Drohnen-Alarm am Airport: So stoppt man sie wirklich

6 Minuten
Drohnen legen Flughäfen lahm – ein Szenario, das vor kurzem noch absurd erschien, ist inzwischen Realität. Ein Drohnenabwehr-Profi erklärt im Gespräch mit inside digital, wie Flughäfen die Drohnen erkennen, warum Jamming sinnvoller ist als abschießen und wieso Sekunden über deinen Flug entscheiden.
Eine Drohne fliegt über Gebäauden
Wie kann man Drohnen am besten Stören?Bildquelle: Florian Pircher / Pixabay

Für Flughäfen zählt jeder Fremdkörper im Luftraum. Jeder weiß: Ein Vogel im Triebwerk endet tödlich – mindestens für den Vogel. Doch Drohnen sind häufig gefährlicher als Vögel, weil ihre Bauteile härter sind und mehr Schaden anrichten können. „Es kann kaum etwas Schlimmeres passieren, als wenn ein Flugzeug in Not gerät, nur weil jemand mit einer Spielzeugdrohne die beste Luftaufnahme will“, sagt Stephan Kraschansky, Leiter von Aaronia Österreich und einer der führenden Drohnenabwehr-Experten in Europa im inside digital Podcast überMORGEN. Dass Vorfälle auch hierzulande zunehmen, überrascht ihn nicht: „Jetzt ist es mitten in Europa – das ist für viele ein Aha-Effekt.“

Erkennen statt Rätselraten: Funk + Radar + Kamera

Ein einzelner Sensor reicht nicht, weil jede Technik blinde Flecken hat. Kraschansky betont: „Der wichtigste Sensor ist der Radiofrequenz-Peiler.“ Er horcht in die Funklandschaft, erkennt die Verbindung zwischen Fernsteuerung und Drohne und kann beide Quellen – Pilot und Flugobjekt – in Echtzeit auf einer Karte verorten. So entsteht sofort ein erstes Lagebild: Wo ist die Drohne, wo steht (oder fährt) der Pilot, in welche Richtung bewegt sich das Ganze?

Radar ergänzt dieses Bild aktiv. Es sendet gezielt Energie aus und erkennt anhand der Rückstreuung, dass dort ein kleines, bewegtes Objekt unterwegs ist – inklusive Distanz und Geschwindigkeit. Das hilft vor allem dann, wenn die Drohne (kurzzeitig) funktstumm ist oder sehr leise sendet. Drittens liefern Kameras die optische Verifizierung: Sie zeigen, ob es wirklich eine Drohne ist und keine Lichtreflexion, Möwe oder Plastikfolie. Außerdem geben sie Hinweise auf die Größe und mögliche „Payload“ – hängt darunter nur eine Kamera, ein Pod oder etwas, das gefährlich werden könnte?

Entscheidend ist die Sensorfusion: Erst das Zusammenspiel mache das Lagebild belastbar, erklärt der Drohnen-Experte plastisch: Der RF-Peiler sagt „da funkt wer“, das Radar sagt „da fliegt was“, die Kamera sagt „das ist tatsächlich eine Drohne – so groß, so ausgerüstet“. Was ein Sensor allein übersehen oder falsch deuten könnte (Radar vs. Klimaanlagenrotor, Kamera vs. Nebel, Funk vs. Störer), wird im Verbund abgefangen. Ergebnis: weniger Fehlalarme, schnellere Einstufung der Bedrohung und eine fundierte Basis, um in Sekunden über Gegenmaßnahmen zu entscheiden.

Kraschanskys Firma Aaronia überwache dabei „das gesamte elektromagnetische Spektrum“ – nicht nur WLAN/ISM-Bänder. So lassen sich auch Akteure finden, die absichtlich außerhalb der Standardfrequenzen funken.

Drohnen abschießen: Warum Jamming sinnvoller ist

Beim Stoppen von Drohnen gibt es zwei grundsätzliche Wege: Hardkill und Softkill. Unter Hardkill fallen „physische“ Maßnahmen – etwa Geschosse, Schrotkanonen, Netzwürfe oder Interceptor-Drohnen, die die fremde Drohne einfangen oder rammen. Kraschansky bringt es knapp auf den Punkt: „Alles, was ich raufschieße, kommt irgendwo wieder runter.“ Heißt: Es drohen Trümmer, die Menschen oder Technik gefährden, und auf einem Flughafen ist das Risiko besonders heikel. Softkill setzt dagegen nicht auf Zerstörung, sondern auf Elektronik: Mit Jamming (Störsendern) wird die Funkverbindung zwischen Fernsteuerung und Drohne überlagert, bis die Drohne in einen sicheren Modus geht (zum Beispiel schwebt, landet oder automatisch zurückkehrt) – ohne herabfallende Teile.

