Der ICE L vom spanischen Hersteller Talgo ist der erste ICE, in den du an allen Türen stufenlos einsteigen kannst. Neben dem Low-Floor-Konzept (daher der Name ICE L) bringt der Zug ein überarbeitetes Innendesign, neu entwickelte Sitze und mobilfunkdurchlässige Scheiben für spürbar besseren Empfang. Insgesamt gibt es 562 Plätze. Farbige LED-Reservierungsanzeigen zeigen freie Sitze auf einen Blick. Die Deutsche Bahn hat den neuen Zug heute öffentlich vorgestellt – knapp zwei Monate, bevor er erstmals offiziell Passagiere mitnimmt. Bisher war der Zug nur bei Probefahrten zu sehen, einzelne Waggons auch auf der Bahn-Fachmesse Innotrans. Am Berliner Ostbahnhof stellten Bahnchefin Evelyn Palla und Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder den neuen Zug vor – auf einem eigens gesperrten Bahnsteig. Reguläre Züge mussten dafür umgeleitet werden.
ICE L ist langsamer als andere ICE
Die Bahn positioniert den ICE L als Baustein für mehr Komfort und zuverlässigen Betrieb. Allerdings ist der Zug mit 230 km/h deutlich langsamer als klassische ICE. Diese bringen es technisch auf 250 bis 300 km/h. Dafür soll der barrierefreie Einstieg das Reisen für Familien, Menschen mit Rollstuhl oder viel Gepäck deutlich vereinfachen. Der Zug bietet drei Rollstuhlplätze mit elektrisch höhenverstellbaren Tischen. Der Familienbereich ist der größte in der ICE-Flotte. Erstmals gibt es auch ausdrücklich Plätze für Kinderwagen. Auch sie können natürlich ohne Stufen einsteigen, was eine echte Erleichterung für viele sein dürfte. Ebenerdige Einstiege gab es bisher nur bei Regionalzügen, S-Bahnen und U-Bahnen.
Vorsichtig sein müssen allerdings Kinder, wenn sie nicht an einer der Türen für Rollstühle oder Kinderwagen einsteigen. Denn nur an diesen gibt es einen Tritt, der die Lücke zwischen Bahnsteig und Zug schließt. Und die ist mitunter doch ganz schön breit. Insbesondere Kleinkinder könnten so bei einem falschen Tritt in den Spalt rutschen.
Technisch setzt die Baureihe auf das Talgo-Konzept mit Lok und 17 Wagen (Wendezugprinzip). Bei der Lok muss sich die Bahn aber zunächst mit einer Vectron-Lok behelfen. Die eigentlich zum Zug passende Talgo-Lok hat noch keine Zulassung. Und auch der Steuerwagen darf nicht genutzt werden. Der Zug muss also entweder mit zwei Loks vorne und hinten bespannt werden oder die Lok muss an jedem Endbahnhof umgesetzt werden. Das dürfte man sich bei der Bahn anders vorgestellt haben.
Besserer Mobilfunk, besseres WLAN, mehr Fahrräder, aber…
Die mobilfunkdurchlässigen Fenster lassen Signale ohne Repeater hindurch, was Telefonie und Surfen spürbar verbessern soll. Außerdem erhalten die Sitze an allen Plätzen Steckdosen – auch in der zweiten Klasse. Hier mussten sich bislang stets zwei Passagiere eine Steckdose teilen. Die Reihensitze kommen mit Klapptischen und Tablethalter in der Lehne des Vordersitzes. In der ersten Klasse gibt es weiterhin Sitzplätze in Zweier- und Einer-Reihen, sodass in Summe mehr Platz für alle ist.
Auch Fahrräder nimmt der ICE L mit. Doch hier müssen Radfahrer eine Kröte schlucken: Jedes Fahrrad muss ab sofort mit dem Vorderrad in eine Aufhängung auf etwa 1,80 Meter Höhe gehoben werden und hängt während der Fahrt an der Wand. Das dürfte für den einen oder anderen Radfahrer ein Kraftakt sein. Die Alternative, so sagte man uns vor Ort, sei gewesen, dass jeder ICE L nur vier Fahrräder mitnehmen kann. Bei der Bahn hat man sich aber dafür entschieden, lieber mehr Räder mitnehmen zu können: Mit der Aufhänge-Lösung sind es acht.

Ungemütlich werden könnte es im Bordrestaurant. Denn dieser Bereich mit Sitzplätzen durchmischt sich nun mit dem Bordbistro. Waren die Sitzplätze im Restaurant bisher in einem ICE in der Regel hinter der Zubereitungsküche und die Theke des Bistros davon getrennt im vorderen Bereich, so stehen nun die Kunden vorm Bistro Schlange, während rechts und links die Sitzplätze der Restaurantgäste sind. Apropos ungemütlich: Die Toiletten sind in den fabrikneuen Zügen bei der Präsentation natürlich sauber gewesen, doch sie sind extrem eng. Insbesondere beim Betreten und Verlassen heißt es: Bauch einziehen.

Hier fährt der ICE L ab Dezember

Der Fahrgastbetrieb beginnt zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2025 zunächst zwischen Berlin und Köln. Genannt sind die Umläufe ICE 1548 (ab Berlin Hbf 7:10 Uhr) und ICE 1055 (ab Köln Hbf 15:36 Uhr). Zum 1. Mai 2026 folgt Berlin–Hamburg–Westerland (Sylt), ab 11. Juli 2026 weitere touristische Linien: von Frankfurt (Main) über Hannover und von Köln über Münster nach Westerland; außerdem von Dortmund nach Oberstdorf. Perspektivisch soll der ICE L auch nach Amsterdam, Kopenhagen und Wien fahren – sobald alle Voraussetzungen vorliegen. Dabei hätte er hier eigentlich als Erstes eingesetzt werden sollen: Berlin-Amsterdam stand ursprünglich als erste Verbindung fest, musste dann aber wegen fehlender Zulassungen mit einem alten ICE besetzt werden, um die in die Jahre gekommenen IC1-Züge zu ersetzen.
Fazit: Guter Eindruck, aber Mängel im Detail
Keine Frage: Der ICE L macht auf den ersten Blick einen guten Eindruck. Auch wenn einige ihn aufgrund dessen, dass er Lok-bespannt ist, nicht als ICE anerkennen wollen, wird er seinen Dienst im Fernverkehr leisten. Allein aufgrund der Beschränkung auf 230 km/h wird er aber nie an die Leistungen eines ICE 3 herankommen.
Aus Sicht des Fahrgastes macht der Zug einen guten Eindruck. Die Sitze scheinen bequem, ob das auch bei längeren Fahrten so ist, muss sich zeigen. Die Bahn hat auch verstanden, dass Steckdosen für jeden sowie ein besseres Mobilfunknetz und WLAN für alle Fahrgäste wesentlich sind. Doch es krankt im Zug an einem: Platz. Die Toiletten sind nichts für Übergewichtige. Der Durchgang zwischen 1. und 2. Klasse ist so eng, dass selbst normale Menschen fast seitlich gehen müssen. Und auch der ein oder andere Rollstuhlfahrer könnte ein Problem bekommen, wenn sein Rollstuhl größer ist als üblich. Last, not least: Das Bordrestaurant mit dem Bordbistro und den schlangestehenden Fahrgästen zu vermischen, dürfte auch nur auf dem Papier eine gute Idee gewesen sein. Wie das alles funktioniert, muss sich ab Dezember in der Praxis beweisen. Fraglich aber, wie viel die Bahn dann noch am Innenausbau ändern lassen kann. Immerhin 79 Züge hat sie in Spanien bei Talgo bestellt.
