Viele Reisende wiegen ihren Koffer bereits vor der Fahrt zum Flughafen. Wenn er zu Hause auf der Waage das maximale Gewicht nicht überschreitet, dann meist auch nicht beim Check-in. Beim Handgepäck wird es schon etwas kniffliger. Hier spielt nämlich auch die Größe eine Rolle. Doch ob man selbst 60 oder 90 Kilogramm wiegt, spielt bislang keine Rolle. Es gibt aber Airlines, die den Unterschied machen. Bei einer Fluggesellschaft wird jeder Passagier tatsächlich gewogen, als wäre man selbst das Gepäckstück. Was klingt wie ein absurder Kontrollwahn, hat aber handfeste Gründe.
Ein Kilo zu viel? Für manche Fluggesellschaft ein Problem
Die Fluggesellschaft Cape Air verbindet entlegene Orte mit kleinen Propellermaschinen. In den engen Kabinen der Cessna 402 mit höchstens neun Passagieren kann das Eigengewicht schnell zur statischen Herausforderung werden. Hier gilt: Gewicht ist kein ungefährer Richtwert, sondern eine berechenbare Größe. Das Wiegen der Passagiere vor Abflug ist Routine, denn jeder Sitzplatz, jedes Kilo kann über die Balance und den Schwerpunkt des Flugzeugs entscheiden. Und damit auch über die sogenannte Flugstabilität.
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Das Protokoll ist einfach: Wer eincheckt, wird höflich gefragt, was er oder sie wiegt. Ehrlichkeit wird hier zur Lebensversicherung. Nur wer korrekte Zahlen nennt, schützt sich und die Mitfliegenden. Die Crew jongliert dann, wer vorne, wer hinten sitzt, damit das Gleichgewicht stimmt. Schon ein paar zu leichtsinnige Schätzungen beim Gewicht können zum Problem werden, wie ehemalige Cape-Air-Piloten berichten: Bleibt der Schwerpunkt zu weit hinten, kann die Maschine den kritischen Moment beim Start nicht bewältigen. Mit dramatischen Folgen. Denn in der Luft ist Schwerkraft keine verhandelbare Größe.
Neues Abzockmodell für Billigflieger?
Es klingt nach Routine, doch tatsächlich kann eine falsche Gewichtsverteilung in kleinen Flugzeugen fatale Folgen haben. Fachleute warnen: Wird die Gewichtsgrenze missachtet oder der Schwerpunkt zu stark verschoben, droht schlimmstenfalls ein Kontrollverlust über das Flugzeug, das berühmte „Absturzszenario“ ist dann nicht ausgeschlossen. Bei Cape Air muss deshalb auch das Gewicht von Babys und Handgepäck korrekt angegeben, oder gar nachgewogen werden.
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Entwarnung für den Transatlantik-Flug: Die mathematische Präzision betrifft ausschließlich sehr kleine Passagiermaschinen, wie sie Cape Air und andere regionale Fluggesellschaften betreiben. Großraumjets kalkulieren weiter mit Durchschnittswerten und gewogen wird, wenn überhaupt, meist freiwillig und anonym. Das passiert beispielsweise bei Finnair, Air New Zealand, Korean Air oder Bangkok Airways. Hier geht es vor allem um statistische Datenerhebung für einen sicheren Flugbetrieb, nicht um das nackte Überleben am Himmel. Bei Ryanair, Eurowings und Co. ist es also egal, ob man 60 oder 90 Kilo wiegt. Noch, zumindest. Denn gerade Billigflieger lassen sich immer wieder neue Gebühren- und Abzockmodelle einfallen. Wer jetzt etwa seinen Sitz zurücklehnt, muss zahlen.
