Es sind Zahlen, die Deutschland eigentlich die Freudentränen in die Augen treiben sollten. Die Anzahl der mit Gigabit versorgbaren Anschlüsse klettert Ende 2025 auf 39,6 Millionen Haushalte. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle VATM-Marktstudie. Das bedeutet: Die Gigabit-Versorgungsquote steigt auf mehr als 86 Prozent. Doch wer ein bisschen hinter diese Zahlen schaut, dem trocknen die Freudentränen ganz schnell – und es kommen echte Tränen. Denn mit einer fast flächendeckenden Versorgung Deutschlands mit Glasfaser, die eigentlich bis 2030 das Ziel war, ist dieses Land weit entfernt.
Zahlen zum Glasfaserausbau liefern ein falsches Bild
Die Gigabit-Versorgung inkludiert auch die Versorgung mit Koaxialkabel. Diese ist einer Glasfaser aber weder beim Upstream noch bei Latenz oder Energieverbrauch ebenbürtig. Was ist also mit der reinen Glasfaser? 24,8 Millionen Haushalte (und kleinere Unternehmen) seien mit Glasfaser erreichbar, heißt es. Auch das sieht besser aus, als es ist. Denn die Betonung liegt auf erreichbar. Hier muss ich klar sagen: Das Ziel beim Marathon ist auch mit ein wenig Training erreichbar – notfalls in Schrittgeschwindigkeit.
Und genau so sind die Glasfaser-Zahlen leider zu verstehen. Der Glasfaserausbau in Deutschland mutiert zu einem Spaziergang statt zu einem Dauerlauf. Warum? Weil die Branche sich in weiten Teilen selbst in die Tasche lügt. Denn mitnichten kannst du heute in 24,8 Millionen Wohnungen einen Glasfaseranschluss bestellen und bekommst ihn nächste Woche geschaltet, wie du es bei Kabel oder DSL gewohnt bist. Denn: Die Zählgröße hier ist Homes Passed. Das heißt: Die Glasfaserleitung liegt in der Nähe deiner Wohnung.
Was das bedeutet? Bautrupps reißen die Bürgersteige in den Städten auf und verlegen Leerrohre – sogenannte Speedpipes –, in denen später die Glasfaser eingeblasen wird. Doch meist bleibt es beim Bürgersteig. Die Leitungen gehen schlichtweg nicht in die Häuser. Warum? Der Ausbau ist so schneller und leichter, weil man sich nicht mit den Eigentümern herumschlagen muss. Gleichzeitig hat man als Anbieter aber sein Handtuch ausgeworfen – und ein anderer Anbieter überlegt sich vielleicht zweimal, ob er seine Bautrupps auch noch einmal alles aufreißen lässt.
Trotz Versorgung: Monatelanges Warten auf den Anschluss
Doch für dich als Kunden bringt das herzlich wenig. Denn willst du wirklich einen Glasfaseranschluss bestellen, kannst du vor allem eines: warten. Dein Glasfaser-Anbieter muss sich mit dem Hauseigentümer nachträglich einigen. Es muss erneut ein Bagger anrollen, Genehmigungen zum erneuten Aufnehmen des Bürgersteigs durch denselben Anbieter müssen möglicherweise her – und überhaupt musst du hoffen, dass der Abzweig schon vorbereitet ist. Bis die Leitung wirklich liegt, vergehen nicht nur Wochen oder Monate – teils sind es Jahre. Selbst hochrangige Telekom-Manager bestätigen inoffiziell, dass dieser nachträgliche Ausbau vor allem in der Vergangenheit viel zu lange gedauert habe. Ziehst du neu in eine Wohnung ein, bestellst du da besser einen Anschluss per Kabel oder VDSL. Das ist Glasfaserausbau ad absurdum.
Auch VATM-Vizepräsidentin Valentina Daiber kritisiert das und nennt hier vor allem die Telekom, die zwar Glasfaser ausbaue, aber die Haushalte in den Straßen nicht versorge. Der neuen Bundesregierung und dem neuen Bundestag muss klar sein: Homes Passed ist nicht der Weg in die digitale Gesellschaft“, so Daiber. Das unterschreibe ich sofort. Tatsächlich hat die Telekom mal mehr als nur Homes Passed gebaut, sich davon aber abgewendet. Und ich will es abschließend mit Zahlen untermauern, warum dieser Homes-Passed-Ausbau so fatal ist.
Aus 84 Prozent Gigabit-Versorgung werden keine 10 Millionen Glasfaser-Leitungen
Ende 2025 werden nach VATM-Marktstudie 54,3 Prozent aller Haushalte (24,85 Millionen) mit Glasfaser erreichbar sein – Homes Passed. Tatsächlich mit einer Glasfaserleitung im Haus ausgestattet (Homes Connected) sind gerade einmal 21,7 Prozent (9,9 Millionen). Von diesen tatsächlich sofort schaltbaren Anschlüssen hat die Telekom nur einen Anteil von 38,4 Prozent (3,8 Millionen) – den Rest leisten die Wettbewerber. Geld verdient wird damit aber wohl kaum. Denn selbst von diesen 9,9 Millionen sofort schaltbaren Anschlüssen sind gerade einmal 6,1 Millionen Leitungen gebucht.
Die Prognose für die Entwicklung der gebuchten Glasfaseranschlüsse (Homes Activated) zum Ende 2030 zeigt, dass selbst in einem für die Glasfaser-Entwicklung optimistischen Szenario (Annahme: ein jährliches Plus von 1,5 bis 2,0 Millionen neuen FTTB/H-Anschlüssen) nur knapp 15 Millionen Glasfaseranschlüsse genutzt werden. Umgekehrt heißt das: DSL wird bis Ende 2030 die meistgenutzte Anschlusstechnologie bleiben. Gleichzeitig schieben Telekom & Co. beim Homes-Passed-Ausbau einen riesigen Investitionsstau vor sich her. Den sogenannten Hausstich später herzustellen, ist wesentlich teurer als ihn direkt beim Rollout zu machen. Die Kosten muss der Anbieter zahlen – oder der Kunde, der sich dann im Zweifel eher gegen die Glasfaserleitung entscheidet!
Bei der Telekom reichen diese Zahlen für regelmäßige Pressemitteilungen. „Die Telekom hat im März 178.000 weiteren Haushalten und Unternehmen die Chance auf einen Glasfaseranschluss gegeben“, so das Unternehmen. Die Chance – oft aber auch nicht mehr. Dennoch sei das ein neuer Rekord für den März. Die bisherige Bestmarke für diesen Monat stamme aus dem Vorjahr und betrug 158.000 Haushalte und Unternehmen. Trügerisch auch die Aussage: „Jetzt können 10,5 Millionen Haushalte einen Glasfaser-Tarif mit bis zu 2.000 Mbit/s buchen.“ Sie vermittelt, dass jeder Haushalt im Ausbau-Gebiet 2 Gbit/s buchen könne, was ebenfalls nicht stimmt. Lediglich in geförderten Gebieten und Pilotgebieten ist diese Datenrate verfügbar, die aber ohnehin niemand wirklich braucht. Aber immerhin: Für eine Pressemitteilung hat es gereicht.