Ich erinnere mich zurück: Anfang 2007 stieg die Mehrwertsteuer von damals 16 auf dann 19 Prozent. Es war jene Mehrwertsteuererhöhung, die im Wahlkampf zuvor ausgeschlossen worden war. Und es war ein irrsinniger Aufwand für Handel und Dienstleister, alle Verträge und Preise anzupassen. Die Folge waren entweder krumme Preise oder Preiserhöhungen über die drei Prozentpunkte hinaus.
Nun soll die Mehrwertsteuer für sechs Monate gesenkt werden. Das heißt, dass jeder Supermarkt und jeder Klamottenladen zweimal alle Preisschilder im Laden austauschen müsste. Denn nur die wenigsten arbeiten wie Media-Saturn mit digitalen Preisschildern, die binnen Sekunden umgestellt sind. Die Folge wird sein: Die wenigsten stationären Geschäfte werden dir die Mehrwertsteuersenkung weitergeben – allen Lippenbekenntnissen zum Trotz. Eher noch ist zu erwarten, dass Anfang 2021 die Preise steigen.
Streichpreise bei teuren Produkten zu erwarten
Anders wird es bei teuren Produkten sein: Küchenstudios, Möbelhäuser und Autohäuser werden die Mehrwertsteuersenkung nutzen, und dir mit Streichpreisen die günstigeren Preise schmackhaft machen und auf regen Absatz hoffen. Viele Preise sind ohnehin individuell kalkulierte Preise und die Preisschilder an den 30 Vorführwagen im Autohaus sind schnell ausgetauscht. Und: Der Absatz muss wieder angekurbelt werden. In Zeiten von Kündigungen und Kurzarbeit halten zu viele ihr Geld zurück.
Der große Gewinner aber wird Amazon und der Onlinehandel im Allgemeinen sein. Hier reicht in der Regel ein Knopfdruck in der Datenbank des Shops und schon sind die günstigeren Endpreise im System sichtbar. Gerade Amazon pfeift auf sogenannte Schwellenpreise wie 9,99 Euro. Hier kostet ein Artikel auch schon mal 8,71 Euro, wenn man damit günstigster im Markt sein kann. Da kommen drei weitere Prozentpunkte Absenkung gerade recht. Amazon kann sich somit nach der Schließung des stationären Handels im April ein zweites Mal die Hände reiben.
Ersparnis durch Mehrwertsteuersenkung im Alltag überschaubar
Übrigens: Jenseits von außergewöhnlichen Ausgaben wie einer neuen Küche oder einem neuen Auto sparst du dir mit der Mehrwertsteuer nur ein paar Euro monatlich. Die Miete der Wohnung unterliegt nicht der Mehrwertsteuer. Davon ausgehend, dass du im Monat 1.000 Euro ausgibst, rechnen wir einmal nach: Die Mehrwertsteuer für Lebensmittel (und einige andere Dinge wie Bahn-Fahren) sinkt um 2 Prozentpunkte und jene für andere Produkte um 3 Prozent Prozentpunkte. Würde sie bei allen Artikeln weitergegeben und würdest du im Mittel 2,5 Prozentpunkte Mehrwertsteuer einsparen, so läge deine Ersparnis im Monat bei 21 Euro. In einem halben Jahr also gerade einmal 126 Euro.