Stephan Kraschansky, Chief Defense & Government Solutions Officer Aaronia AG
Stephan Kraschansky, Chief Defense & Government Solutions Officer Aaronia AG

Um das greifbar zu machen, nutzt Kraschansky den Disco-Vergleich: „Dreht der DJ so laut auf, dass sie mich nicht mehr hören kann, ist das wie Jamming.“ Technisch bedeutet es: Ein gerichtetes oder sektorbasiertes Funksignal macht die Steuerbefehle des Piloten unverständlich. Im Ernstfall kann es im Umfeld kurz kein WLAN geben – das ist der kalkulierte Nebeneffekt. Für den Betrieb eines Flughafens ist diese temporäre Einschränkung aber weit weniger gefährlich als ein Projektil oder Drohnentrümmer auf dem Vorfeld.

Wichtig ist auch der Mythencheck: „Drohne übernehmen“ klingt spektakulär, ist in der Praxis aber stark begrenzt. Realistisch möglich ist bei unveränderten Consumer-Modellen eine einmalige Deauthentifizierung der Funkverbindung und das Zuweisen eines neuen Landeplatzes – ein kontrolliertes „Umleiten“, aber keine dauerhafte Fernsteuerung. GPS-Spoofing – also das Vortäuschen falscher Positionsdaten – mag theoretisch wirken, hat aber massive Nebenwirkungen: Es würde nicht nur die Drohne treffen, sondern potenziell auch Flugzeuge, Autos oder Zeitsynchronisationen stören. Deshalb taugt es nicht als Allzwecklösung und wird in der Praxis gemieden.

Das 30-Sekunden-Problem: Wer darf den Störsender drücken?

Heute dürfen in Europa in der Regel Polizei und Militär die Funkverbindung einer Drohne stören. Auf dem Papier klingt das klar, in der Realität zählt aber jede Sekunde: Bis der Alarm am Flughafen ankommt, ein Team losfährt und vor Ort den Störsender aktiviert, ist die Drohne oft schon im Anflug oder wieder weg. „Wenn der nicht in 30 Sekunden da ist, bringt das nichts“, sagt Stephan Kraschansky. Sein Vorschlag: Die Entscheidung bleibt bei den Behörden, aber der Knopf liegt dort, wo es brennt – bei der kritischen Infrastruktur selbst.

Konkret denkt er an eine kurze telefonische Freigabe: Flughafen meldet „Drohne im Anflug“, Einsatzleiter gibt in Echtzeit grünes Licht, das vorinstallierte System vor Ort startet sofort das Jamming. „Dann dauert es 12 Sekunden und kann schnell genug sein.“ Für Reisende ist das keine technische Detailfrage, sondern ganz praktisch die Weiche zwischen „Boarding startet“ und „Startbahn gesperrt“ – also darüber, ob dein Flug planmäßig abhebt oder im Stau der Verspätungen landet.

Funktioniert das schon – oder nur Theorie?

Dass das kein Laborprojekt ist, zeigen echte Einsätze. Nach den Vorfällen in Gatwick hat Heathrow als einer der ersten großen Airports ein System von Aaronia beschafft – „ein älteres, aber sehr leistungsfähiges System“, sagt Kraschansky. Neuere Generationen laufen inzwischen an weiteren Drehkreuzen, etwa in Muscat (Oman), am Changi Airport in Singapur und an einem nicht namentlich genannten Flughafen in Japan. Neben festen Installationen bietet Aaronia die Abwehr auch „as a Service“ an – also als temporären, mobilen Schutz für Großereignisse.

Kraschansky und sein Team waren damit bereits bei zwei G20-Gipfeln und beim NATO-Gipfel in den Niederlanden im Einsatz, inklusive „mehrerer erfolgreicher Abwehrgeschichten“. Für Verbraucher heißt das: Wo solche Systeme stehen oder kurzfristig zugeschaltet werden, reagiert der Flughafen nicht nur schneller, sondern kann bewiesenermaßen Drohnenvorfälle entschärfen. Die Erfahrung daraus ist eindeutig: Täter passen ihre Taktik an – die Abwehr aber auch.

Alle Infos zum Nachhören: Im Podcast

Das komplette Interview mit Stephan Kraschansky hörst du in unserem Podcast überMORGEN  – das ganze Gespräch. Du findest uns auf Apple Podcasts, Spotify, Amazon Music, YouTube Music, Deezer, RTL+, Pocket Casts.

Und was sagst du?

Bitte gib Dein Kommentar ein!
Bitte gibt deinen Namen hier ein