Die Preise an der Strombörse sind im Vergleich zum Spätsommer und Herbst stark gefallen. Doch trotz dieser positiven Entwicklungen warnen Experten vor einem weiter steigenden Strompreis. „Für eine Entwarnung ist es noch zu früh“, sagt beispielswiese VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Der VKU ist ein Verband der Kommunalen Unternehmen, also der zahlreichen Stadtwerke in Deutschland. „Die erfreuliche Entwicklung der Gas– und Strompreise ist eine Momentaufnahme und die Energiekrise damit noch nicht überwunden.“ Der Grund seien unter anderem die ungewöhnlich milden Temperaturen, eine moderate Nachfrage und sehr gut gefüllte Gasspeicher, die zuletzt beispielsweise die Gaspreise im Großhandel zum Sinken gebracht haben. Damit sinken auch die Strompreise vor allem auf dem Spotmarkt – also dem Börsenplatz für kurzfristige Beschaffung.
Stadtwerke setzen auf langfristigen Einkauf
Dennoch haben gerade zahlreiche Stadtwerke Preiserhöhungen für den Strompreis angekündigt. Das habe hauptsächlich mit der Beschaffungsstrategie der Stadtwerke zu tun, an deren oberster Stelle nicht der kurzfristige Profit, sondern die Versorgungssicherheit der Bevölkerung steht, heißt es vom VKU. Liebing erklärt: „Die Kurzfristmärkte spielen für die Beschaffung der Stadtwerke nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle, denn sie kaufen Energie stetig auf Termin für die Zukunft ein.“ Ihren künftig erwarteten Energiebedarf kaufen Energieversorger demnach in vielen kleinen Teilmengen zu verschiedenen Zeitpunkten ein. Diese Beschaffungsstrategie schütze die Energiekunden vor großen Preissprüngen – das heißt, sie federe Preisspitzen ab und strecke Preissteigerungen zeitlich.
Wenn Stadtwerke immer aktuell einkaufen würden, hätten Verbraucherinnen und Verbraucher im vergangenen Jahr ein Vielfaches der auf den Strom- und Gasrechnungen ausgewiesenen Preise bezahlen müssen, heißt es vom VKU. Das heißt aber auch, der Strom, den die Stadtwerke in den nächsten Monaten ausliefern, haben sie schon längst eingekauft – mitunter zu höheren Preisen als heute am Spotmarkt möglich wäre. Denn dass die Preise ausgerechnet im Winter wieder fallen würden, war von den wenigsten erwartet worden.
Für die Kunden von Stadtwerken, also beispielsweise auch Kunden in der Grundversorgung, heißt es, dass die Preise für Strom (und Gas) erst wieder fallen werden, wenn sich günstige Preise auch wieder am Terminmarkt beständig durchsetzen. Hinzu kommt: Je unbeständiger die Märkte und sprunghafter die Preise sind, desto höher sind die geforderten Sicherheitsleistungen, die Energieeinkäufer leisten müssen, um Gas und Strom zu kaufen. Mit den Sicherheitsleistungen sichert die Börse die Vertragsparteien gegen mögliche Ausfallrisiken ab. Bei sinkenden Marktpreisen müssen an der Börse vor allem die Energiekäufer Sicherheiten stellen. Aber auch in der außerbörslichen Beschaffung fordern Verkäufer zunehmend Sicherheiten von den Stadtwerken, heißt es vom VKU.
Strompreis-Verdopplung möglich
Die Preisentwicklung für Strom und Gas wird aus Sicht des Verbands der Stadtwerke auch davon abhängen, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickelt. Deutschland werde zwar in absehbarer Zeit den Wegfall des russischen Gases kompensieren können, der damit verbundene Umbau der Infrastruktur sei allerdings zeitintensiv und mit hohen Kosten verbunden. „Grundlage für niedrige Energiepreise ist ein großes Energieangebot“, sagt Liebing. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte er, eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke würde den Strompreis um acht bis zwölf Prozent senken. Dort sagte er auch: „Es wird nach unserer Einschätzung absehbar auf eine Verdoppelung der Gas- und Stromtarife hinauslaufen.“ Einen Zeitraum dafür nannte er nicht.
Der VKU kritisierte auch, dass Verbraucherschützer jetzt dazu raten, sich nach günstigeren Anbietern als den Stadtwerken umzusehen. In der Krise hätten die Stadtwerke für Stabilität gesorgt, als Discounter ihren Kunden von heute auf morgen gekündigt hätten. Er warnte vor Billigtarifen, die nur für einen kurzen Zeitraum günstige Preise anböten und sie danach wieder anheben würden. Dennoch gilt: Wenn du einen günstigen Anbieter mit Preisgarantie findest, bist du unter Umständen gut beraten, hier einen Vertrag abzuschließen. Tatsächlich solltest du aber darauf achten, nicht bei einem reinen Stromdiscounter zu landen. Idealerweise hat dein neuer Versorger Verbindungen zu einem der großen Stromanbieter in Deutschland. Das lässt sich mit ein wenig Recherche nach einem Preisvergleich beispielsweise bei Verivox herausfinden.