Man stelle sich vor, man baut eine Energieerzeugungsanlage genau dort, wo man diese Energie auch benötigt. Im Anschluss verbindet man die Haushalte, die die Energie beziehen sollen direkt mit kurzen Leitungen und spart sich dabei effektiv Umwege und die Belastung der größeren Versorgungsnetze in Deutschland. Eigentlich sollte alles für eine solche Vorgehensweise sprechen, da sie effektiv Kosten einspart und zu einer lukrativen Versorgung führt. Solche lokalen Verteilkabel bezeichnet man als „Kundenanlagen“. Da diese Form der Energieversorgung viele Vorteile brachte, ohne zur Belastung für andere Markteilnehmer zu werden, galten bisher Sonderkonditionen.
Stromerzeugung vor Ort steht vor strengeren Regeln
Ein Energieversorger aus Sachsen wollte Strom vor Ort erzeugen und diesen direkt an 250 Wohnungen und deren Bewohner verkaufen. Aus Sicht der Energiewende wäre das ein lukratives und sinnvolles Projekt, das den Strom über keine weiten Strecken transportieren müsste. Betreiber einer solchen Anlage wurden bisher nicht als Netzbetreiber betrachtet. Dadurch mussten sie viele der Pflichten, die für Netzbetreiber gelten, nicht erfüllen. Sie sparten sich also nicht nur einen bürokratischen Aufwand, sondern mussten auch keine Netzgebühren auf ihre angebotene Leistung zahlen. Diese Vergünstigung wiederum floss direkt an die Endverbraucher weiter, die von der lokalen Energieversorgung profitieren. Das gleiche Schema kommt auch bei Wärmeversorgungsnetzen teilweise zum Einsatz.
Doch schon seit Monaten fürchten die Betreiber vieler solcher Kundenanlagen um ihre Vorteile. Brächen die Vergünstigungen für sie weg, gilt das umgekehrt auch für alle, die die Energie von ihnen beziehen. Jetzt hat der Bundesgerichtshof ein hartes Urteil gefällt. Die Richterinnen und Richter aus Karlsruhe sagen, wer den Strom vor Ort produziert und weiterverkauft, betreibt dabei keine „Kundenanlage“, sondern ein Stromnetz und muss Netzgebühren verlangen. Eine Ausnahme von der Regulierung für Netze sei bei diesen Systemen nicht möglich. Eine Überraschung ist diese Rechtsprechung keineswegs. Schon im November 2024 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die deutschen Regeln für Kundenanlagen gegen das EU-Recht verstoßen. Nach den geltenden Bedingungen müssen für alle Stromerzeuger in der EU die gleichen Regelungen angewendet werden. Die Sonderform der Kundenanlagen mit ihren Vergünstigungen verstößt klar gegen diese Vorgaben. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung also nun lediglich für Deutschland umgesetzt. Das Urteil stößt jedoch zurecht auf Kritik.
Rechtsprechung verteuert Wärme- und Stromversorgung für Kunden
Lokale Stromanlagen dürften es dank dieses BGH-Urteils inzwischen schwerer haben, rentabel zur Stromversorgung errichtet zu werden. Selbiges gilt für Wärmeerzeugungskapazitäten, die nach dem gleichen Prinzip auf große Strecken angeschlossen wurden. Je mehr Kosten auf die Kunden umgelegt werden müssen, desto teurer werden die Energiepreise. Wie es für solche Erzeugungsanlagen zukünftig weitergehen wird, muss nun auf europäischer Ebene geklärt werden. Möglich wären neue Sonderregelung für eine lokale Stromversorgung, die nicht nur für Deutschland spezifisch, sondern in der gesamten Europäischen Union gelten. Besitzer von privaten PV-Anlagen müssen sich wegen dieses Gerichtsurteils jedoch keine Sorgen machen. Da ihr Strom nicht an andere weiterverkauft wird, betrifft das BGH-Urteil diese Anlagen nicht.