In den vergangenen Jahren ist insgesamt zu wenig zum Netzausbau in Deutschland passiert. Das ist ein Fakt, der heute nicht mehr geändert werden kann und mit dem wir zwangsweise leben müssen. Doch die Konsequenzen, die man aus dem Ist-Zustand ziehen sollte? Da scheiden sich die Geister. Erst kürzlich berichteten wir über eine Äußerung von RWE-Chef Markus Krebbe, der kurzerhand Besitzer von PV-Anlagen und Balkonkraftwerken ebenfalls zur Kasse bieten wollte. Offenbar scheint er mit dieser Meinung nicht allein dazustehen. Denn Wirtschaftsministerin Katharina Reiche schlägt während eines RWE-Events wenig überraschend in dieselbe Kerbe.
Regierung ändert Kurs für Energiewende – und das auf fragwürdigen Daten basiert
Die Energiebranche harrt seit Wochen aus, um abzuwarten, welche Erkenntnisse Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) in ihrem Bericht veröffentlichen wird. Das von ihr in Auftrag gegebene Monitoring soll den Stand der Energiewende abbilden und mit in die Entscheidung der nächsten Schritte einfließen. Schon jetzt lässt sich an Tönen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erahnen, dass es dabei Veränderungen geben könnte. Der Ausbau von Wind und Solar könnte ausgebremst werden. Der Hintergrundgedanke dahinter: Erzeugungskapazitäten erst weiter ausbauen, wann das Netz aufholen konnte.
Doch das könnte sich als Stolperstein für Deutschland erweisen. Schon in diesem August hatte man mit wesentlich mehr Stunden negativer Strompreise gerechnet, durch den Zuwachs an Solarenergie. Tatsächlich waren jedoch lediglich 64 Stunden mit negativen Strompreisen behaftet, trotz der vielen Sonnenstunden im Monat. Es ist keineswegs so, als würden Erzeugungskapazitäten nicht weiter gebraucht. Dennoch ist es zutreffend, dass der Netzausbau voranschreiten muss – und auch die Aufstellorte für die Anlagen bewusster gewählt werden sollten.
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Während also schon erste Ansätze durchsickern, wie die Kosten für die Energiewende verringert werden sollen, stehen auf andere Seite beunruhigende Erkenntnisse. Denn ein weiterer Regierungsbericht, der schlichtweg die Stromspeicherindustrie ignoriert, rechnet mit einem Bedarf an bis zu 71 Gaskraftwerken für Deutschland. Anstatt weiter in günstigere Energiequellen zu investieren, könnten also vielmehr überteuerte Gaskraftwerke unter Reiches Leitung entstehen. Gaskraftwerke, die uns in den kommenden Jahrzehnten deutlich teuer zu stehen kommen werden, als einen Großteil dieser Gelder stattdessen in langfristige Speicheranlagen oder das Stromnetz zu investieren.
Reiche wälzt Verantwortung für Energiewende auf Verbraucher ab
Genau in diesen Zeiten positioniert sich Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) nun vehement für einen Kurswechsel. Dazu gehört nicht nur, dass die Ministerin bereits die Förderung von PV-Anlagen grundsätzlich abschaffen möchte. Sie will den ungebremsten Zubau von kleinen Solaranlagen ausbremsen, um weitere Eingriffe ins Netz zu verhindern. Denn gerade diese Redispatch-Maßnahmen kosten jährlich Milliarden, die in Form von Netzentgelten an Verbraucher weitergegeben werden. Auch finden sich längst erste Netzbetreiber, die PV-Anlagen nur noch als Nulleinspeiser ans Netz nehmen können. Doch es werden letztlich nicht die kleinen Erzeugungsanlagen von Privatpersonen sein, die hier das Zünglein an der Waage sind.
Denn überall dort, wo sie das Netz inzwischen an Kapazitätsgrenzen treiben, ist es lediglich ein Symptom eines anderen Faktes: Das dortige Netz wurde schon lange nicht ausreichend auf die heutigen Bedingungen in Deutschland ausgeweitet. Doch die privaten Haushalte sollen jetzt diejenigen sein, die das Nachsehen haben, in dem ihre Anlagen nicht mehr zum Einspeisen angeschlossen werden können.
Einspeisen von Strom nur noch gegen Gebühren?
Damit nicht genug, geht Reiche noch einen Schritt weiter. Während einer Veranstaltung des Energiekonzerns RWE am vergangenen Mittwoch forderte sie von Ökostromerzeugern, sich an den Netzkosten zu beteiligen. „Wer ans Netz will von den Erneuerbaren Energien, muss sich in Zukunft am Netzausbau beteiligen“, sagte die CDU-Politikerin. Damit stärkt sie RWE-Chef Markus Krebbe mit seiner Forderung den Rücken. Und positioniert sich zugleich eindeutig gegen Besitzer von PV-Anlagen, die damit ebenfalls zur Kasse gebeten würden.
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Es wirkt zunehmend, als wolle die Ministerin sich ihre Unterstützung für die Gasindustrie ausgerechnet von denjenigen zahlen lassen, die grünen Strom in Deutschland vorangetrieben haben. Ein Irrweg, der nicht im Geist der Energiewende steht. Sicherlich muss eine Finanzierung des Netzes fair erfolgen und dabei auch auf Privathaushalten einschließen. Doch private PV-Anlagen dabei verstärkt in den Fokus zu rücken, zäumt das Pferd nicht nur an der ineffektivsten Stelle von hinten auf. Es sendet auch die falschen Signale an die Bevölkerung.
Anstatt zu versuchen den überschüssigen Strom mit Strafzahlungen zu quittieren, sollte man ihn in nutzbaren Strom verwandeln. Dazu muss Geld in die Erforschung von Speichermöglichkeiten investiert werden, die über die Kurzzeitspeicherung hinausgehen. Erste Technologien sind dafür längst vorhanden, andere stecken in der Forschung und könnten in den kommenden Jahren verfügbar werden. Denn jeder Teil des günstigen Stroms, den Deutschland auch tatsächlich langfristig gesichert verwenden kann, senkt die Kosten dauerhaft herab.