"Statistik manipuliert": Ist die Deutsche Bahn eigentlich noch unpünktlicher?

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Die Deutsche Bahn wird beschuldigt, gezielt Züge ausfallen zu lassen, um die Pünktlichkeits-Statistik zu verbessern. Was ist dran an den Vorwürfen und sind die Verspätungen in der Realität noch schlimmer als bisher gedacht?
Zwei ICEs der Deutschen Bahn stehen in München Hbf
Statistik gefälscht? Ist die Deutsche Bahn eigentlich noch unpünktlicher?Bildquelle: Timo Brauer / inside digital

Die Deutsche Bahn hat ein massives Problem mit der Pünktlichkeit. Das zeigt auch die offizielle Statistik, welche die Bahn jeden Monat veröffentlicht. Im August 2025 waren gerade einmal 59,6 Prozent aller Züge im Fernverkehr pünktlich. Das ist nur minimal besser als der bisherige Negativrekord von 56,1 Prozent im Juli. Doch laut einem Medienbericht werden diese Zahlen durch gezielte Zugausfälle aufgebessert.

Ab wann ist ein Zug verspätet?

Um zu verstehen, wie die Manipulation funktionieren soll, muss man wissen, wie die Deutsche Bahn die Pünktlichkeit ihrer Züge misst. Ein Zug ist nämlich nur dann unpünktlich, wenn er 6 Minuten oder mehr zu spät ankommt. Ein Zug mit 5 Minuten Verspätung oder weniger gilt also als pünktlich.

Fällt ein Zug hingegen komplett aus, gilt dieser ebenfalls nicht als verspätet und taucht gar nicht in der Statistik auf. Wenn die Bahn also berichtet, im August seien 59,6 Prozent aller Fernverkehrszüge pünktlich angekommen, dann war nicht nur 40,4 Prozent aller Fahrten verspätet, sondern eine unbekannte Anzahl an Zügen hat ihr Ziel gar nicht erreicht. Für Fahrgäste ist das in den meisten Fällen noch ärgerlicher als eine Verspätung.

Statistik manipuliert? Deutsche Bahn widerspricht

In internen Chats, die dem Spiegel vorliegen, werden eine Handvoll konkrete Fälle genannt. Etwa ein ICE von München über Köln nach Hamburg am 11. September. Dieser wurde ab Köln mit dem Hinweis „kurzfristigen Personalausfall“ gestrichen und ist anschließend ohne Fahrgäste die fast 400 Kilometer lange Strecke bis Hamburg gefahren. In internen Chats wird durch Mitarbeitende behauptet, der Zug wurde „zur Verbesserung der Statistik“ gestrichen.

Die Bahn hingegen widerspricht, dass Züge zur Verbesserung der Statistik aus dem Verkehr genommen würden: „Die im vorliegenden Fall von einem Mitarbeiter gewählte Formulierung ist falsch. Mit ihm ist bereits Kontakt aufgenommen worden“.

Wohlmöglich anderer Grund für die Ausfälle

Gerade auf langen Verbindungen ist es üblich, auf der Hälfte der Strecke das Personal zu wechseln, damit das ursprüngliche Personal die zweite Hälfte ihres Arbeitstags in einem Zug in der Gegenrichtung arbeiten kann und zum Feierabend wieder in ihrer Heimatstadt ist. Trifft das Personal aus der Gegenrichtung nicht rechtzeitig ein, etwa wegen einer Zugverspätung, kann die Reise ohne Personal nicht fortgesetzt werden.

Mit einer Flotte von über 400 Zügen und rund 750 Fahrten pro Tag würden wenige Fahrten pro Monat, die mutmaßlich zur Verbesserung der Statistik früher enden, sich ohnehin nicht maßgeblich auf die Zahlen auswirken.

Der häufigste Grund, warum eine verspätete Fahrt früher endet als geplant, ist, dass die Verspätung nicht auf die nächste Fahrt übertragen wird. Ein Beispiel: Ein ICE fährt von Köln nach Kiel und soll anschließend nach einer Stunde Aufenthalt wieder zurück nach Köln fahren. Hat der Zug nun aber bereits in Hamburg 90 Minuten Verspätung, lässt man den Zug in Hamburg enden, damit dieser von dort wieder pünktlich in Richtung Köln fahren kann. Fahrgäste, die nach Kiel reisen wollen, können einen anderen ICE oder den Regionalverkehr nutzen. Richtig ärgerlich ist es nur für Fahrgäste, die von Kiel ihre Reise starten wollten. Das wird jedoch in Kauf genommen, um Verspätungen nicht den ganzen Tag „mitzuschleppen“.

Umgangssprachlich wird diese Maßname als „Pofalla-Wende“ bezeichnet, benannt nach dem ehemaligen CDU-Politiker und Bahn-Vorstand Ronald Pofalla der dieses Verfahren in seiner Amtszeit eingeführt hat.

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