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Kirchenaustritt im Internet: Es ist kompliziert

6 Minuten
Immer mehr Menschen wenden sich von der katholischen und evangelischen Kirche ab. Also ab ins Internet und online aus der Kirche austreten. Ja, es könnte so einfach sein, aber die Realität sieht ein wenig anders aus. Am Computer ist der Kirchenaustritt nämlich nicht möglich.
Frau steht in der Kirche und blickt in Richtung Altar.
Ein Kirchenaustritt über das Internet: Geht das überhaupt?Bildquelle: Rawpixel.com/Shutterstock.com

Kaum ein Thema wurde in den vergangenen Monaten so kontrovers diskutiert wie das Coronavirus und die damit verbundenen Einschränkungen im Alltag. Ein anderes Thema findet aber ebenfalls immer wieder Beachtung: der Kirchenaustritt. Dabei spielt anders als in den vergangenen Jahren nicht nur die Kirchensteuer eine Rolle, sondern immer stärker auch der Vertrauensverlust vieler Menschen wegen des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche. Also einfach online aus der Kirche austreten? Nein, so einfach geht das nicht.

Kirchenaustritt wegen Kirchensteuer und Missbrauchsfällen

Für viele Menschen – egal ob gläubig oder nicht – ist vorwiegend der Missbrauch an Minderjährigen ein nicht länger tragbarer Zustand. Insbesondere die Tatsache, dass zahlreiche Missbrauchsfälle vertuscht werden sollten, um beschuldigte Geistliche vor etwaigen Strafen zu schützen, stößt vielen Kirchenmitgliedern übel auf. Die Folge: Sie wenden sich von ihrem Glauben ab. Ein Kirchenaustritt scheint für sie das einzige noch vertretbare Mittel zu sein, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.

Und eigentlich sollte man meinen, dass ein solcher Kirchenaustritt im 21. Jahrhundert kein großer Akt sein dürfte. Doch die Idee, mit der Kirche kurzerhand mit wenigen Klicks über das Internet abschließen zu können, ist ein Trugschluss. Wer aus der Kirche austreten möchte, kann das nicht online tun. Es gibt kein Kirchenaustrittsformular zum Download.

Stattdessen ist ein persönlicher Termin bei einer staatlichen Behörde notwendig. Nur über eine persönliche Erklärung vor Ort ist es möglich, unter Vorlage eines gültigen Ausweises oder Reisepasses die Kirche auch tatsächlich zu verlassen. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob man aus der katholischen oder aus der evangelischen Kirche austreten möchte. Das Prozedere ist mit einer ordentlichen Portion Bürokratie verbunden.

Wo kann ich meinen Kirchenaustritt beantragen?

Wo genau du vorstellig werden musst, um deinen Kirchenaustritt mit einer Unterschrift verbindlich zu machen, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen musst du dich beispielsweise an ein Standesamt vor Ort wenden. In Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder Berlin musst du hingegen einen Termin beim Amtsgericht vereinbaren. Hessen setzt einen Termin bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung voraus, während es in Bremen nur direkt bei der Kirche vor Ort möglich ist, aus der Kirche auszutreten.

Alternativ kannst du deinen Kirchenaustritt auch bei einem Notar erklären. Neben den vielerorts ohnehin anfallenden Gebühren für den Kirchenaustritt in Höhe von meist rund 30 Euro musst du bei einem Notar aber mit noch zusätzlichen Kosten rechnen.

Teilweise hat die Digitalisierung aber auch beim Kirchenaustritt Einzug erhalten. Um einen Termin mit dem für dich zuständigen Ansprechpartner zu vereinbaren, musst du in vielen deutschen Städten nicht zum Telefon greifen. Auch online lässt sich vielerorts ein solcher Termin vereinbaren. Wir haben für dich die passenden Links für die 20 einwohnerstärksten Städte in Deutschland herausgesucht:

Regional wird übrigens nicht einmal eine vorherige Terminvereinbarung als verpflichtend erachtet. Dann reicht es aus, wenn du im entsprechenden Amt während der regulären Öffnungszeiten vorstellig wirst. Gegebenenfalls musst du dann aber eine längere Wartezeit einkalkulieren. Deswegen ist es ratsam, überall dort, wo es entsprechende Möglichkeiten gibt, einen Termin zum Kirchenaustritt zu vereinbaren.

