Neue Stromzonen: Stromkosten sollen je nach Region steigen/fallen

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Der eigene Wohnort könnte in den kommenden Jahren entscheidender denn je für die eigenen Stromkosten werden. Bisher zeichnet sich Deutschland als eine einheitliche Strompreiszone ab. Das könnte sich jedoch ändern. Mit gravierenden Folgen für viele Regionen in Deutschland.
Strommasten mit Stromleitungen
Neue Stromzonen: Stromkosten sollen je nach Region steigen/fallenBildquelle: Pixabay / NickyPe

Es ist nicht das erste Mal, dass darüber gesprochen wird, Deutschland in unterschiedliche Stromzonen zu unterteilen. Sowohl von der EU und von mehreren Nachbarländern ausgehend, aber auch von Brancheninsidern werden solche Vorschläge immer wieder laut. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Deutschland hat seine Stromproduktion stark verändert. Der produktionsreiche Norden liefert Unmengen an günstigem Windstrom. Davon profitiert jedoch weniger die Region als der verbrauchsstarke Süden mit seinen Industrien in Deutschland. Das führt zu einem Ungleichgewicht der Kostenverteilung, das bereits mit einer Anpassung der Netzentgelte für Gebiete entschärft wurde. Vielen Regierungschefs aus Bundesländern genügen diese Maßnahmen jedoch nicht.

Strompreiszonen sollen stärkere regionale Erzeugung begünstigen

Das Problem ist vielseitig. Es gibt etwa keine Anreize für Energieerzeuger, ihre Anlagen derzeit dort zu bauen, wo man den Strom auch konkret benötigt. Gänzlich egal, wo in Deutschland ein Windrad oder eine Solaranlage steht, die Einspeisung wird allerorts gleich vergütet. Für den Strom bezahlen ebenso alle Marktteilnehmer die gleichen Preise an der Strommarktbörse. Lediglich die Belastung der Netzentgelte richtet sich nach den regional notwendigen Ausbaumaßnahmen. Ebenso wie an den erforderlichen Redispatch-Maßnahmen. Mit diesem Begriff bezeichnet man manuelle Eingriffe der Versorgung in die Stromerzeugung.

Erzeugen die Windräder etwa mehr Energie, als derzeit vom lokalen Netz aufgenommen werden kann, müssen sie gegebenenfalls abgeregelt werden. Damit den Betreibern dabei kein finanzieller Schaden entsteht, enthalten diese Entschädigungszahlungen. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch auch: Jeder könnte auch in Regionen, in denen bereits Überproduktionen vorkommen, weitere Erzeugungsanlagen bauen und durch Entschädigungszahlungen die Kosten für die Allgemeinheit erhöhen. Und das ohne vollen Nutzen der Anlage für das Stromnetz. Würden Strompreiszonen hingegen bessere Bedingungen dort schaffen, wo der Strom auch direkt auf kürzeren Lieferwegen verbraucht würde, sähe das anders aus. Die gleiche Erzeugungsanlage könnte hier womöglich mit nur wenigen Abregelungen auskommen und die zusätzliche Erzeugung von Strom aus teuren Quellen verhindern. Kein Wunder also, dass eine Maßnahme, die genau das bewirken könnte, sogar parteiübergreifend auf Zustimmung unter Regierungsoberhäuptern stößt.

Strommast vor Wohngebiet
Regionale Preisunterschiede bei Strompreiszonen würden Strommarkt stark prägen

Regierungschef aus nördlichen Bundesländern wollen Strommarkt-Reform

Gleich mehrere Stimmen äußerten sich dem Handelsblatt gegenüber zu einer Abschaffung der bislang einheitlichen Stromgebotszone in Deutschland. Darunter etwa Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sowie der brandenburgische Regierungschef Dietmar Woidke (SPD). Gerade die Bundesländer der nördlichen Politiker würden von dieser Maßnahme profitieren. Für die windreichen Regionen käme es zu deutlich sinkenden Strompreisen. Die industriestarken Bundesländer, die bisher selbst jedoch wenig Strom produzieren, wie Bayern oder Baden-Württemberg, wären jedoch mit höheren Preisen konfrontiert.

Eben jene Preise könnten jedoch in Kombination mit angepasster Einspeisevergütung genau den gewünschten Effekt erzielen. Nämlich den Bau von Erzeugungsanlagen genau in der Nähe dieser starken Verbrauchsregionen. So äußerte sich Tschentscher gegenüber dem Handelsblatt, dass unterschiedliche Stromgebotszonen ein „starker marktwirtschaftlicher Anreiz für einen sinnvollen regionalen Ausbau der Stromnetze und der regenerativen Stromproduktion sowie für den Einsatz innovativer Technologien“ seien. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Günther wiederum sagte, dass eben jene unterschiedlichen Zonen die Preissignale an den Markt liefern würden, die den tatsächlichen Knappheitsverhältnissen in den Regionen entsprechen. „Damit kann der Marktpreismechanismus seine Stärken ausspielen.“ Brandenburgs Ministerpräsident Woidtke wiederum hebt hervor, dass diese Strompreiszonen auch eine passende Lösung darstellen, wenn der Netzausbau nicht in ausreichendem Maße vollzogen wird.

Deutschland steht seit Längerem bei EU-Staaten in der Kritik

Damit schlagen die Regierungschefs in dieselbe Kerbe, wegen der Deutschland schon seit Jahren in Europa kritisiert wird. Der Verband der europäischen Stromübertragungsnetzbetreiber Entso-E hatte schon Ende April empfohlen, die einheitliche deutsche Stromgebotszone abzuschaffen. Bisher hält Deutschland jedoch unverändert an der einheitlichen Stromgebotszone fest. Ein Umstand, den auch die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD derzeit nicht zu ändern beabsichtigt. Solange das Dilemma um die hiesigen Strompreise und die Belastung daraus nicht gelöst ist, dürfte das Thema jedoch nicht zum letzten Mal aufgekommen sein. Der Druck auf Regierung und Märkte könnte in den kommenden Monaten zunehmen. Insbesondere mit der ausstehenden Netzentgelt-Reform der Bundesnetzagentur, deren finale Form sich noch in der Ausarbeitung befindet. Auch sie erwägt bereits regionale Anpassungen, um die tatsächlichen Knappheiten und Überangebote abzubilden. Selbst ohne Zutun der Regierung könnten wir also eine Variante von „Strompreiszonen“ durch regional angepasste Netzentgelte erhalten.

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