Ein Diskussionspapier der Bundesnetzagentur erörtert mögliche, künftige Veränderungen für die neue Fassung der Netzgeltverordnung. Viele dieser Varianten würden auch Besitzer von Bestandsanlagen finanziell stark belasten, indem sie eine Form von Sonnensteuer für PV-Anlagen einführen. Eine aktuelle Petition, vorangetrieben von den Betreibern der beiden YouTube-Channel „gewaltig nachhaltig“ sowie „Andreas Schmitz (Der Akku Doktor)“ stemmen sich gegen mehrere der vorgeschlagenen Modelle. Ihre Einschätzung: Sie sind weder sozial verträglich noch dienen sie dem Stromnetz.
Eine Veränderung der Netzentgeltsystematik ist notwendig
Es ist keine Frage, dass wir das Stromnetz weiter ausbauen müssen, um mit den Entwicklungen Schritt halten zu können. Die Anzahl an Wärmepumpen und E-Autos steigt auch zukünftig in Deutschland an. Da jeder Ausbau ein teures Unterfangen ist, versäumte man in den vergangenen Jahren, die Kapazität stark voranzutreiben. Auch die Verteilung von Kapazitäten ist nicht immer netzdienlich erfolgt. So sind in einigen Regionen viele Erzeugungsanlagen entstanden, die regelmäßig abregelt werden müssen, da das Netz den Strom nicht mehr fassen kann. In anderen Gebieten hingegen fehlt der Strom, den man über weite Teile des Netzes dorthin bringen muss.
Die erste Anpassung der Netzentgelte, die in diesem Jahr erfolgte, sollte hier bereits für einen gerechteren Ausgleich sorgen. Doch klar ist: Wenn wir das Netz weiterhin voranbringen möchten, wird das nicht genügen. Darum ist es sinnvoll und richtig, dass die Bundesnetzagentur ein Verfahren zur „Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom“ (AgNes) eröffnet hat. Während das Diskussionspapier sich jedoch größtenteils an Verbände und Unternehmen richtet, wird eine Personengruppe schnell übersehen. Nämlich all die privaten Haushalte, die die Energiewende mit ihren Anlagen in den kommenden Jahren bereits vorangetrieben haben. 4 von 6 der diskutierten Modelle könnten sich als schädlicher für das Stromnetz erweisen, als sie ihm dienen. Insbesondere für PV-Besitzer mit Bestandsanlagen.
4 von 6 Modellen schaden Netz und Menschen eher
Das erste Modell sieht eine Zahlung eines entsprechenden Netzentgelts vor, das nicht nur für den Bezug, sondern auch die Einspeisung von Strom anfallen würde. Im besten Fall läge dieser Betrag bei 0,89 Cent pro Kilowattstunde (kWh), im schlimmsten hingegen bei 3,3 Cent pro Kilowattstunde. Und das, obwohl die Einspeisevergütung für PV-Anlagen nun bereits auf 7,94 Cent gesunken ist. Damit würden also PV-Besitzer beinahe die Hälfte der Einspeisevergütung verlieren, die sie für ihre Anlage noch erhalten können. Schlimmer noch: Denn sämtliche Anlagen, die bereits unter den Ausschluss einer Einspeisevergütung in negativen Strompreisphasen fallen, würden sogar ein Minus erwirtschaften in hunderten Stunden des Jahres. Die Kombination aus diesen Regelungen würde also nicht nur jene abstrafen, die versuchen, die Energiewende im kleinen Maßstab zu realisieren. Sie würde auch den zukünftigen Ausbau von PV-Anlagen stark ausbremsen. Ein Rattenschwanz, der sich auf lange Sicht kaum als netzdienlich erweisen kann.
Die zweite Variante sähe eine Abrechnung nach Leistungsspitzen vor, die man monatlich oder vierteljährlich berechnen würde. Auf Basis dieser höchsten Leistungsspitze möchte man dann eine Gebühr entrichten. Auch diese Variante wäre wenig zukunftsträchtig – ebenso wie Variante drei, die einen pauschalen Grundpreis für alle einführen würde. Dieser Grundpreis würde sich nicht daran orientieren, wer das Netz in welchem Maßstab benutzt, wodurch die Last ungerecht verteilt würde.
