Kia EV9 im Test: Elektro-Flaggschiff für bis zu sieben Personen

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Von Nizza bis Saint Tropez. Knapp 200 Kilometer sind wir mit dem bewusst kantigen Kia EV9 über die Straßen von Südfrankreich gefahren, um das neue Top-Modell unter den E-Autos des koreanischen Herstellers auf die Probe zu stellen.
Hayo Lücke, Redakteur von inside digital, steht in Saint Tropez vor dem Kia EV9.

Wuchtiges Premium-SUV in Test von inside digital: der Kia EV9.

Fünf Meter lang, zwei Meter breit und fast 1,80 Meter hoch. Wer vor dem Kia EV9 steht, wird schnell bemerken, dass es sich um ziemlich alles handelt, aber ganz sicher nicht um einen Kompakt-SUV. Der nicht nur optisch beeindruckende Straßenkreuzer hat jüngst das „Goldene Lenkrad 2023“ in der Kategorie „Familienautos“ gewonnen und damit beim wichtigsten deutschen Automobilpreis den Sieg eingefahren. Eine Auszeichnung, die nachvollziehbar erscheint, wenn man sich näher ansieht, welch vielfältige Möglichkeiten das vergleichsweise wuchtige E-Auto, das Kia selbst als neues Flaggschiff seiner E-Auto-Flotte bezeichnet, bietet.

Kia EV9 im Test: Bis zu sieben Sitze nutzbar

Wahlweise ist der Kia EV9 mit einem Heck- oder mit einem Allradantrieb ausgestattet. Zudem mit sechs oder sieben Sitzen in drei Sitzreihen. Je nach Ausstattung ist es möglich, die Sitze der zweiten Sitzreihe mit ihren integrierten Gurten zur gewünschten Sitzposition zu drehen. Auf diese Weise können sich Passagiere im Fond des Innenraums bei Bedarf auch gegenübersitzen. Zu lange Beine sollten sie dann aber nicht haben, wenn sie sich nicht gegenseitig in die Quere kommen wollen. Apropos Innenraum: Kia ist es wichtig, zu betonen, dass hier vielerorts Materialien zum Einsatz kommen, die von recycelten Fischernetzen und PET-Flaschen stammen.

Das Platzangebot im Kia EV9 ist nicht nur für Fahrer und Beifahrer auf den Vordersitzen beeindruckend, sondern insbesondere auch in der zweiten Sitzreihe. Der lange Radstand von 3,10 Metern macht sich an dieser Stelle deutlich bemerkbar. Spürbar enger geht es in der dritten Sitzreihe zu. Hier sollten speziell auf langen Strecken keine zu lang gewachsenen Menschen Platz nehmen. Die Kopffreiheit ist aber auch für mitreisende Passagiere auf allen Plätzen gut.

Der 3,10 Meter lange Radstand des Kia EV9 sorgt für viel Platz im Innenraum.

Der Platz im Kofferraum fällt unterdessen überschaubar aus. Wer mit sechs oder sieben Personen unterwegs ist, muss sich mit 333 Litern zufriedengeben. Klappt man die Rückenlehnen der dritten Sitzreihe um, erhöht sich das Ladevolumen bis Fensterhöhe auf maximal 828 Liter. Auch das ist nicht gerade viel. Bemerkenswert wird es erst, wenn auch die zweite Sitzreihe umgeklappt wird. Dann stehen nämlich je nach Modell zwischen knapp 2.300 und 2.400 Liter Gepäckraumvolumen zur Verfügung. Praktisch: Die elektrische Heckklappe öffnet sich automatisch, wenn man den Schlüssel bei sich trägt und wenige Sekunden vor dem Heck verweilt.

Zusätzlicher Stauraum ist im Frunk unter der Motorhaube zu finden: 90 Liter im Kia EV9 mit Heckantrieb, 52 Liter beim teureren und von uns getesteten Allradmodell. Hier lassen sich bequem ein Pannenset und / oder ein Ladekabel für die Nutzung von Normalladesäulen (AC) verstauen.

Frunk unter der Motorhaube des Kia EV9.
Wenig Platz im (Standard)Kofferraum des Kia EV9.

Beeindruckende Straßenlage

Auf der Straße überzeugt der Kia EV9 mit starken Fahreigenschaften und einer direkten Lenkung. Es wirkt fast so, als könne das Luxus-SUV gar nichts aus dem Gleichgewicht bringen. Selbst flotte Serpentinenfahrten spult der Wagen mit viel Komfort ohne zu große Seitenneigungen ab. Dass das Gewicht den Wagen etwas nach außen drängt, lässt sich aber nicht von der Hand weisen. Sprints von 0 auf 100 km/h sind mit dem AWD-Modell nach Herstellerangaben in spritzigen 5,3 Sekunden möglich, beim Hecktriebler geht es mit 9,4 Sekunden etwas gemächlicher zu. Die Gänge werden über einen Hebel hinter dem Lenkrad eingelegt, vier Rekuperationsstufen zur Rückgewinnung von Energie beim Bremsen oder Segeln lassen sich über Schaltwippen einstellen, die ebenfalls hinter dem Lenkrad zu finden sind.