Achtung: Immer wieder tauchen im Internet vermeintliche hilfreiche Portale auf, die vorgeben, dir gegen einen Unkostenbeitrag beim Kirchenaustritt zu helfen. Das ist aber nicht mehr als eine Internet-Abzocke. Denn den Austritt aus der Kirche kannst nur du selbst in Angriff nehmen.

Kirchenaustritt ist gesetzlich geregelt

Wenn du dir übrigens die Frage stellen solltest, warum ein Austritt aus der Kirche nicht online erfolgen kann, musst du die Ursache in der deutschen Gesetzgebung suchen. „Dass der Kirchenaustritt als mündliche Erklärung zur Niederschrift des Urkundsbeamten oder schriftlich, in öffentlich beglaubigter Form vor einem Notar erklärt werden muss, ist in § 3 des Kirchenaustrittsgesetzes (KiAustrG) geregelt“, erklärte eine Sprecherin des Amtsgerichts Münster gegenüber inside digital. Die deutsche Bundesregierung müsste dieses Gesetz entsprechend ändern, damit ein Online-Austritt aus der Kirche überhaupt vorstellbar wäre.

Befürchtungen, dass du deinen Kirchenaustritt in einem langen Gespräch begründen musst, sind übrigens nicht angebracht. Ein Kirchenaustritt ist jederzeit, ohne Angabe von Gründen möglich. Im Jahr 2022 lag die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland übrigens bei rund 900.000. Ein deutliches Plus gegenüber dem Jahr 2021, als rund 640.000 Kirchenaustritte verzeichnet wurden. Die Unzufriedenheit mit der Kirche nimmt also spürbar zu. Und die zuletzt hohe Inflation sorgt sicherlich auch dafür, dass sich mehr und mehr Menschen mit einem Kirchenaustritt beschäftigen.

Welche Nachteile hat ein Kirchenaustritt?

Wichtigstes Argument für einen Kirchenaustritt ist neben der Verurteilung der oben genannten Missbrauchsfälle vor allem der Wegfall der zu zahlenden Kirchensteuer. Der Kirchensteuersatz beträgt derzeit je nach Bundesland 8 oder 9 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer. Doch es gibt auch Nachteile, die man bedenken sollte, ehe man seine „Mitgliedschaft“ in der Kirche beendet.

So ist es nach einem Kirchenaustritt nicht mehr oder nur schwer möglich, Sakramente zu empfangen. Dazu gehört unter anderem die Trauung in der Kirche vor dem Altar oder auch eine Krankensalbung durch einen Priester. Für Familien ist zudem wichtig, dass es nach einem Kirchenaustritt nicht mehr möglich ist, Tauf- oder Firmpate zu sein. Und auch ein kirchliches Begräbnis ist nur noch möglich, wenn vor dem Tod ein Zeichen der Reue vorgelegen hat.

Weiterhin verbaut man sich mit einem Austritt aus der Kirche gegebenenfalls potenzielle Jobchancen. Denn wer in an die Kirche angeschlossenen Einrichtungen arbeiten möchte, muss in der Regel ein zahlendes Mitglied sein. Das kann unter anderem für Ärzte, Krankenschwestern, Pädagogen oder Sozialarbeiter von Relevanz sein.

Selbst die Kündigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ist möglich, wenn man bei einem Arbeitgeber in kirchlicher Trägerschaft angestellt ist, aber aus der Kirche austritt. All das sollte man vor einem spontanen Austritt in jedem Fall beachten. Mag der Unmut über die Kirche in der Gegenwart auch in vielen Fällen noch so gut begründet sein, ein Austritt hat unter Umständen Konsequenzen, die niemand vernachlässigen sollte.

