Kunden, die mit dem Gedanken spielen, ein Nokia-Smartphone zu kaufen, müssten aktuell mit keinerlei Einschränkungen rechnen. Die Skepsis gegenüber chinesischen Marken ist für Matthes zwar „nachvollziehbar“, sei aber nicht auf Nokia zu übertragen. Denn anders als vielerorts gedacht, ist der Fertigungspartner von HMD Global und seiner Nokia-Smartphones, die Firma Foxconn, ein Unternehmen mit Hauptsitz in Taiwan und nicht China. Zudem sei HMD selbst mit seinem Hauptsitz in Finnland eng mit Europa verbunden.
HMD Global ist stolz auf seine Partner – und will mit ihnen wachsen
Deutlich problematischer ist für Matthes die grundsätzliche Abhängigkeit vom Ausland beim Smartphone-Bau. „Entweder hängen wir zum Beispiel bei der Software oder den Prozessoren am US-Tropf oder bei vielen anderen Hardware-Komponenten am Asien-Tropf. Dem haben wir Europäer nichts entgegenzusetzen.“ Und damit gehe immer das Risiko einher, im Zuge eines (neuen) Handelsstreits der Leidtragende zu sein. Kein Problem für HMD Global allein, sondern für die gesamte Branche.
Gleichzeitig seien die Partnerschaften mit Google (Betriebssystem) und Qualcomm (Prozessoren) aber auch ein echtes Faustpfand für HMD Global. Gleiches gelte für die Möglichkeit, die Marke Nokia bei der Smartphone-Fertigung nutzen zu dürfen. „Gerade in Deutschland basiert ein Großteil des Geschäfts auf Vertrauen. Und mit der Marke Nokia haben wir hier noch immer einen großen Vertrauensvorschuss“, ist Matthes überzeugt.
Und genau da will HMD Global nun ansetzen. Viele Menschen seien mit Nokia-Handys groß geworden und es sei nun Aufgabe von HMD, zu vermitteln, was Nokia-Handys heute auf Basis von Android One zum Beispiel auch mit einer schnellen Update-Politik leisten können. Unterstreichen will Nokia seine Wachstumsambitionen durch verstärkte Marketing-Aktivitäten. Schließlich biete sich jetzt die seltene Gelegenheit, Marktanteile in einem verunsicherten Umfeld zu gewinnen, sagt Matthes.
Kein eigenes Betriebssystem für Nokia-Smartphones
Keine Option sei es hingegen, ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln. „Natürlich überlegen wir, wie wir uns nach allem, was in den vergangenen Wochen passiert ist, aufstellen. Dazu zählen sicher auch Dinge, über die wir noch vor einem Monat nicht nachgedacht haben“, so Matthes, um direkt zu unterstreichen: „Ein zusätzliches Betriebssystem neben iOS und Android zu etablieren, ist eine Herkulesaufgabe – auch und gerade mit Blick auf die in einem solchen Betriebssystem verankerten Apps und Dienste.“
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jetzt ansehenFür HMD Global sei es viel wichtiger, den eingeschlagenen Kurs fokussiert fortzusetzen. Oberstes Ziel sei es, die zuletzt signifikant gestiegene Nachfrage nicht nur im Privatkunden-Geschäft zu bedienen, sondern auch im B2B-Segment. „Auf einmal klingelt das Telefon nicht nur ein Mal am Tag, sondern 10 bis 15 Mal. Es macht natürlich Spaß, mehr im Fokus zu stehen“, weiß Matthes zu berichten. Gleichzeitig stelle HMD Global die höhere Nachfrage aber auch vor die Herausforderung, das Lieferketten-Management anzupassen. „Dieser Aufgabe nehmen wir uns natürlich gerne an.“
Davon losgelöst gelte natürlich weiter der eigene Anspruch, zu wachsen. Durch die Probleme von Huawei ändere sich aber natürlich die Dynamik des Wachstums, ist der HMD-Global-Manager überzeugt. „Bisher haben wir immer mit der Huawei-Tochter Honor um den vierten Platz am deutschen Smartphone-Markt gekämpft“, so Matthes. Hier könnten nun positive Effekte in die Karten von HMD Global spielen. Durch die Partnerschaften zu namhaften Firmen wie Qualcomm oder auch Zeiss sei es möglich, „gegenüber dem Wettbewerb ein paar Trümpfe auszuspielen.“
Angst vor neuer Konkurrenz aus China hat Matthes unterdessen nicht. Gleichwohl ist er sich der lauernden Konkurrenz bewusst. „Hersteller wie Xiaomi oder Oppo können in ihren Heimatmärkten nicht mehr wachsen. Eine Expansion mit gut gefüllten Kriegskassen ist also alles andere als ein unrealistisches Szenario. Ein Szenario, das wir natürlich beobachten.“
HMD will mit Nokia angreifen
Die Marschroute von HMD Global mit der Marke Nokia ist jedenfalls klar. „Jetzt müssen wir unsere Chancen nutzen“, ist Matthes überzeugt und bezieht in diesem Zusammenhang auch den Fachhandel ausdrücklich mit ein. „Wir müssen die Sicherheit geben, dass wir ein nachhaltiges Business entwickeln wollen. Ganz so, wie es Huawei in den vergangenen Jahren vorgemacht hat.“ Man ist geneigt, zu fragen: Wenn nicht jetzt, wann dann?