Kia EV9 im Test während der Fahrt – Heckansicht.

Während der Fahrt besteht die Möglichkeit, zwischen drei klassischen Fahrmodi (Eco, Normal, Sport) auszuwählen. Zusätzlich steht der „My-Drive“-Modus zur Verfügung, der den typischen Fahrstil des Fahrers analysiert, erlernt und automatisch anpasst. Ein zusätzlich auswählbarer Terrain-Mode gestattet entspanntes Fahren ohne durchdrehende Reifen bei Schnee, auf Sand oder auf schlammigen Untergründen. Die Knöpfe am Multifunktionslenkrad sind so angeordnet, dass über die linke Seite die Tasten für die Steuerung der Geschwindigkeitsregelanlage zu finden sind. Die Tasten auf der rechten Seite des Lenkrads steuern die Audio-Funktionen.

Optisch schön anzusehen: Menütasten unter dem 12,3 Zoll großen Touchscreen werden erst sichtbar, wenn der Motor eingeschaltet ist. Hinter dem Lenkrad ist ein weiteres 12,3 Zoll großes Cockpit-Display zu finden, das alle für den Fahrer wichtigen Daten signalisiert. Zwischen den beiden Bildschirmen findet sich ein dritter, 5,3 Zoll großer Bildschirm, der für die Bedienung der Klimatisierung dient. Extra-Knöpfe für die Klima-Steuerung gibt es aber auch, denn das Klima-Display ist für den Fahrer nur etwas umständlich zu sehen.

Aus drei mach eins: Drei Displays verschmelzen im Cockpit des Kia EV9 (fast) zu einem.

Mehrere USB-C-Anschlüsse liefern zum Beispiel für Smartphones die notwendige Energie. Digitale Außenspiegel, die besonders bei Dämmerung und nachts einen besseren Überblick auf kleinen Monitoren bieten, gibt es auf Wunsch gegen Aufpreis.

Der Verbrauch: wenig berauschend

Bis zu 2,75 Tonnen bringt der Kia EV9 abhängig vom gewählten Modell auf die Waage. Und dieses hohe Gewicht – allein der Akku wiegt mehr als eine halbe Tonne – macht sich beim Verbrauch bemerkbar. Im Stadtverkehr werden laut unseres Tests für den Vortrieb 18 bis 19 Kilowattstunden (kWh) benötigt, um 100 Kilometer zu fahren. Zum Vergleich: Das deutlich kleinere Crossover-Modell Kia Niro EV (Test) schafft die gleiche Strecke mit 15 bis 16 kWh. Auf der Landstraße steigt der Verbrauch im EV9 auf rund 20 kWh pro 100 Kilometer. Auf der Autobahn sind auf gleicher Streckenlänge im Schnitt circa 25 kWh Strombedarf ein realistischer Wert.

Die WLTP-Reichweite gibt Kia mit bis zu 563 Kilometern an. Ein Langstrecken-Test war uns im Rahmen der ersten Presse-Testfahrten noch nicht möglich, circa 400 Kilometer dürften aber ein realistischer Wert sein. Dank 800-Volt-Technik lädt der knapp 100 kWh großen Akku des Kia EV9 über einen Ladeanschluss hinten rechts an Schnellladesäulen mit bis zu 210 kW neue Energie nach. Umgerechnet unter optimalen Bedingungen bis zu 249 Kilometer zusätzliche Reichweite in 15 Minuten. Für die Innenraumklimatisierung ist serienmäßig eine Wärmepumpe verbaut. Das senkt insbesondere im Winter den Strombedarf.

Über den Hinterreifen ist die dritte Sitzreihe im Kia EV9 zu finden.
Kia EV9 im Test mit 21 Zoll großen Reifen.

Was kostet der Kia EV9?

In Deutschland wird der Kia EV9 zum Start in sechs Varianten angeboten. Das Basismodell mit 150 kW (204 PS), Heckantrieb und sieben Sitzen steht zu einem Preis ab 72.490 Euro zur Verfügung. Teurer wird es, wenn man sich für das Modell mit Allradantrieb entscheidet. Dann ist eine Leistung in Höhe von 283 kW (385 PS) abrufbar, was den Preis mindestens auf 76.490 Euro treibt. Als GT-line mit sechs Sitzen und einer gehobenen Ausstattung sind mindestens 83.370 Euro zu bezahlen, die GT-line Launch Edition mit Vollausstattung inklusive dualem Panorama-Schiebedach ist ab 84.180 Euro zu haben.

