Die Schufa soll sich gegenwärtig mit einem mehrseitigen Schreiben an ihre Geschäftskunden wenden, das dem NDR und der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Diese sollen schriftlich bestätigen, dass der Schufa-Score in Ihrem System eine Vertragsentscheidung nicht bereits vorwegnehmen würde, kein K.-o.-Kriterium für die Begründung eines Vertragsverhältnisses sei und nicht zu einer automatischen Ablehnung eines Vertragsabschlusses führe. Fragwürdige Aussagen – was auch die Werbetexte auf der Website der Auskunftei belegen. Dort heißt es beispielsweise: „Diese Informationen (bonitätsrelevante Informationen) in Kombination mit unserer langjährigen Scoring-Expertise erzeugen trennscharfe Entscheidungsgrundlagen für Ihr Geschäft.“ Doch wieso versucht Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei die eigene Rolle im Rahmen solcher Entscheidungsfindungsprozesse herunterzuspielen? Dafür gibt es triftige Gründe.
Schufa greift nach dem Strohhalm
Obwohl die Schufa gegenwärtig das Gegenteil zu vermitteln versucht, dürfte es für Verbraucher mit einem negativen Schufa-Score in den allermeisten Fällen schwieriger sein, einen Kredit zu bekommen, eine Mietwohnung zu finden oder schlicht einen Handyvertrag abzuschließen. Solche Bewerber werden – so zumindest die Annahme – oftmals automatisiert abgelehnt. Auf Basis einer automatischen, in das System integrierten Bonitätsprüfung. Diesen Service bietet die Schufa explizit auf ihrer Website an. Sollte besagte Annahme jedoch den Tatsachen entsprechen, dann könnte die Praxis gegen das EU-Recht verstoßen.
Seit dem 26. Januar 2023 verhandelt der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen Fall, bei dem nach Auffassung des Rechtsanwalts Christian Solmecke nichts Geringeres als das gesamte System der intransparenten Auskunfteien auf der Kippe stünde. Demnach verbietet die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), dass Computer Entscheidungen über Menschen treffen, welche diese entweder rechtlich oder auf eine ähnliche Weise beeinträchtigen könnten. Je nachdem, wie Schufas Geschäftspartner die erhaltenen Bonitätsinformationen einsetzen, könnte jedoch genau das der Fall sein. In der Praxis führe ein negativer Schufa-Score letztlich immer zu negativen Konsequenzen, so Solmecke. Daher sei die Situation letztlich dieselbe wie bei einer vollständig automatisierten Entscheidung.
Ergänzend dazu thematisiert ein weiteres, regionales Verfahren das deutsche Bundesdatenschutzgesetz (§ 31), welches nach Auffassung des (VG) Wiesbaden der DSGVO entgegenstehen könnte. In diesem Fall könnte die Schufa „rechtsgrundlos handeln“.
Geschäftskunden zeigen sich irritiert
Dass ein Großteil der Geschäftskunden die zugestellten Papiere unterzeichnen, gilt als unwahrscheinlich. Nach Recherchen von NDR und SZ seien die Unternehmen eher irritiert. Ein Kunde spreche gar von „Absurdität“. Ferner könnten sich die Firmen angreifbar machen, sollten sie die Bonitätsinformationen wie erwähnt verwenden, dies jedoch schriftlich leugnen. Ob der waghalsige Absicherungsversuch der Auskunftei Früchte trägt, lässt sich daher anzweifeln.