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Amazon mit radikaler Änderung: Käufer müssen jetzt gut aufpassen

4 Minuten
Auf Amazon können Käufer fast alles finden. Von Schnellheftern bis zu Fernsehern und von Qualitätsware bis zum Schund. Die Unterscheidung zwischen letzteren war bisher ziemlich einfach. Doch jetzt könnten minderwertige Waren erheblich von einer neuen Bewertungsanzeige profitieren. Ein Kommentar.
Amazon App
Amazon ändert seine BewertungsanzeigeBildquelle: Daria Nipot / shutterstock.com

Bei Amazon handelt es sich bescheiden ausgedrückt um einen der hierzulande beliebtesten Online-Versandhändler. Zwar steht das Unternehmen des Öfteren und vermutlich auch gerechtfertigt sowohl in der Kritik als auch vor Gericht. Doch aus Kundensicht zeigt sich Amazon unkompliziert, schnell und kulant. „Unkompliziert“ sollte in dieser Auflistung jedoch künftig in die Vergangenheitsform überführt werden. Denn kürzlich erfolgte Änderungen an der Bewertungsanzeige bringen zahlreiche Probleme mit sich.

Amazon mit neuer Bewertungsanzeige

Wer der Tage wie gewohnt die Amazon-Shopping-App auf seinem Smartphone anvisiert, um nach einem neuen Produkt Ausschau zu halten, wird auf eine nagelneue Bewertungsanzeige stoßen. Diese hat der US-amerikanische Versandhändler ohne große Worte in einigen Ländern eingeführt – darunter auch Deutschland. Am Desktop-PC und auf dem Heimatmarkt findet sich derweil nach wie vor die altbekannte Ansicht. Und dafür gibt es gute Gründe.

Was Amazon dazu veranlasst hat, seine Bewertungsanzeige anzupassen, ist unklar. Wir haben bei dem Versandhändler nachgefragt, erhielten jedoch keine eindeutige Antwort. Über mögliche Vorteile des neuen Systems können wir daher lediglich Mutmaßungen anstellen. Ein anderer Aspekt liegt derweil auf der Hand: die Nachteile für die Endverbraucher. Und diese können durchaus beachtlich ausfallen.

Nur ein Stern und eine Prozentanzeige

Bevor ich auf die Nachteile der neuen Bewertungsanzeige eingehe, muss zuerst die Anzeige selbst mit einigen Worten erläutert werden. Früher bestand diese auf den Produkt-Übersichtsseiten aus einer Durchschnittsbewertung auf einer fünfstelligen Sterne-Skala und der Gesamtanzahl der Bewertungen. In der US-amerikanischen Variante der App ist es noch immer der Fall, wie sich gezeigt hat. Doch in der deutschen Version eröffnete sich uns ein gänzlich anderes Bild.

Amazon App
Amazons DE-Bewertungsanzeige (links) und US-Bewertungsanzeige (rechts)

Zunächst einmal ersetzte Amazon die Sternebewertungen mit einem einzelnen Stern-Symbol. Das ist nicht weiter schlimm, da daneben nach wie vor die dazugehörige numerische Zahl eingeblendet wird. Darüber hinaus entfernte Amazon jedoch die Anzeige zur Anzahl der Bewertungen und ersetzte diese mit einer Prozentanzeige. Aus letzterer lässt sich allerdings nur ablesen, wie viele Prozent der Rezensenten mehr als vier Sterne vergaben. Sonst nichts.

Wo ist nun das Problem?

Bei einem journalistischen Artikel ist nicht die Nachricht das wirklich Wichtige, sondern die Quelle. Denn ist die Quelle nicht vertrauenswürdig, kann man sich auch auf die Nachricht nicht verlassen. Und auch mit Produktbewertungen ist es ähnlich. So hat eine Gesamtbewertung kaum bis gar keine Aussagekraft, wenn nicht genug Käufer dahinterstehen, die das Produkt erworben und eigenständig getestet haben. Doch genau diese Anzeige – die Zahl der Bewertungen – verwehrt Amazon nun auf seinen Produkt-Übersichtsseiten. Daher sind potenzielle Käufer gezwungen, jedes einzelne Produkt in der Liste anzuklicken, nur um anschließend auf der jeweiligen Produktseite festzustellen, dass hinter einer 5,0-Bewertung lediglich eine Person steht, während eine auf den ersten Blick schlechtere 4,7-Bewertung von tausenden Nutzern gedeckt wird. Mal eben durch die Liste scrollen und nach den passendsten Produkten Ausschau halten, ist folglich nicht mehr möglich.

