Auf dem Papier klang alles groß: Deutsche Glasfaser wollte 6 Millionen Haushalte erreichen. Tatsächlich waren es Ende 2024 nur 2,6 Millionen „Homes Passed“, also Haushalte, die theoretisch am Netz hängen könnten. Unter Vertrag sind nach Schätzungen aus der Branche etwa 1,5 Millionen Haushalte. Wirklich aktiv, also zahlend und geschaltet, sind aber nur etwa 800.000 Anschlüsse. Dem stehen enorme Schulden gegenüber. In Summe liegen die Verbindlichkeiten bei grob 7 Milliarden Euro. Diese Schuldenlast steckt jetzt in einem Netz, das viel weniger aktive Kunden trägt als geplant. Schon vor einigen Wochen sickerte durch, dass der Anbieter sich in Schieflage befindet und Personal abbaut. Nun berichtet die WirtschaftsWoche sogar über mögliche Übernahmen.
So viel kostet der Glasfaserausbau
Dass der Ausbau von Glasfasernetzen nicht aus der Portokasse bezahlt werden kann, ist allgemein bekannt. Nach Branchenangaben kostet ein fertiger Glasfaser-Anschluss im Schnitt 1.699 bis 3.900 Euro. Die Unterschiede ergeben sich durch die verschiedenen Regionen, in denen ein Anbieter ausbaut. Allgemein ist der Ausbau pro Haushalt in der Stadt günstiger als auf dem Land.
Die ländlichen Regionen sind es, in denen die Deutsche Glasfaser ihr Netz ausgebaut hat. Der Grund: Hier gibt es allgemein weniger Breitbandanschlüsse. Die Hoffnung: Die Kunden rennen dem Anbieter die Bude ein, sobald er ausbaut. Dass das nicht der Fall ist, zeigen die nackten Zahlen. Denn statt der ursprünglich geplanten 6 Millionen Anschlüsse hat die Deutsche Glasfaser bisher nur 2,6 Millionen gebaut – und das auch nur auf Basis von „Homes Passed“. Tatsächlich aktiviert sind laut Marktstudien aber nur 800.000. Nur diese Anschlüsse bringen Umsatz.
Nimmt man nun das Investment von knapp 7 Milliarden Euro und stellt es ins Verhältnis zu diesen 800.000 aktiven Anschlüssen, ergibt sich ein Kapitaleinsatz pro Anschluss von rund 8.000 Euro. Das ist weitaus mehr als das, was die Branche im Schnitt angibt.
8.000 Euro pro Anschluss – und die lange Rechnung dahinter
Für dich als Kunden wirken die Kosten für einen Glasfaseranschluss zunächst überschaubar. Im Rahmen des Erstausbaus zahlst du in der Regel nichts, ein Anschluss kostet dann monatlich 40 bis 90 Euro Listenpreis nach Ablauf der Neukundenpromotion. Aus Investorensicht sieht die Rechnung anders aus. Wenn ein Anschluss im Schnitt rund 8.000 Euro Investment verschlingt, brauchst du selbst bei 50 Euro Monatsumsatz deutlich mehr als 13 Jahre, bis sich diese Investition überhaupt rechnet – und das ohne Rabatte, Störungen, Ausfälle, steigende Betriebskosten oder einen Euro Gewinn. Das ist deutlich länger, als private Investoren ansetzen.
Das eigentliche Problem ist die Lücke zwischen gebautem Netz und zahlenden Kunden. Die Kennzahl „Homes Passed“ wurde von Investoren und Managern lange als Hauptmaßstab gefeiert. Gebaut wurde auf Vorrat: möglichst schnell möglichst viele Straßen aufreißen, damit irgendwann möglichst viele Haushalte bestellen. Nur ist diese Nachfrage in der Realität deutlich schwächer gewachsen als in den Planungen. Insider berichten auch, dass zahlreiche Hausstiche nicht gemacht wurden, wenn die Hauseigentümer kein Interesse hatten. Eine Nachverdichtung bei späterem Interesse finde nicht oder kaum statt. Hinzu kommen Verzögerungen: In vielen Orten warten Kundinnen und Kunden teils jahrelang zwischen Vertragsabschluss und tatsächlicher Aktivierung. Das Problem hier: Die Vertragslaufzeit beginnt mit Unterschrift, die Kunden sind möglicherweise verloren, wenn der Anschluss irgendwann gebaut wird.
Was die Zahlen über den Markt verraten
Die Kombination aus 7 Milliarden Euro Schulden, nur 2,6 Millionen erreichten Haushalten und 800.000 aktiven Anschlüssen zeigt, wie dünn die Basis für den Glasfaser-Boom zum Teil war. Der Ausbau lief größtenteils auf Pump, getragen von der Hoffnung auf schnelle Kundenzuwächse. Jetzt prallen diese Erwartungen auf eine Realität, in der viele Menschen mit ihrem bisherigen Anschluss schlicht zufrieden sind.
Für dich heißt das: Glasfaser bleibt technisch sinnvoll, aber wirtschaftlich ist das Modell bei der Deutschen Glasfaser ausgereizt. Die 8.000 Euro pro aktivem Anschluss sind keine abstrakte Zahl, sondern der Preis für zu viel Tempo, zu viel Schulden und zu wenige zahlende Kunden.
Wie es mit der Deutschen Glasfaser weitergeht, hängt laut WirtschaftsWoche (Paywall) jetzt vor allem von ihren Eigentümern ab. Hauptgesellschafter sind der schwedische Finanzinvestor EQT und der kanadische Pensionsfonds Omers, die den aggressiven Ausbaukurs der vergangenen Jahre finanziert und vorangetrieben haben. Entsprechende Berater, die die Finanzen neu ordnen sollen, seien bereits an Bord. Scheitert dieser Plan oder reicht er den Geldgebern nicht, rücken laut WiWo Verkäufe von Netzen oder ganzen Unternehmensteilen in den Mittelpunkt – ob an etablierte Anbieter wie Telefónica oder 1&1 oder an neue Investoren ist komplett offen. EQT und Omers müssten dann Abschläge auf ihr Investment akzeptieren. Für dich als Kunden würde sich vor allem der Name auf der Rechnung ändern, nicht unbedingt der Anschluss selbst. Wartest du aber aktuell darauf, dass die Deutsche Glasfaser bei dir in der Straße die Bagger rollen lässt, ist die Wahrscheinlichkeit dafür deutlich gesunken.
Unterm Strich zeigen die Probleme der Deutschen Glasfaser aber, in welchem Dilemma der Markt steckt. Der Ausbau von Glasfasernetzen ist eine Wette auf die Zukunft, von der alle überzeugt sind. Denn dass ein Glasfaser-Anschluss auf lange Sicht alternativlos ist, gilt als Konsens. Das Problem ist, dass Stand heute nur wenige Kunden bereit sind, zur Glasfaser-Infrastruktur zu wechseln. Entweder, weil sie es aus verschiedenen Gründen nicht können (beispielsweise wegen fehlender Leitungen innerhalb von Mehrfamilienhäusern) oder weil sie mit ihrem DSL oder Kabelanschluss zufrieden sind. Auch die Deutsche Telekom ist mit ihren Buchungszahlen unzufrieden und ändert nun die Strategie.
