Politik vs. Realität: Homeoffice ist kein Kita-Ersatz!

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Lockdown 2.0. Eltern, die ihr Kind nicht in die Kita bringen können oder wollen, versprach die Politik unkomplizierten Betreuungsurlaub. Man habe aus dem ersten Lockdown gelernt, hieß einhellig. Doch von diesen Lippen-Bekenntnissen bleibt in der Praxis nichts, kommentiert ein wütender Vater.
Ein Kind am Schreibtisch
Ein Kind am SchreibtischBildquelle: Thorsten Neuhetzki

Der Betreuungsurlaub, den die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten bei der Verkündung des Lockdowns in Deutschland am Sonntag versprachen, sollte das Ziel haben, die eigenen Kinder zu Hause zu betreuen. Der sinngemäße Appell: „Lasst eure Kinder zu Hause und nehmt zusätzlichen bezahlten Urlaub – wir übernehmen das.“ Klingt gut. Zu gut.

Vom Betreuungsurlaub ist zumindest in meiner Heimatstadt Berlin generell ausgenommen, wer aus dem Homeoffice arbeiten kann. Schon während des ersten Lockdowns war das ein Problem – auch bei den sogenannten systemrelevanten Berufsgruppen. Denn offenbar ist man in der Berliner Senatsverwaltung für Bildung der Auffassung, dass man als Vater oder Mutter gleichzeitig konzentriert arbeiten und ein dreijähriges Kind betreuen kann. Nein, das kann man nicht! Und diese Regelung macht wütend. Kinder in diesem Alter beschäftigen sich nicht länger als 15 bis 30 Minuten alleine – bestenfalls. Die Betreuung auf Opa und Oma abzuwälzen ist in den seltensten Fällen gerade eine ernsthafte Alternative.

Keine geschlossene Kita, kein Anspruch auf Betreuungsurlaub

Bei Spiegel Online spricht ein Arbeitsrechtler sogar davon, dass Betreuungsurlaub nur möglich sei, wenn die Kita ausdrücklich geschlossen sei. Das ist derzeit in Deutschland in der Regel nicht der Fall. Die meisten Bundesländer haben keine Schließungen veranlasst.

Es gibt nur einen dringenden Appell an die Eltern, die Kinder zu Hause zu lassen. Das aber geht nicht bei zwei berufstätigen Eltern, die im Homeoffice arbeiten. Hier können Eltern weder ihrem Arbeitgeber, der sie bestenfalls weiterhin voll bezahlt, gerecht werden und ihrem Kind erst recht nicht. Schließlich ist Kindererziehung und Betreuung mehr, als das Kind stundenlang vors Tablet zu setzen, damit man selbst halbwegs konzentriert arbeiten kann.

Die Versprechungen der Politik verpuffen so in der Praxis. Mal wieder. Das Resultat: Die Rate jener Kinder, die ab heute weiter in die Kita geht, dürfte hoch sein. Wir hätten unser Kind gerne zu Hause gelassen – doch die Regelungen lassen das nicht zu, ohne dass Papa morgens um vier Uhr beginnt zu arbeiten, damit die Mutter nachmittags und abends arbeiten kann und das Kind jederzeit betreut ist. Selbst, wenn man das ernsthaft in Erwägung zieht: Damit das möglich ist, müssten auch die Arbeitgeber bei allen Eltern mitspielen.

Meine Einschätzung: Hätte man allen Eltern unkompliziert gesagt: „Nimm frei und betreu dein Kind, wir zahlen dir wenigstens 67 Prozent des Gehaltes“ wären heute weniger Kinder in der Kita und die Wirkung des Lockdowns wäre möglicherweise noch stärker. Wenngleich Kitas und Kleinkinder nicht als Infektionsherde gelten. Doch es gibt Wege zur Kita, Eltern die sich in den Umkleiden treffen und mehr.

Quasi-Offenbarungseid um Geld zu bekommen

Meine Kritik am Betreuungsurlaub geht aber noch weiter. Selbst wer nicht im Homeoffice arbeiten und den Betreuungsurlaub nehmen kann, der muss für die Beantragung quasi einen Offenbarungseid abgeben. So fordert man in Berlin eine Kopie des Arbeitsvertrages, die Lohnabrechnung, einen Sorgerechtsnachweis, eine Bescheinigung der Kita, dass es generell einen Betreuungsanspruch für das Kind gibt sowie eine Bescheinigung, dass es keinen Anspruch auf eine Notbetreuung gibt. Da diese aber einfach per Antrag ohne weitere Begründung möglich ist (was gut ist!), fällt auch hier der Betreuungsurlaub faktisch aus.

Zurück bleibt ein wütender Vater, dessen Sohn nun weiter in die Kita geht. Dabei hätte der Vater gern den Lockdown in vollem Umfang mitgetragen, ohne sich oder sein Bankkonto dabei kaputt zu machen. Danke für nichts, liebe Politik.

P.S.: Gerade kommen die ersten Meldungen, dass die Bundesregierung sich nun auf einen Sonderurlaub für Eltern im Lockdown geeignet habe und mehrere Tage vom Staat mit Abschlag bezahlter Urlaub möglich sein werden. Kita-Kinder seien davon aber ausgenommen. Ich werde noch wütender!

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