Übrigens: Ein Eintritt in die Kirche ist jederzeit wieder möglich. Dafür muss man sich dann aber direkt an die katholische und evangelische Kirche wenden. Und die eine oder andere kritische Frage dürfte dann nicht ausbleiben.

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15 KOMMENTARE

  1. Nutzerbild Gast

    Und man muss viel Wartezeit mitbringen, weil viele sich von der Zwangskollekte befreien wollen. Besonders aktuell, wegen den Pedo- Pfaffen- Skandal. Ist aber trotzdem guter Stundenlohn für Warten.
    Leider kann man so einfach nicht auch bei Finanzamt kündigen. Aber auch da gibt es Optionen, z.B. die 186 Tage Regel…

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  2. Nutzerbild Knut Hansen

    Ich bin am 14.05.2021 über einen Notar aus der Kirche ausgetreten, da beim Amtsgericht die Termine für die nächsten 3 Monate ausgebucht sind.

    Gekostet hat es 45,93€.

    KV 24102: Fertigung eines Entwurfs 30€

    KV 32001: Dokumentenpauschale 0,60€

    KV 32004 Post- und Telekommunikationsentgelte 8€

    plus 19% Mehrwertsteuer waren es 45,93€. Beim Amtsgericht hätte es 30€ gekostet, die Mehrkosten sind also gering.

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  3. Nutzerbild Krissy

    Die Sache mit der Taufpatenschaft ist, zumindest für evangelische Kirchen, nicht wahr. Du kannst heutzutage dennoch Taufpate werden, ebenso reicht für eine Heirat wenn einer von beiden Mitglied ist, eventuell hättet ihr den Artikel austritt aus der kath. Kirche nennen sollen.

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  4. Nutzerbild Patrick Schäfer

    @Knut Hansen: Welchen Notaren hast du genommen?

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  5. Nutzerbild Sabine

    Bei der katholischen Kirche kann man Taufzeuge werden, wenn man aus der Kirche ausgetreten ist… Das Hintertürchen sozusagen.

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  6. Nutzerbild Heinz

    Kirchenaustritt online…..Es gibt juristische Hürden. Aber bitte !Man sollte nicht das online Formular nutzen. 29,90€ dafür, dass man eine Vorlage bekommt, die man selbst erstellen kann? Das ist eine idiotische Hürde!
    Und dazu kommen die Kosten für die Beglaubigung der Unterschrift beim Notar. Na gut, jetzt müssen wir durch. 25000 ausgegegebene Anträge mal 29,90€. Eine super Einnahmequelle für nichts!

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  7. Nutzerbild Anja Heine

    Ich habe mich auch über Online von der Kirchensteuer abgemeldet und die 29.90 Euro bezahlt. Nun passiert garnichts und die Kirchensteuer wir fröhlich weiter abgezogen. Emails werden ständig mit dem gleichen Text beantwortet. Darin steht auch, dass es 7 bis 10 Werktage dauert um es zu bearbeiten und dann bekommt man alles zugesendet. Abgemeldet habe ich mich im Juli 22. Kann es sein, dass es eine Betrugsmasche ist, dass die Kirche an Geld kommt?

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    • Nutzerbild Steak

      https://www.24rhein.de/rheinland-nrw/kirchenaustritt-warnung-polizei-internet-betrug-29-euro-kirchenaustritt24-online-nrw-91523812.html

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  8. Nutzerbild G.Winner

    Als ich finanziell etwas klamm war, bat ich darum, vorübergehend die Kirchensteuer zu reduzieren.
    Das ginge nicht, wurde mir mitgeteilt.
    Da bin ich ausgetreten – das ging!
    Das ist jetzt 20 Jahre her und ich sehe keinerlei Veranlassung, zurück zu kehren
    im Gegenteil:ich hätte diesen Schritt schon viel früher tun sollen!