Jeweils sieben Lackierungen stehen für den EV9 mit Heckantrieb und den EV9 GT-line zur Wahl, von denen sogar fünf ohne Aufpreis angeboten werden. Auch den EV9 bietet Kia mit sieben Jahren Garantie bis 150.000 Kilometer an. Entscheidest du dich für ein Leasing-Angebot von Kia, steht der EV9 in der Launch Edition aktuell zu einem Preis ab 899 Euro monatlich zur Verfügung.

Das sehr kantige Design des Kia EV9 ist sicherlich Geschmacksache.

Dank Kia Premium Service ist unter anderem die erste Inspektion des Kia EV9 kostenlos, bei teilnehmenden Kia-Händlern steht zudem ein kostenloser Hol- und Bringservice bei Werkstattterminen zur Verfügung. Und drei Jahre lang entfällt die Grundgebühr für Kia Charge, das Ladestrom-Angebot des Herstellers. On top gibt es 1.200 Euro Kia Charge Ladeguthaben. Das reicht, um das neue Elektroauto circa 10.000 Kilometer praktisch kostenlos zu fahren.

Fazit zum Kia EV9: Ein waschechter Premium-SUV

Zugegeben: Man muss große Autos mögen, um Gefallen am Kia EV9 zu finden. Deutlich wird das schon auf den ersten Metern, wenn man mit dem wuchtigen SUV in eine Kurve einbiegt. An die immensen Abmessungen und das bullige Exterieur des Luxus-SUV muss man sich erst einmal gewöhnen. Das gelingt aber erstaunlich schnell. Und genauso schnell beginnt man, die famose Straßenlage des Fahrzeugs zu lieben. Wie ein Brett liegt der EV9 auf der Straße – laufend unterstützt durch zahlreiche verbaute Assistenzsysteme. Und bis zu 210 kW Ladeleistung an Schnellladesäulen sind natürlich auch eine Ansage. Der Kia EV9 bedient Premium-Ansprüche.

Der ziemlich hohe Preis wird allerdings weniger in das Budget vieler Familien passen. Und auch der Verbrauch liegt nicht gerade auf Spitzenniveau. Bei einem modellabhängigen Gewicht von 2,50 bis 2,75 Tonnen war das aber auch nicht zu erwarten. Dafür punktet das neue Spitzenmodell aus der E-Flotte von Kia mit einem beeindruckenden Platzangebot. Es bedient praktisch alle Anforderungen, wenn nicht allzu groß gewachsene Menschen im Fond mitfahren. Ein echtes Highlight sind die drehbaren Sitze im 6-Sitzer. Um 90 Grad in Richtung Tür gedreht, ist es auf besonders einfache Art und Weise möglich, etwa ein Baby in einem Kindersitz in der zweiten Sitzreihe zu platzieren.

Um 90 Grad gedrehter Sitz in der zweiten Sitzreihe des Kia EV9.

Unter dem Strich ist der Kia EV9 ein Elektroauto, das viel Freude bereitet; mit bis zu 185 km/h bei Variante mit Heckantrieb und sogar maximal 200 km/h beim Allradmodell. Gute Laune stellt sich auch ein, weil das E-Auto schon ab Werk viele Extras an Bord hat. Wer sich für den Kia EV9 entscheidet, darf sich unter anderem auf 3-Zonen-Klimaautomatik, Navigationssystem mit sieben Jahren Update-Garantie und den Digital Key 2.0 freuen, bei dem das Smartphone zum Fahrzeugschlüssel wird. Bei der GT-line sind zusätzlich unter anderem ein Head-up-Display, ein Fahrersitz mit Massage-Funktion und eine Rundumsichtkamera schon ab Werk mit an Bord. Außerdem kreuzt der EV9 in der GT-line-Ausführung auf 21 statt 19 Zoll großen Leichtmetallfelgen über die Straßen.

Übrigens: Entscheidest du dich für den Kia EV9 mit Allradantrieb, kannst du von bis zu 2,5 Tonnen Anhängelast (gebremst) profitieren. Auch das ist ein beeindruckendes Ausstattungsmerkmal.

Bildquellen

  • Kia EV9 im Test – Heckansicht während Fahrt.: Kia
  • Kia EV9 Seitenansicht Heck: Hayo Lücke / inside digital
  • Kia EV9 im Test – Sitz 2. Sitzreihe um 90 Grad gedreht.: Kia
  • Kia EV9 im Test: Elektro-Flaggschiff für bis zu sieben Personen: Alexander Herold

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