Das Live-Action-Remake von Lilo & Stitch ist ein voller Erfolg. Am Eröffnungswochenende in den USA hat diese Realverfilmung des Disney-Klassikers 183 Millionen Dollar eingespielt. Das ist mehr als das Original aus dem Jahr 2002, das im selben Zeitraum 145 Millionen Dollar eingebracht hatte. Dennoch regen sich viele Fans über bestimmte Veränderungen an den Figuren oder der Handlung auf. Persönlich finde ich, dass viele dieser Änderungen Lilo & Stitch zu einer der am wenigsten katastrophalen Live-Action-Adaptionen der letzten Jahre machen.
Ich habe mir Lilo & Stitch letztes Wochenende mit meiner Schwester angeschaut. Abgesehen davon, dass wir beide schockiert festgestellt haben, dass das Original 2002 herauskam – also vor 23 JAHREN –, hat uns der Film ziemlich gut gefallen. Selbst einige der Änderungen oder Auslassungen im Vergleich zum Original erschienen mir positiv. Zum Beispiel Nani, Lilos große Schwester, die im Remake deutlich unabhängiger dargestellt wird. Oder das vollständige Fehlen von Captain Gantu, dem Bösewicht des Originalfilms. Sogar der Verzicht darauf, dass Agent Pleakley sich wie im Zeichentrickfilm regelmäßig verkleidet, hat mir gefallen.
All diese Abweichungen im Remake machen den Film für mich besser. Ein Teil der Fans sieht sie jedoch als Beleidigung der Botschaft des Originals. Ich bin nicht unbedingt dieser Meinung, auch wenn ich manche Argumente in diese Richtung durchaus interessant finde. Und übrigens – auch ich finde, dass das Lilo & Stitch von 2025 einige unverzeihliche Fehler macht.
Lilo hat nichts mehr mit dem Original zu tun
Im Animationsfilm von 2002 ist Lilo ein besonderes kleines Mädchen. Sie hat eine sehr eigenwillige, „outside-the-box“-Art von Intelligenz, kombiniert mit einer überbordenden Fantasie, die sie kreativ, sensibel und manchmal neurotisch macht.
Sie hat weder die emotionale Reife noch die emotionale Intelligenz – geschweige denn die Sorgen oder Interessen – eines Kindes in ihrem Alter. Und dieser Eindruck verstärkt sich durch den Kontrast zu den anderen Kindern in Lilos sozialem Umfeld, die gemein sind und ihre Art nicht wirklich verstehen. Gemein, wie Kinder, die das ablehnen oder fürchten, was sie nicht kennen.
Die Lilo im Remake von 2025 ist deutlich „normaler“. Sie hat eine kindlichere Persönlichkeit. Und das ist nicht negativ gemeint – sie kümmert sich um das Wohl der Tiere, hat immer noch ihre verformte Puppe, die eine Kopfoperation braucht. Aber sie entspricht mehr dem Bild, das ich mir von einem Kind in ihrem Alter mache. Oder vielleicht eher dem Bild, das ich mir von mir selbst in dem Alter mache?

Wie dem auch sei – diese Darstellung von Lilo hat einige Zuschauer gestört. Das Problem sei, dass die Figur von Lilo an Tiefe verloren habe. Diejenige, die im Original introvertierten Kindern Mut machte, zu sich zu stehen und ihre Persönlichkeit zu erkunden, sei nur noch eine leere Hülle eines Durchschnittskindes geworden.
Ich finde, das Gegenteil ist der Fall. Diese Entscheidung macht Lilo menschlicher und erleichtert die Identifikation mit ihr. Kennst du viele Kinder unter zehn Jahren (die animierte Lilo ist sechs, Maia Kealoha im Remake ist acht), die Elvis Presley auf einem Plattenspieler hören und ihre Fotos selbst entwickeln – so wie im Originalfilm? Ich nicht.
Der einzige Moment, in dem mich die „Normalisierung“ von Lilo als Kind gestört hat, war ihre Beziehung zu Stitch und zur Welt um sie herum. Das ist eine sehr persönliche Interpretation, aber ich habe das Gefühl, dass die Lilo aus dem Original besser versteht, was um sie herum geschieht. Sie ist sich der Gefahr durch das Jugendamt für den Zusammenhalt ihrer Familie bewusster. Und sie versteht auch schneller, dass Stitch kein gewöhnlicher Hund ist, sondern etwas ganz Besonderes.
Nani verlässt ihre Ohana
Nani ist Lilos große Schwester. Seit dem Tod ihrer Eltern kümmert sie sich um Lilo wie um ihr eigenes Kind – ein Phänomen, das man „Parentifizierung“ nennt. Sie stellt ihre eigenen Wünsche zurück und stellt Lilos Bedürfnisse in den Vordergrund. Das Remake greift diese Familiendynamik auf, aber in abgeschwächter Form – und genau das stößt einigen Zuschauern sauer auf. Im Lilo & Stitch von 2025 wird Nani vorgeworfen, Lilo zu verlassen.
Der ganze Film kreist um das Konzept der „Ohana“. „Ohana bedeutet Familie, und Familie heißt, dass niemand zurückgelassen oder vergessen wird.“ Das ist beinahe der Familienspruch der Pelekais (so heißen Lilo und Nani mit Nachnamen). Dieser Leitsatz wird im Original wie auch im Remake mehrfach betont.
Doch am Ende des Remakes geht Nani nach Kalifornien, um Meeresbiologie zu studieren. Die Vormundschaft über Lilo übernimmt Tūtū, ihre Nachbarin, die bereits im Film wie eine liebevolle Ersatzgroßmutter auftritt. Diese Figur ist eine völlige Neuerfindung des Remakes und kommt im Original von 2002 überhaupt nicht vor.