Auch Bestandsanlagen sollten zur Kasse gebeten werden
Das vierte Modell erwägt einen sogenannten Baukostenzuschuss. Dabei würden alle Personen, die eine Erzeugungsanlage errichten, eine einmalige Gebühr zahlen, die dem Netzausbau zugutekommen würde. Theoretisch wäre diese Option zwar realisierbar, es sprechen jedoch ein paar Fakten dagegen, sie als bevorzugte Variante umzusetzen. Zum einen würde der Kauf einer PV-Anlage dadurch verteuert, was in Kombination mit den schlechteren Einspeisebedingungen die Anlage weniger rentabel erscheinen lässt. Ebenso würden alle Anlagen, die die Gebühr einmal errichtet haben, danach nicht mehr aktiv zum weiteren Ausbau beitragen.
Außerdem würde sie Bestandsanlagen, die das Netz bereits kontinuierlich nutzen, außen vorlassen. Als jemand, der erst kürzlich die eigene PV-Anlage in Betrieb genommen hat, habe ich für mich intensiv darüber nachgedacht, ob eine zusätzliche Gebühr für Bestandsanlagen angemessen erscheint. Für mich lautet die Antwort auf diese Frage „ja“, aus zwei Gründen heraus. Zum einen werde ich das Netz sowohl für den Strom, den ich einspeise, als auch beziehe, weiterhin nutzen. Vor allem steht jedoch für mich im Vordergrund, dass ich möchte, dass das Netz so ausgebaut werden kann, dass auch noch Menschen nach mir zu einer PV-Anlage greifen können, um ihre Stromkosten zu reduzieren. Darum ist es für mich grundsätzlich angemessen, wenn auch Bestandsanlagen ihren Teil dazu beitragen. Die Verteilung sollte jedoch sozial gerecht und netzdienlich erfolgen, weshalb ich mich der Einschätzung anschließe: Am sinnvollsten wäre eine Kombination aus Modell 5 und Modell 6 der Bundesnetzagentur.
Kapazitätspreis und dynamische Netzentgelte statt Sonnensteuer
Anstatt eine allgemeine Abgabe einzuführen, die pauschal alle tragen müssen oder die sich auf alle Kilowattstunden verteilt, sollten wir die Netzdienlichkeit der neuen Maßnahmen jetzt in den Fokus stellen. So können wir sicherstellen, dass unser Stromnetz sich langfristig in die gewünschte Richtung entwickelt. Verpassen wir diesen Moment und eine der anderen Lösungen setzt sich durch, haben wir meiner Meinung nach lediglich ein Problem mit einem anderen getauscht, um der Sache einen neuen Farbanstrich zu liefern. Einen langfristigen Nutzen hätte niemand davon. Anders sieht es hingegen mit einer Kombination der letzten Vorschläge aus.
Das fünfte Modell des Diskussionspapiers sieht einen sogenannten Kapazitätspreis vor. Hier würde also überprüft, in welchem Ausmaß der eigene Verbrauch sowie die eigene Einspeisung das Stromnetz belasten. Das würde weder den Ausbau von PV-Anlagen ausbremsen noch jene sozial benachteiligen, die das Netz in geringem Umfang nutzen. Würden sich dynamische Netzentgelte aus dem sechsten Modell passend hinzugesellen und den Bezug und die Einspeisung dann vergünstigen, wenn es für das Stromnetz am günstigen ausfällt, könnte das eine starke Synergie für die Stromverwendung bilden. Schon heute achte ich darauf, dass meine Wärmepumpe in den Stunden durchläuft, in denen ich den meisten Sonnenstrom zur Verfügung habe. So werden geringere Mengen in das Netz eingespeist und ich kann einen guten Anteil meines Stroms selbst verbrauchen.
Ebenso könnte eine Anpassung der Dynamisierung der Netzentgelte an den regionalen Bedarf den Zubau von Erzeugungsanlagen dort begünstigen, wo man sie tatsächlich im Stromnetz benötigt. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesnetzagentur den Gegenwind gegen die anderen Vorschläge realisiert und sich verstärkt auf die netzdienlichen Aspekte fokussiert. So könnte man das Stromnetz in den kommenden Jahren belastbar und sozial verträglich ausbauen. Auch du kannst im Übrigen deinen Beitrag dazu leisten, indem du die bei WeAct gestartete Petition „Finger weg von der Photovoltaik!“ unterstützt.