Schwarzfahrer trotz Ticket: So wird das Deutschlandticket zur Falle

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Manche Fahrten mit Regio, U- oder S-Bahn fangen harmlos an und enden mit einer Zahlungsaufforderung. Dabei besitzen Betroffene oft ein gültiges Ticket. Doch ein kleines technisches Detail reicht aus, um trotzdem als Schwarzfahrer zu gelten – mit Folgen.
Deutschlandticket, 49-Euro-Ticket, DB
Das Deutschlandticket darf kein Screenshot seinBildquelle: Firn / Shutterstock.com

Immer mehr Menschen nutzen ihr Smartphone, um Fahrkarten im Nahverkehr zu kaufen oder mitzuführen. Semester- und Deutschlandticket gibt es vielerorts nur noch digital. Was komfortabel wirkt, bringt jedoch auch neue Risiken mit sich. Denn nicht jedes digitale Ticket ist jederzeit als solches erkennbar – und nicht jedes technische Hilfsmittel wird von den Verkehrsunternehmen akzeptiert.

Ein Screenshot ist keine Fahrkarte

Ein Beispiel, über das der rbb in Berlin berichtet, zeigt, wie schnell es zu Problemen kommen kann: Ein Berliner Student wird kontrolliert, kann wegen fehlender Internetverbindung nur einen Screenshot seines Semestertickets zeigen – und muss dennoch zahlen. Denn laut den Beförderungsbedingungen des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) gilt ein elektronisches Ticket nur dann, wenn es zum Zeitpunkt der Kontrolle live in der App angezeigt werden kann. In § 6 Abs. 4 heißt es: „Der Fahrgast hat den Fahrausweis bis zur Beendigung der Fahrt aufzubewahren und dem Betriebspersonal auf Verlangen unverzüglich zur Prüfung vorzuzeigen bzw. auszuhändigen.“ In § 8 Abs. 1 ist festgelegt, dass Fahrausweise, die nur als Screenshot vorgezeigt werden, als ungültig gelten.

Screenshots oder Ausdrucke zählen also grundsätzlich nicht, selbst wenn der QR-Code technisch lesbar ist. Begründet wird das mit der leichten Manipulierbarkeit solcher Abbilder. Die BVG bestätigt: Ein Screenshot wird nicht akzeptiert – auch nicht, wenn das Ticket im Nachgang live in der App gezeigt wird. Einzige Ausnahme: Wird das gültige Ticket innerhalb von sieben Tagen nachgewiesen, etwa online oder im Kundenzentrum, reduziert sich das erhöhte Beförderungsentgelt auf eine Bearbeitungsgebühr von sieben Euro. Wird diese Frist verpasst, droht ab 14 Tagen nach der Kontrolle ein Inkassoverfahren. Denn eine Mahnung verschickt die BVG nicht – stattdessen erhalten Betroffene direkt Post von einem Inkassobüro. Im konkreten Fall: 90 Euro.

Besonders kritisch ist dabei: Die betroffenen Fahrgäste müssen selbst aktiv werden, um zu beweisen, dass sie ein gültiges personalisiertes Ticket besitzen. Die BVG entzieht sich jeder Nachweispflicht. Auch dass Kontrolleure den Namen auf einem gezeigten Screenshot nicht mit einem Ausweisdokument abgleichen dürfen, sorgt für Unverständnis. Eine Sprecherin der BVG begründet dies gegenüber dem rbb mit dem Hinweis, man wolle den Kontrolleuren keine zusätzliche Aufgabe zumuten.

Apps brauchen Internet – aber nicht immer ist es da

Was wie eine Kleinigkeit wirkt, ist in der Praxis oft entscheidend. Denn viele Tickets – insbesondere das Deutschlandticket und Semesterkarten – aktualisieren sich nur dann, wenn zu Beginn eines Monats eine Internetverbindung besteht. Wer die App erst bei der Kontrolle öffnet, aber keine Verbindung hat, sieht im schlimmsten Fall kein gültiges Ticket – obwohl eines vorliegt.

Die S-Bahn Berlin erklärt, dass sich Tickets beim Öffnen der App aktualisieren – allerdings nur, wenn diese nicht bereits im Hintergrund lief. Dann müsse die Ticketansicht per Wischen aktualisiert werden. Die BVG-App wiederum verlangt nicht nur das Öffnen, sondern auch das gezielte Anklicken des Menüpunktes „Tickets“, damit sich der QR-Code aktualisiert. Wer diese Details nicht kennt oder schlicht keinen Empfang hat, riskiert, als Schwarzfahrer eingestuft zu werden. Im konkreten Fall haben sich die Kontrolleure unnachgiebig gezeigt, obwohl das Ticket bei der Erfassung der Daten des Studenten auf dem Bahnsteig dann korrekt angezeigt werden konnte.

Selbst technisch versierte Nutzer können in die Falle tappen

Für Nutzer bedeutet das: Selbst wer alles richtig machen möchte, kann unverschuldet in Schwierigkeiten geraten. Denn selbst technisch versierte Menschen können übersehen, dass sich ihr Ticket nicht rechtzeitig aktualisiert hat oder ihre App im Hintergrund läuft. Wer dann im falschen Moment offline ist, wird „gnadenlos aufgeschrieben“, wie es der IGEB formuliert.

Verbraucherschützer halten die Weitergabe an Inkassobüros zwar rechtlich für zulässig, kritisieren aber die kurze Frist von sieben Tagen und den Verzicht auf eine Mahnung. Auch die Praxis, dass Zahlungsaufforderungen über 90 Euro verschickt werden, wenn Fahrgäste versäumen, ihr Ticket nachzuweisen oder zu zahlen, erscheint vielen als überzogen.

Der Umgang mit digitalen Tickets zeigt: Wer alles richtig machen will, muss nicht nur ein gültiges Ticket haben, sondern auch die Eigenheiten der jeweiligen App kennen – und jederzeit online sein. Ein kleiner Fehler – etwa ein vergessener Klick in der App oder fehlende mobile Daten – kann ausreichen, um plötzlich als Schwarzfahrer dazustehen. Und obwohl die Berliner U-Bahn inzwischen komplett mit Mobilfunk versorgt ist: Die Technik kann wie jeder Mobilfunksender auch mal ausfallen.

Berliner und Brandenburger müssen beim Deutschlandticket schon im Dezember eine weitere Falle beachten: Die Fahrkarte wird dann nicht mehr in allen Zügen gelten.

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