Kritiker dieser Änderung argumentieren, dass dadurch die enge Beziehung zwischen Lilo und Nani verwässert werde – schließlich ist Nani Lilos Ersatzmutter und dürfe sie nicht „verlassen“. Ich finde allerdings, dass diese Veränderung Nanis Figur deutlich mehr Tiefe verleiht. Sie befreit sich aus der Parentifizierungsrolle und dem Zwang, eine „gute Mutter“ sein zu müssen – ein Anspruch, der insbesondere an Frauen in dieser Rolle oft sehr hart gestellt wird.
Sie lässt Lilo in sehr guten Händen zurück. Oma Tūtū ist praktisch ein Familienmitglied. Lilo bleibt in einer gesunden, vertrauten Umgebung, umgeben von Menschen, die sie lieben. Nani hingegen kann studieren, um später bessere Perspektiven für sich und ihre Schwester zu schaffen. Lilo & Stitch spielt in den USA – dort ist es alles andere als einfach, alleinerziehend, ohne Abschluss, mit Kind (und einem Alien!) zurechtzukommen.
Außerdem hat Nani sich diesen Traum lange verwehrt – eben, weil sie Lilo nicht verlassen wollte. Ganz am Anfang des Films erfahren wir sogar, dass sie ihren Zulassungsbescheid zur Uni in den Müll geworfen hatte (den Tūtū allerdings herausgefischt hat).
Agent Pleakley: Whitewashed und ent-queert
Das ist der Punkt, der die meisten Emotionen ausgelöst hat. Es geht um Agent Pleakley, einen der Aliens, die Stitch im Auftrag der intergalaktischen Föderation zurückholen sollen. Im Originalfilm zeichnet er sich dadurch aus, dass er sich zusammen mit seinem Kollegen Dr. Jumba in Frauenkleider wirft, um auf der Erde unauffälliger zu sein.
Der Witz bestand darin, dass er sich als Frau mit Kleidern und Perücken verkleidete – aber sein alienhaftes Aussehen war trotzdem nicht zu übersehen.
Im Remake von 2025 gibt es diese albernen Kostüme nicht mehr. Pleakley und Jumba nutzen gentechnische Replikationstechnologie, um menschliche Gestalt anzunehmen – zwei völlig durchschnittliche weiße Männer. Pleakley hat auch kein genderfluides Aussehen mehr. Regisseur Dean Fleischer Camp sagte, man habe es versucht, aber es habe einfach nicht funktioniert.
Ich war acht Jahre alt, als ich den Originalfilm gesehen habe. Ich wusste damals nicht, was eine queere Ikone ist oder was Crossdressing über „das ist lustig“ hinaus kommunizieren kann. Trotzdem finde ich die Darstellung von Pleakley im Remake sehr steril – das nimmt der Figur einiges an Reiz. Und ich glaube auch nicht, dass es dem Publikum geschadet hätte, diesen Aspekt beizubehalten.

