Forscher an der University of Cambridge ist ein unabsichtlicher Durchbruch gelungen, der eine völlig neue Methode enthüllte, wie sich Strom mit einem einzelnen Material erzeugen lässt. Dabei ist nicht nur die Verwendung von weiteren Bestandteilen überflüssig. Die besondere Beschaffenheit der Moleküle sorgt dafür, dass beinahe 100 Prozent des auffallenden Lichts in Strom umgewandelt werden können. Eine Effizienz, von der heute gängige Solarmodule nur träumen können.
Zufallsfund, der die Energieerzeugung revolutionieren könnte
Eigentlich waren das Forscherteam für synthetische Chemie rund um Professor Hugo Bronstein am Yusuf Hamied Department of Chemistry und ein Team für Halbleiterphysik unter der Leitung von Professor Sir Richard Friend am Department of Physics auf der Suche nach einem ganz anderen Verwendungszweck für das Material. Die Forscher der University of Cambridge wollten mit der neuen Molekülklasse einen Stoff entwickeln, der eine effiziente Leuchtkraft besitzen sollte. Angelehnt an die heutzutage verbreiteten organischen LEDs, wie man sie etwa von OLED-Fernsehern kennt. Stattdessen wurde in ihrer Studie im Fachmagazine Nature Materials eine unerwartete Eigenschaft der neuen Molekülklasse in den Fokus gerückt. Ihr leuchtendes organisches Halbleitermolekül namens P3TTM weist in seinem Zentrum ein einzelnes, ungepaartes Elektron auf. Durch dieses besitzt das Teilchen sowohl einzigartige magnetische als auch elektronische Eigenschaften.

Denn wenn sie in einen engen Kontakt miteinander gebracht werden, interagieren diese ungepaarten Elektronen auf eine besondere Art. In den meisten organischen Materialien sind Elektronen so gepaart, dass sie nicht mit ihren Nachbarn in Interaktion treten. In diesem System jedoch fördert die Wechselwirkung zwischen den ungepaarten Elektronen an benachbarten Stellen, dass beim Zusammenballen zweier Moleküle ein Elektron von einem Teilchen auf seinen Nachbarn überspringt. Dabei werden positive und negative Ladungen erzeugt, die man extrahieren kann, um einen sogenannten Photostrom zu erzeugen. Im Prinzip ist dieser Photostrom die eigentliche Elektrizität, die sich damit gewinnen ließe. Diese besonderen Muster sieht man in der Wissenschaft normalerweise beim sogenannten Mott-Hubbard-Isolator. Wie ausschlaggebend es ist, dass sich dieser Mechanismus nun gezielt in einer besonderen Teilchenart verwenden lässt, zeigt eine erste Laboruntersuchung des Forscherteams.
Erste Tests der neuen Solarzellen-Struktur lassen auf großes Potenzial schließen
Mithilfe einer P3TTM-Folie konnte Experimente ermitteln, was passiert, wenn man Licht auf diese Zelle richtet. Im Labor konnten die Wissenschaftler dabei eine beeindruckende Ladungssammeleffizienz von nahezu 100 Prozent erreichen. Folglich: Fast jedes Lichtphoton, das auf die Solarzelle traf, konnte auch tatsächlich in Strom umgewandelt werden. Allein diese Quote ist beeindruckend, wenn man heutige Solarmodule zum Vergleich heranzieht. Die meisten Solarmodule, die auf Silizium basieren und sich heute schon im Handel befinden, erreichen eine Effizienz von um die 20 bis 25 Prozent. Sie können somit nur ein Viertel der Lichtenergie, die auf sie trifft, auch tatsächlich in nutzbaren Strom umwandeln. Sogenannte Tandem-Solarzellen, die zurzeit üblicherweise auf Perowskit-Strukturen basieren, erreichen unter Laborbedingungen bereits bis zu 47,6 Prozent. Damit haben sie selbst unter den Idealbedingungen nur halb so viel Potenzial wie P3TTM. Dennoch ist es wie so häufig zu früh, sich bereits auf ein finales Ergebnis zu freuen.

Langlebigkeit und Lebensdauer der neuen Solarzelle sind noch ungeklärt
In der Theorie ist bewiesen, dass das Material die nötigen Eigenschaften besitzt. Da sich die Moleküle auch nicht einfach gegenseitig wieder entladen können, wäre die Spannung, die in den Molekülen aufgebaut wird, auch an den gegenüberliegenden Enden als nutzbare Spannung abgreifbar. Kurzum: Man könnte das kostengünstige und leichte Material als eine Solarzelle nutzen. Allerdings ist es noch zu früh, um zu sagen, wie langlebig diese Solarzellen bei einem mehrjährigen Einsatz unter realen Bedingungen sind.
Solarzellen sind der Witterung und Wetterextremen ausgesetzt. Gerade die Extreme wie Hagel oder Unwetter nehmen weltweit zu und verursachen heute schon hohe Schäden an Anlagen. Weitere Tests werden nötig sein, um zu bestimmen, wie gut sich das Material unter realen Bedingungen schlägt und mit welchem Verschleiß zu rechnen ist. Auch eine beinahe 100-prozentige Effizienz würde in der Praxis nur wenig bringen, wenn sich herausstellt, dass die Folie kaum ein Jahr übersteht. Doch mit dem neu entdeckten Mechanismus hat die Forschung damit eine Tür geöffnet, die die Konstruktion von Solarzellen anders angehen kann. Es ist somit wohl eher eine Frage der Zeit – und möglicherweise der Effizienzabstriche –, bis sich daraus eine Variante entwickeln lässt, die hohe Stromausbeute und die gewünschte Haltbarkeit verspricht. Man darf somit gespannt sein, wie es mit P3TTM als leuchtende organische LED und als mögliche Solarzelle weitergeht.
