Nach drastischer Kabel-TV-Änderung: Dieser TV-Dienst blieb völlig auf der Strecke

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Es sind erschreckende Zahlen, die der freenet-Konzern heute vorgelegt hat. Ein einstiges Prestigeobjekt liegt am Boden und dürfte wohl auch keine Zukunft haben. Es geht dabei um ein TV-Angebot des Konzerns.
Eine Fernbedienung mit einem Aus-Knopf im Fokus

TV-Sender wird abgeschaltet


Es ist jetzt fast ein Jahr her, dass sich der TV-Markt in Deutschland gravierend änderte. Zum 1. Juli 2024 endete das sogenannte Nebenkostenprivileg. Millionen Haushalte, die bis dahin mit Kabel-TV „zwangsversorgt“ wurden, müssen sich seitdem um ihre TV-Versorgung kümmern. Rahmenverträge der Hausverwaltungen, die über die Nebenkostenabrechnung an Mieter weitergereicht wurden, sind seitdem verboten. Die Hoffnung der TV-Branche: eine Verlagerung der Kunden weg vom Kabel, hin zu Streaming oder anderen Empfangswegen wie DVB-T, während die Kabelanbieter hofften, möglichst viele Kunden halten zu können. Was hat sich seitdem getan – und was hat freenet damit zu tun?

Kabelanbieter verlieren Millionen TV-Kunden

Wenig überraschend haben die Kabelnetzbetreiber Vodafone und Pyur als die größten in der Branche Millionen Kundenbeziehungen verloren. Das resultiert zum einen daraus, dass sich einige Kunden aktiv für einen anderen Empfangsweg wie Satellit oder Streaming entschieden haben. Aber auch daraus, dass viele Kunden fürs Kabelfernsehen unfreiwillig gezahlt haben dürften, ohne den Dienst überhaupt zu nutzen.
So verlor Vodafone zwischen dem 1. Quartal 2024 und dem 1. Quartal 2025 in Summe 3,005 Millionen zahlende Kunden. Den Geschäftszahlen zufolge versorgt man heute noch etwa 8,753 Millionen Kunden. Tele Columbus (Pyur) verlor im Verlauf des Jahres 2024 ganze 692.000 Kunden und versorgte zuletzt noch etwas mehr als eine Million Kunden mit Fernsehen. Zahlen für das 1. Quartal 2025 liegen noch nicht vor.

Streamingdienste als große Gewinner

Jubeln dürfen Streaming-Anbieter. Zwei von ihnen machen ihre Zahlen öffentlich. Die Deutsche Telekom hat mit MagentaTV binnen Jahresfrist 275.000 Kunden gewonnen und zählte zuletzt 4,675 Millionen Kunden. Prozentual noch deutlicher war die Steigerung bei freenet – genauer bei waipu.tv. Hier gewann man 407.000 Kunden binnen Jahresfrist und versorgte zuletzt 2,477 Millionen Kunden. Von Streaming-Diensten wie Zattoo liegen keine Zahlen vor, und auch zahlreiche lokale Stadtnetzbetreiber oder private Glasfaseranbieter berichten diese Zahlen nicht. Es ist aber zu vermuten, dass auch sie hinzugewonnen haben dürften.

Antennen-TV versinkt in der Bedeutungslosigkeit

Während freenet bei den steigenden Zahlen des Streaming-Dienstes waipu.tv über die Beteiligung an der Betreiberfirma Exaring AG jubeln dürfte, sind andere freenet-Zahlen ernüchternd – nämlich jene für das ebenfalls von freenet betriebene freenet TV, das Antennenfernsehen in Deutschland. Die Kundenzahlen dort sind im freien Fall, und nicht einmal kurzfristig im vergangenen Sommer ist durch den Umbruch beim Kabel-TV eine Trendumkehr zu erkennen.

Binnen Jahresfrist verlor man 86.000 Kunden, heißt es in den aktuellen Geschäftszahlen. Das klingt wenig, ist allerdings angesichts einer verbleibenden Kundenbasis von nur noch 476.000 Kunden in ganz Deutschland gravierend. Noch gravierender wird es, wenn man den Sendeaufwand dagegenstellt. Die von freenet übernommene Kölner Firma Media Broadcast betreibt in ganz Deutschland 62 Sendestandorte, meist auf Fernsehtürmen, um den Dienst anbieten zu können.

Der Betrieb dieser Standorte ist kostenintensiv, denn es müssen Flächen angemietet werden, das Sendesignal muss zum Sender kommen, und Strom muss bezahlt werden. Insbesondere der Strombedarf dürfte hier ein echter Kostenfaktor sein. Bei einem vergleichsweise starken DVB-T2 HD-Sender mit 50 kW ERP kann man davon ausgehen, dass die Stromkosten pro Jahr durchaus sechsstellig sind. Bedenkt man, dass rein rechnerisch pro Fernsehturm gerade einmal 7.600 Kunden versorgt werden, die bestenfalls 8 Euro im Monat zahlen, kommt man auf Grundkosten von etwa 730.000 Euro im Jahr, die freenet TV einnehmen kann. Unterm Strich dürfte freenet TV somit unterm Strich bestenfalls ein Nullsummenspiel für den freenet-Konzern sehen. Bei weiter sinkenden Abozahlen dürften die Zahlen schnell rot werden.

Ende von DVB-T absehbar

Ohnehin ist das Ende der terrestrischen TV-Übertragung abzusehen. Die aktuellen Frequenzzuteilungen enden 2030. Angesichts der desaströsen Entwicklung ist kaum davon auszugehen, dass freenet die Lizenzen verlängern wird. Gleichzeitig schielen Mobilfunker und Bundeswehr auf die Frequenzen und wollen sie für ihre Zwecke nutzen.

Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die Bundeswehr erstmals offengelegt hat, welche Funkfrequenzen sie im Verteidigungsfall benötigt. Besonders begehrt genau das von freenet TV verwendete UHF-TV-Band zwischen 470 und 694 MHz. Auch Kulturanwendungen wie drahtlosen Mikrofonen sind in diesem Bereich. Die Bundeswehr fordert Frequenzen nicht nur für Kasernen, sondern auch für mobile Einsätze entlang von Marschrouten. Kritiker wie die Initiative „SOS – Save Our Spectrum“ warnen vor erheblichen Störungen bei Veranstaltungen und Produktionen. Auch die Mobilfunkanbieter wollen die Frequenzen gerne nutzen, um ihre Netze weiter auszubauen.

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