Ich würde aber nicht so weit gehen wie einige Kritiker, die behaupten, man habe Pleakley bewusst „heteronormativer“ gemacht, um konservative Zuschauer nicht zu verärgern. Ich denke, die Gründe sind eher finanziell und technisch.
Finanziell deshalb, weil die Agenten der Schauspieler, die Pleakley und Jumba sprechen, darauf bestanden haben, dass ihre Gesichter auch zu sehen sind. Wie in Filmen, in denen alle Figuren mit Helm ständig den Helm abnehmen müssen, damit man die Stars erkennt.
Und vielleicht funktioniert der Crossdressing-Gag in Live-Action einfach nicht. Ich fand das Design von Pleakley und Jumba persönlich abstoßend. Schon im Animationsfilm war Jumba gruselig. Aber im Remake sehen sie regelrecht ekelhaft aus. Pleakleys Haut – wenn er nicht menschlich aussieht – ist schleimig und glitschig. Diese Unannehmlichkeit im Design gab es im Original nicht. Das ist ein generelles Problem vieler Realverfilmungen: Der Versuch, Figuren „realistischer“ zu machen, macht sie oft einfach hässlich.
Ich glaube auch, dass die Kombination aus hyperrealistischem Design und alberner Verkleidung meine Bereitschaft zur „suspension of disbelief“ überfordert hätte – es hätte mich aus dem Film gerissen. Aber warum hat man Pleakley dann nicht einfach als sich verkleidenden Menschen dargestellt?

Captain Gantu: Komplett Gestrichen
Das ist die größte Abweichung zwischen dem animierten und dem Live-Action-Lilo & Stitch. Der große Bösewicht, Captain Gantu mit seinem Walhai-Kopf, wurde komplett gestrichen. Stattdessen übernimmt Dr. Jumba im Remake die Rolle des Antagonisten. Regisseur Dean Fleischer Camp erklärte gegenüber CinemaBlend: „Gantu war eine dieser Figuren, die in Realverfilmung einfach nicht funktioniert haben. Wir haben ein bisschen mit ihm experimentiert, aber am Ende mussten wir eine Entscheidung treffen – und ich stehe zu dieser Entscheidung. Denn wenn man die Figuren tiefer anlegen und die emotionale Geschichte zwischen den Schwestern glaubwürdig erzählen will, muss man dafür Raum schaffen.“

Erinnert ihr euch, als ich von der Grenze meiner Glaubensbereitschaft gesprochen habe? Ja – Captain Gantu hätte sie gesprengt.
Ich verstehe aber auch die Kritik, dass Jumba nun ohne jeglichen Erlösungsbogen als Bösewicht dasteht. Wenn man bedenkt, wie sehr er am Ende des Originals und in den Fortsetzungen Teil von Lilos Ohana wird, ist seine Rolle im Remake durchaus als enttäuschend zu empfinden.
Aaaaaber… Ich fand Gantu immer schon flach und eindimensional. Der klassische Bösewicht, der böse Dinge tut, weil er halt böse ist. Ihn im Remake wegzulassen, schafft mehr Raum für die Beziehung zwischen Lilo und Nani – und das finde ich positiv.
Die wahren Sünden des Lilo & Stitch-Remakes
Mir hat die Realverfilmung von Lilo & Stitch gefallen. Fand ich sie besser als das Original? Natürlich nicht. Schon der Anfang des Films hat mich gestört. Die Einführung geht viel zu schnell. Das Remake nimmt sich nicht die Zeit, Stitch als echte Bedrohung darzustellen – als Monster, als gefühllose Killermaschine. Er wird sofort nach dem Kennenlernen mit Lilo freundlich.
Im Original ist das viel nuancierter. Stitch ist anfangs böse und bleibt es eine ganze Weile. Erst als Lilo ihn zurückweist, erkennt er den Wert von Familie. Die ganze Szene mit der Parallele zum „hässlichen Entlein“ fehlt im Remake komplett.
Ein weiterer Schwachpunkt ist meiner Meinung nach die Besetzung von Cobra Bubbles, dem CIA-Agenten und Sozialarbeiter in einer Person. Courtney B. Vance hat einfach nicht die bedrohliche Ausstrahlung oder körperliche Präsenz der Figur aus dem Zeichentrickfilm. Am schlimmsten finde ich: Der Originalsprecher war Ving Rhames – der hätte viel besser gepasst!

Und zuletzt, nicht zu vergessen: die berühmte Portal-Kanone aus dem gleichnamigen Videospiel, mit der Nani am Ende ihre Schwester an der Uni besucht. In der Post-Credit-Szene teleportiert sich Nani mit dieser Waffe, die einst Jumba gehörte.
Aber wie bitte hat Nani eine außerirdische Waffe im Koffer von Hawaii nach Kalifornien transportiert? Hat sie ohne Probleme die Flughafen-Security passiert? Da muss ich sagen: Stopp. Dieses Remake ist einfach völlig unrealistisch!
