahle und die 160-mm-Scheibenbremsen, ebenfalls von Shimano.

Bis zu 80 Kilometer unterstützte Reichweite

Der verbaute Motor „ebikemotion“ des Stuttgarter Herstellers Mahle unterstützt dich auf bis zu 80 Kilometern Strecke. Ein optional erhältlicher Zusatzakku nimmt dir die Platzoption einer Trinkflasche und würde noch einmal 60 Kilometer draufpacken. Unsere Meinung: nicht notwendig. Sollte einmal der Saft ausgehen, ist das Rad mit seinen rund 15 Kilo immer noch vergleichbar leichtgängig zu fahren. Die Zusatzkosten (rund 600 Euro) kannst du dir sparen. Und eine volle Trinkflasche ist auf solchen Strecken meist ein besserer Ratgeber.

Der Haupt-Motor ist im Übrigen besonders leise. Die bei vielen Bikes üblichen Pfeifgeräusche sind nicht wahrnehmbar, bei hoher Last vernimmst du ein leichtes Surren, allerdings kaum merklich. Bei einem flüchtigen Blick auf das vorbeifahrende Rad wird dank Optik und Dynamik nicht einmal klar, dass es sich überhaupt um ein E-Bike handelt.

Bauart und Design im Check: Tipps für die Konfiguration

Die flotte und auffällige Bauart des E-Bikes sorgt für Aufsehen, hat aber auch ihre Tücken. So fällt die Sattelstütze recht kurz aus. Einmal aus dem vorgesehenen Rohr gehoben, wird es schwer und frickelig, sie wieder einzusetzen, da alle Fixierungs-Komponenten innen sitzen. Der gute alte Schnellspanner von außen hätte diese Probleme nicht, bietet aber auch weniger Diebstahlschutz. Hier steht der Design- und Sicherheitsaspekt vor der praktischen Bedienung. Apropos Diebstahlschutz: Auch integrierte GPS– und Blockade-Diebstahlschutz-Funktionen kannst du ins Bike einbauen lassen.

Cool: In der Konfiguration mit Gepäckträger bietet das Rad Vorrichtungen für Packtaschen. Aber: allzu groß sollten die nicht sein, da du hier sonst mit den Fersen gegen schlägst. Kompakte Größen wie die Vaude AquaBack dürften noch funktionieren, bei der Ortlieb Back-Roller könnte es eng werden – Anpassen und Ausprobieren dringend empfohlen.

Urwahn Platzhirsch von hinten
Urwahn Platzhirsch mit Schutzblech und Gepäckträger.

Für ganzjährigen Betrieb auf verschiedenem Geläuf lautet unsere Konfigurationsempfehlung: Gepäckträger (80 Euro Aufpreis) und Schutzbleche (30 Euro) müssen mit rein; bei der Bereifung setzen wir auf die Gravel-Reifen Terra Speed X von Continental statt der GP Urban (kein Preisuntschied). Mit der vollen Bauteil-Austattung samt Gepäckträger und Schutzblechen landet das E-Bike dann auf über 15 Kilogramm Kampfgewicht. Immer noch ein äußerst leichter Vertreter seiner Zunft. Was in jedem Fall fehlt, ist ein Ständer. Auch eine Klingel ist nicht ab Werk montiert.

Zur Konfiguration im Urwahn Online-Shop
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Fahrbericht: Das E-Bike für alle, die noch Fahrrad fahren wollen

Auf den eingestellten Sattel und los geht’s! Wir probieren Pendelstrecken an der Straße, durch Feld, bergauf und -ab sowie ein Waldstück über Schotter, Stock und Stein aus. Herausragend ist die Dämpfung des federlosen Rahmens. Es macht wirklich Spaß und der Platzhirsch liegt sauber und ruhig auf Feldwegen und sogar schlechten Straßen. Als Pendler musst du dir nicht zwingend die Landstraße mit schnellen Autos teilen, sondern kannst beruhigt und ohne Rücksicht auf Verluste auf schöne Wege übers Feld ausweichen.

Der Motor ist selbst in der höchsten Unterstützungsstufe eher zurückhaltend und eher gleichmäßig statt ruckartig. Der Trigger kommt langsam in Schwung, der Motor unterstützt beim Fahren und nicht beim Anfahren. Das sorgt dafür, dass du noch richtig Fahrrad fährst und dich nicht vom Motor fahren lässt. Wer an sein E-Bike primär den Anspruch hat, Fahrunterstützung ab dem ersten Meter zu haben, der sollte sich anderweitig umsehen, dafür ist der Antrieb schlichtweg zu schwach eingestellt. Der Platzhirsch von Urwahn ist was für straffe Sportler, die Strecke machen wollen.

Urwahn Platzhirsch E-Bike auf Waldboden
Urwahn Platzhirsch E-Bike auf Waldboden – auch hier fährt sich das Rad erstklassig.