Noch schlimmer ist jedoch eine andere mögliche Auswirkung: Weniger technikaffine Nutzer könnten von der intransparenten Anzeige getäuscht werden und daher Produkte von mangelhafter Qualität erwerben. Denn im Gegensatz zu anderen, in sich geschlossenen Online-Händlern, bieten auf Amazon auch zahlreiche weitere Händler ihre Produkte zum Verkauf an. Und diese sind gelegentlich von minderwertiger Qualität. Früher ließen sich potenziell mangelhafte Produkte anhand der Anzahl an Bewertungen erkennen. Doch nun ist dies nicht ohne Weiteres möglich.

Dieser Umstand stellt übrigens auch eine mögliche Erklärung dafür dar, warum Amazon sich für eine neue Bewertungsanzeige entschied. So waren bisher auch viele qualitativ hochwertige Produkte mit wenigen Bewertungen aufgrund des Winner-takes-all-Prinzips dazu verdammt, ein unauffälliges Dasein zu fristen. Denn gegen möglicherweise objektiv schlechtere und teurere Konkurrenzgeräte mit besseren Bewertungen konnten diese bisher nicht viel ausrichten. Und dennoch: So vorteilhaft dieser Aspekt der Änderung auch sein mag, die daraus entstandenen negativen Konsequenzen scheinen kurzerhand auf die Rücken der Verbraucher abgewälzt worden zu sein.

Was können Verbraucher tun?

Bei der neuen Bewertungsanzeige scheint es sich zumindest aktuell noch lediglich um einen großangelegten Test handeln. Darauf deutet auch eine uns übermittelte Stellungnahme einer Amazon-Sprecherin hin: „Im Interesse unserer Kunden arbeiten wir stets an Innovationen, um das bestmögliche Einkaufserlebnis zu bieten.“ Da die Desktop-Anzeige bisher unberührt blieb, empfiehlt es sich, den Fokus künftig weg von der Smartphone-App und auf den Desktop-PC zu verlagern. Möchtest du Amazon hingegen auf dem Handy nutzen, musst du ab sofort zwangsläufig deutlich öfter auf unterschiedliche Produkte klicken. Es sei denn, du nimmst den potenziellen Erwerb minderwertiger Ware billigend in Kauf.

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7 KOMMENTARE

  1. Nutzerbild Iller

    „Zunächst einmal ersetzte Amazon die Sterbebewertungen mit einem einzelnen Stern-Symbol.“

    Gestorbene können doch nicht mehr bewerten 🙂

    Antwort
    • Nutzerbild Artem Sandler inside digital Team

      Hallo Iller, guter Punkt 🙂

      Antwort
  2. Nutzerbild Lucky0077

    Soll das ein April Scherz sein!?
    Bei mir und meinen Bekannten ist die Bewertung noch so wie immer. Egal ob PC oder Handy.
    Ihr solltet vielleicht mal an Rechtschreibung im Artikel denken. Kommt nicht immer gut rüber

    Antwort
  3. Nutzerbild Olly

    Hallo Herr Sandler, wie komme Sie zu dem Trugschluss, dass der MediaMarkt keine „Händlerplattform“ darstellt?
    Als ehemaliger Mitarbeiter im Servicebereich kann ich Ihnen sagen, dass der MM durchaus fremden Anbietern die Plattform zur Verfügung stellt. Daher werden auch völlig untypische Artikel – wie z.B. Fahrradhelme etc. – angeboten.
    Und glauben Sie mir, die Kunden waren hier nicht gerade begeistert, wenn es um Umtäusche und Reklamationen ging. Diese konnten nämlich nicht im Markt abgewickelt werden; die Produkte mussten an den Fremdhändler gesendet werden.
    Zumindest war das zu meiner Zeit so (bis 10.2022).

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  4. Nutzerbild Wappler

    Ist so nicht Richtig. Zumindest bei mir steht links neben dem Stern die Wertung und rechts daneben die Anzahl der Bewertungen.

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  5. Nutzerbild Günni

    Dann gibt es mehr Retouren.

    Antwort
  6. Nutzerbild HarryHH

    >>Bei einem journalistischen Artikel ist nicht die Nachricht das wirklich Wichtige, sondern die Quelle. Denn ist die Quelle nicht vertrauenswürdig, kann man sich auch auf die Nachricht nicht verlassen<StVG/StVO/StVZO ff.

    Hauptsache: ne Seite mit Flächen für Werbung produzieren.

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