In zwei Schritten zum Stromnetz 2.0 – neue Kraftwerksstrategie soll Netz retten

4 Minuten
Die Verhandlung über die neue Kraftwerksstrategie hielten Monate in der Bundesregierung an. Jetzt soll ein Kompromiss den erwünschten Erfolg liefern und das deutsche Netz für die Energieerzeugung der Zukunft rüsten. In zwei Stufen soll Deutschlands Stromversorgung gesichert und verbessert werden.
In zwei Schritten zum Stromnetz 2.0 – neue Kraftwerksstrategie soll Netz retten
In zwei Schritten zum Stromnetz 2.0 – neue Kraftwerksstrategie soll Netz rettenBildquelle: Foto von Jason Blackeye auf Unsplash

Netzbetreiber erwarteten die Kraftwerksstrategie für Deutschland bereits sehnsüchtig. Nun konnte sich die Bundesregierung endlich auf einen Kompromiss für den Bau von neuen Kraftwerken verständigen. Mit diesen Anpassungsmaßnahmen soll das Stromnetz in Deutschland für die weitere Energieversorgung optimiert werden. Die Veränderungen sollen dabei in zwei Stufen erfolgen.

Kraftwerksstrategie beginnt mit Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken

Um Deutschlands Stromversorgung für die Zukunft zu rüsten, sollen weitere Gaskraftwerke entstehen, die zukünftig auch mit Wasserstoff betreibbar sind. Dabei möchte die Regierung nicht nur die Bauinvestitionen (Capex), sondern auch den späteren Betrieb der Anlagen (Opex) fördern. So soll sichergestellt werden, dass die Erbauer die Gaskraftwerke möglichst schnell aufbauen können. Geplant ist, die neuen Gaskraftwerke zwischen 2035 und 2040 vollständig auf Wasserstoff umzustellen. Dazu sollen die neuen Gaskraftwerke bevorzugt an Standorten aufgebaut werden, die die Stromversorgung gut absichern, ohne zugleich eine Belastung der Netze zu riskieren.

Einen genaueren Zeitplan für den Umstieg auf Wasserstoff will die Bundesregierung dabei bis 2032 beschließen. Zum jetzigen Zeitpunkt könnte eine solche Aussage auch noch gar nicht verbindlich getroffen werden. Zu groß sind die vielen Fragezeichen, von denen letztlich abhängt, wie viel Wasserstoff auf dem weltweiten Markt überhaupt zur Verfügung stehen wird. Eine vollständige CO₂-freie Stromversorgung bis 2035, wie die Grünen sie gern realisiert hätten, scheint damit unmöglich. Ob ein tatsächlicher Umstieg auf Wasserstoff wirtschaftlich ausfällt, selbst wenn die Option zur Verfügung steht, bleibt ebenso zu bezweifeln. Viel hängt hierbei von den Fortschritten anderer Pilotprojekte und Anlagen ab, die Wasserstoffquellen in Deutschland selbst erschließen sollen. Ein solches Beispiel stellen Offshore-Konzepte für Windkraftanlagen im Meer dar, die Wasserstoff direkt aus dem mit Windkraft gewonnenen Strom herstellen könnten. Durch die Verteuerung zahlreicher Bauprojekte wegen der zuletzt hohen Inflation könnte man jedoch viele der ursprünglich angepeilten Projekte gar nicht erst realisieren.  

Freigabe aus Brüssel muss erfolgen, bevor Kraftwerksstrategie starten kann

Bevor der geförderte Neubau der Gaskraftwerke überhaupt beginnen kann, muss er mit der Brüsseler Wettbewerbskommission abgestimmt werden. Obwohl sich das Wirtschaftsministerium bereits im Sommer 2023 auf eine grundsätzliche Förderung für diese Bauprojekte geeinigt hat, fehlt die Freigabe aus Brüssel weiterhin. Da die Umstellung der Kraftwerke auf Wasserstoff ab 2035 recht spät angesetzt ist, bleibt offen, auf wie viel Gegenliebe der Vorschlag in der EU-Kommission stößt. Insbesondere, da die Quellen des Wasserstoffes für die Kraftwerke nicht näher eingegrenzt worden. Somit ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar, ob lediglich Wasserstoff aus erneuerbaren Energien für die Gaskraftwerke in Betracht käme oder auch Wasserstoff, den man mithilfe von Erdgas oder Atomstrom gewann. Diese Hintertür dürfte die Kraftwerksstrategie bewusst offenhalten, da die Entwicklung des Wasserstoffmarktes international von zu vielen Faktoren abhängt. Eine Planung rein auf Wasserstoff aus erneuerbaren Energien wäre somit nicht umsetzbar.

Zweite Stufe soll Kapazitätsmarkt bringen

Nach dem Bau der neuen Gaskraftwerke soll der nächste Schritt für die Restrukturierung des deutschen Stromnetzes folgen. Spätestens zum Jahr 2028 soll ein sogenannter Kapazitätsmarkt starten. Über diesen sollen Kraftwerke einen Bereitschaftsdienst für stromarme Stunden leisten. Der große Unterschied liegt dabei darin, dass man nicht mehr nach Kilowattstunden abrechnet, sondern nach der bereitgestellten Leistung vergütet. Selbst dann, wenn man diese überhaupt nicht benötigt. Die Gaskraftwerke sollen somit als Ausgleich dienen, wenn andere erneuerbare Energien in Dunkelflauten nicht genügend Strom erzeugen. Da die Ausgestaltung eines solchen Zweitmarktes jedoch als besonders aufwendig und zeitraubend gilt, dürften die Genehmigungsverfahren in Brüssel hier besonders lange dauern. Über die genauen Details zum Kapazitätsmarkt möchte sich die Regierung noch bis spätestens Sommer 2024 einigen.

Der Umbau der deutschen Kraftwerksparks ist nötig, wenn Deutschland eine sichere und zukunftsfähige Energieversorgung erreichen möchte. Insbesondere, wenn der gewünschte Kohleausstieg gelingen soll. Bis 2030 möchte die Regierung bis zu 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen beziehen. Ein ambitioniertes Ziel, das vorwiegend im Ausbau der Windkraft-Kapazitäten noch auf viele Hürden trifft. Was in der bisherigen Kraftwerksstrategie noch fehlt, ist ein passender, zusätzlicher Ausbau der Stromleitungen innerhalb Deutschlands. Lokale Kraftwerke könnten zwar zu einer Entlastung führen, da man regional weniger Strom aus anderen Regionen Deutschlands beziehen müsste. Die Leitungen sind jedoch nach wie vor nicht auf die veränderten Stromerzeugung in Deutschland angepasst worden. Die größte Menge an erneuerbarem Strom liefern heute Windparks im Norden Deutschlands, sogenannte Stromautobahnen, die Strom vom Norden erfolgreich nach Süden transportieren, fehlen aber weiterhin. Der Kraftwerksbau allein kann die Probleme des Stromnetzes somit nicht lösen, bietet für die Netzbetreiber jedoch einen Fahrplan zur Gestaltung neuer Leitungen.

Und was sagst du?

Bitte gib Dein Kommentar ein!
Bitte gibt deinen Namen hier ein