Kämpfer am Berg, aber perfekt fürs Pendeln

Für tempoharte Bergauf-Fahrten ist das Rad nicht gemacht, hier zeigt der Motor, dass die Zurückhaltung auch zur Schwäche wird. Keine Frage, der Mahle-Antrieb bringt dich im Zweifel auch nach Alpe d’Huez hoch. Aber du musst schon selbst ordentlich strampeln. Wer viele und vor allem steile Berge auf der Pendelstrecke hat, braucht mit dem Platzhirsch eine gute Grundgeschwindigkeit, um nicht völlig verschwitzt auf der Arbeit anzukommen.

Ideal ist das Pendel-E-Bike für lange und wellige Strecken. Hier bleibst du effizient auf konstanter Geschwindigkeit und die unterschwellige Unterstützung ist nicht zu ruckartig, sodass du ein echtes Cruise-Gefühl entwickelst. Das Rahmengefühl ist schier einzigartig. Wir reden von einem wirklich hochwertigen E-Bike.

Fazit zum Urwahn Platzhirsch E-Bike: Der Eindruck wechselt

Das Design-E-Bike „Platzhirsch“ von Urwahn ist ein wirklich schönes Rad. Beobachteten wir angesichts des eigenwilligen Designs und den Schwierigkeiten beim Einstellen des Sattels zunächst ein „Function follows Form“-Prinzip, revidiert sich dieser Eindruck schnell nach ein paar Metern auf dem Rad.

Der Rahmen ist erstklassig – nicht nur in Sachen Verarbeitung, sondern vor allem in seiner Fahrweise. Bei einem Auto würden wir von einem straffen Fahrwerk reden. Der Platzhirsch übersetzt das aufs Zweirad und sorgt für ein balanciertes Fahrerlebnis zwischen Sport und Komfort. Der sportliche Aspekt sorgt aber dafür, dass der Motor wirklich unterstützt und nicht anschiebt. Manchem mag das zu wenig sein.

Pros des Urwahn Platzhirsch

  • Eigenwilliges, aber durchdachtes Design
  • Fährt sich wie aus einem Guss
  • Hochwertige Verarbeitung und Technik
  • Hoher Individualisierungsgrad

Contras des Urwahn Platzhirsch

  • Hoher Preis
  • Teilweise schwache Motor-Einstellung
  • Schwächen bei der Sattel-Einstellung

Kommentar

Von Michael Stupp

Der Platzhirsch macht Spaß – auf beinahe jedem Geläuf ist das E-Bike ein echter Trumpf. Für Pendler, die beim Fahren noch auf das Fahrradgefühl setzen, ist es unschlagbar. Aber zum Gesamteindruck gehört auch der Preis. Und der ist mir für das gebotene einfach zu hoch. Individualisierung, innovative Machart und Hingucker-Design hin oder her.

Was auffällt: Urwahn versucht mit seinen Bikes nicht, den Niederländern von van Moof mit ihren Style-E-Bikes nachzueifern, sondern etabliert einen eigenen Charakter. Und das gelingt. Wenngleich die Firma noch zu unbekannt sein dürfte, um aus dem Hingucker- auch einen nachhaltigen Wiedererkennungs-Effekt zu machen. Der Weg ist aber bereitet und als nachhaltig produziertes Fahrrad „made in Germany“ ist auch der hohe Preis wohl gerechtfertigt. Du zahlst für eine regionale Wertschöpfungskette und nicht zuletzt für mannigfaltige Individualisierungs-Optionen und hohe Passgenauigkeit.

Das eine ist jedoch die ganzheitliche Sicht auf den Markt und das andere die individuelle Situation und der Bedarf des Käufers. Eine Lösung des Dilemmas könnte ein Leasing im Rahmen eines der vielen Job-Rad-Programme sein. Auch ein Blick in die Förderungsmöglichkeiten beim E-Bike-Kauf kann sich lohnen.

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Bildquellen

  • Fair Frame Stahl-Rahmen aus dem 3D-Drucker von Urwahn: Michael Stupp / inside digital
  • Rücklichter des Urwahn Platzhirsch: Michael Stupp / inside digital
  • Urwahn Platzhirsch E-Bike Bremse, Schaltung, Motor: Michael Stupp / inside digital
  • Urwahn Platzhirsch von hinten: Michael Stupp / inside digital
  • Urwahn Platzhirsch E-Bike auf Waldboden: Michael Stupp / inside digital
  • Das ist das E-Bike Urwahn Platzhirsch: Michael Stupp / inside digital

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2 KOMMENTARE

  1. Nutzerbild Paul

    Gute Sache, aber über 5000€ für ein Radl?

    Antwort
  2. Nutzerbild Stefan

    5.000€ für 250Wh?
    Und es soll 80km weit kommen?
    Guter Scherz.

    Antwort

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