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  9. Nutzerbild Stefani 2

    kirchenaustritt 24 ist eine Betrugs Masche hab ich auch gemacht und nichts man muss trotzdem zum Amt ich habe es angezeigt und mein Geld habe ich stoppen lassen bei klarna. Musste nichts zahlen.

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  10. Nutzerbild Michael wankmüller

    dass finde ich richtig so,man wird ja förmlich gezwungen Kirchensteuer zu zahlen 😡 nicht genug dass für meine Rente Kirchensteuern anfallen,weit gefehlt ! Ich habe mich selbstständig gemacht,da fallen dann nochmals Kirchensteuern an( Als ob meine Tätigkeit dann in die Kirche gehen könnte) dass hat mich so geärgert dass ich jetzt auch Austreten werde! Dann gibt es eben gar nichts Basta!! Mit glauben oder nicht hat dass in meinen Augen gar nichts zu tun! Was ich mich außerdem Frage wo die Gelder tatsächlich hinfließen ,schaut doch die Kirchen und Gemeinden an, alles verfallen! Jeder Pfarrer hat Budget Knappheit,dass sehe ich nicht ein!

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  11. Nutzerbild Wolfgang

    Kirchenaustritt wegen der Kirchensteuer? Das muss jeder „Gläubige“ für sich selbst entscheiden. Natürlich gibt es auch finanzielle Situationen, wo das echt erforderlich ist. Aber weil ich nicht oft in die Messe gehe und wegen dem Skandal mit dem sexuellen Missbrauch, oder Größenwahn/Geldverbrauch mancher Bischöfe ist für mich kein Grund. Da kann ich als Mitglied der Kirche eher etwas dagegen tun. Auch gegen den Missbrauch. Den es nicht nur in der Kirche gibt. Da heißt es echt aufmerksam dabei zu sein. Bringt doch auch die Kirche sehr viel Geld in Kindergärten und andere soziale Einrichtungen ein. Und das will ich mit meiner Kirchensteuer auch tun. Einfach mal die Budgets der jeweiligen Kirche ansehen. Da gibt es viele Sachen, die eigentlich Aufgabe des Staates, also von uns allen sind. Das finanzielle ist meines Erachtens deshalb nur eine Verlagerung. Anders ist es für mich mit dem ich kann wirklich nicht glauben. Das ist für mich verständlich und damit absolut ok. Da muss sich dann halt die Kirche anstrengen. Wie auch bei Regeln im Umgang mit sexuellem Missbrauch und Verschwendung.

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  12. Nutzerbild Neumann

    Durch eine unsägliche Steuerprüfung musste ich u.a 4300€ Kirchensteuer
    nachzahlen. Ich habe daraufhin das Erzbistum Paderborn angeschrieben
    und höflichst um Ratenzahlung gebeten.
    Die Antwort kam: Es ist der §8 Abs 1 in V mit § 11 Abs 1 anzuwenden. Es ist nicht davon auszugehen, daß der Kirchensteuer Anspruch nicht gefährdet ist.Das sagt die GEMEINSCHAFT der Gläubigen. Ich zahle 40 Jahre Kirchensteuer und möchte einmal ein Entgegenkommen– Termin Amtsgericht
    18.8.23 Austritt ! Der Herr sei mit Euch !

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  13. Nutzerbild Karsten Frei

    Der Vertrauensverlust vieler Menschen in die Kirche geht nur wegen des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche, sondern hauptsächlich wegen der Abkehr von traditionellen Werten.

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  14. Nutzerbild Martin Benedikt

    Ich bin schon 1972 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Im Alter von 19 Jahren. Zum Glück. Weil ich nicht an diese Religion und Gott glaube. Ich wurde dort ohne meine Entscheidung zwangsweise durch Taufe hineingezwängt. Das ist doch schon ein Unding. Taufpate bei meinem Neffen wurde ich dennoch, weil mich meine Schwester darum gebeten hat. Der Pfarrer hat nicht nach meiner Religion gefragt.

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