Netzausbau: Warum die Glasfaser scheitert, bevor sie ankommt

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Der Glasfaser-Ausbau in Deutschland ist in vollem Gange. Doch während die Bagger rollen und die Anbieter Glasfaserleitungen verlegen, bleibt ein Problem: Kaum jemand bucht die Glasfaser. Warum eigentlich? Und was muss sich ändern?
Ein Glasfaser-Leerrohr

Glasfaser-Ausbau mit Problemen: Der nächste Anbieter ist pleite

In den vergangenen Jahren hat sich der Glasfasermarkt stark gewandelt. Während zunächst der Fokus vieler Anbieter auf schnellem Ausbau und ambitionierten Businessplänen lag, rutscht nun ein anderer Aspekt in den Vordergrund: der Umsatz. Denn vielerorts fehlt es schlicht an zahlenden Kunden auf den neuen Netzen. Die Folge: Businesspläne gehen nicht auf, Investoren werden nervös, und der weitere Ausbau gerät ins Stocken.  Sebastian Krems, Geschäftsführer von Latus Consulting, hat es beim Breitbandkongress des Fachverband Rundfunk- und Breitbandbandkommunikation (FRK) in Leipzig auf den Punkt gebracht: „Uns fehlt der Umsatz. Wir haben zu wenig Kunden auf unseren Netzen.“

Glasfaser: Netze sind weitgehend ungenutzt

Krems ist seit Jahren Berater der Telekommunikationsbranche und hat als solcher einen tiefen Einblick in die Zahlen und Herausforderungen der Anbieter. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Zwar wurden in den letzten fünf Jahren im Schnitt vier Millionen neue Haushalte pro Jahr mit Glasfaser erschlossen, doch die Auslastung der Netze bleibt niedrig. Durchschnittlich liegt sie bei rund 25 Prozent. Besonders deutlich wird das Problem bei der Telekom: Zwar hat sie den Ausbau stark vorangetrieben, aber die Kundengewinnung weitgehend vernachlässigt. Die Nachfrage liegt hier nach Branchenangaben bei etwa 15 Prozent. Die Telekom selbst argumentiert, dass sie anders als andere Anbieter nicht auf eine Vorvermarktung setzt. Zum Vergleich: Alternative Anbieter stehen mit rund 30 Prozent Auslastung etwas besser da. Doch auch das reicht oft nicht, um die ursprünglichen Erwartungen zu erfüllen.

Gleichzeitig wird der Ausbau selbst immer teurer. Gerade in ländlichen Regionen sind viele Gebiete bereits versorgt, sodass die verbleibenden Projekte kleinteiliger und aufwendiger werden. Auch Investoren reagieren auf diese Entwicklung. Statt auf flächendeckende Versorgung zu setzen, rücken Renditeziele in den Mittelpunkt. „Investoren wollen heute sehen, dass die Businessmodelle fliegen. Flächendeckung reicht da nicht mehr aus“, so Krems.

Kunden wollen Zuverlässigkeit, keine hohen Downloadraten

Dabei zeigt eine aktuelle Analyse, worauf es Kundinnen und Kunden wirklich ankommt: Nicht Geschwindigkeit oder Preis stehen an erster Stelle, sondern Zuverlässigkeit. 40 Prozent der Befragten nannten sie als wichtigstes Kriterium für einen Wechsel zu einem Breitbandprodukt. Erst mit Abstand folgen der Preis (25 Prozent) und die Downloadrate (10 Prozent). Werblich kommuniziert wird dagegen nach wie vor fast ausschließlich mit Gigabit-Zahlen. Das aber ist für die Kunden offenbar kein Kaufargument. Das verwundert auch nicht, denn auch wir von inside digital raten dir seit Jahren dazu, dass ein Anschluss mit 100 bis 300 Mbit/s für nahezu alle Haushalte noch auf Jahre ausreichend sein wird.

In das gleiche Horn stieß Henrik Bremer von der Anwaltskanzlei Wirtschaftsrat Recht in seinem Vortrag. „Das Sie einen Gigabit-Anschluss haben, ist vielleicht nett, wenn Sie das ihrem Nachbarn beim Grillen erzählen können.“ Das, was tatsächlich technisch notwendig ist und was Glasfaser mehr bietet, sei für die meisten gar nicht nutzbar. Einen wirklichen Mehrwert gegenüber etwa einem Kabelanschluss habe die Glasfaser aus Bremsers Sicht nicht. Nur wenige Verbraucher seien in der Lage, die Vorteile für sich zu nutzen. So lange es die Glasfaser-Netzbetreiber es nicht schaffen, ihre Produkte entsprechend attraktiv zu machen, hat er hier wenig Hoffnung.

„Gigabit für Privathaushalte hat keinen Mehrwert“

Kunden sind unzufrieden

Gleichzeitig offenbaren die Foren der Netzbetreiber, wo der Schuh am meisten drückt: Lange Wartezeiten bei der Bereitstellung, unzureichende technische Leistung im Betrieb und schlecht erreichbarer Kundenservice sind die Hauptärgernisse. Diese Punkte stehen in direktem Widerspruch zu dem, was Kundinnen und Kunden sich wünschen. Die Konsequenz: Unentschlossene wechseln nicht, der Markt stagniert.

Zwar zeigen Studien, dass rund 27 Prozent der Haushalte sofort auf Glasfaser umsteigen würden und 34 Prozent immerhin interessiert sind, wenn das Angebot stimmt. Doch wer seine Prozesse nicht im Griff hat, wird diese potenziellen Kunden nicht erreichen. Gerade operative Exzellenz ist hier entscheidend: Von der Planung bis zur Inbetriebnahme müssen alle Abläufe aufeinander abgestimmt sein, damit Kundenerwartungen erfüllt werden. Doch die tägliche Praxis zeigt, dass es hier noch oft klemmt. Möglicherweise, weil sich die Branche auch zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Auch Probleme, den Zugang zum Kunden überhaupt mit der Glasfaserleitung durchs Treppenhaus erreichen zu können, machen es vielen Anbietern nicht leichter.

„Die Umsetzung der Prozesse muss so gestaltet sein, dass der Kunde optimal bedient wird“, sagt Krems. Er betont: „Wenn das Werbeversprechen nicht zur realen Erfahrung passt, hat es der Vertrieb schwer.“

Bildquellen

  • „Gigabit für Privathaushalte hat keinen Mehrwert“: Thorsten Neuhetzki / inside digtal
  • Videokonferenzen im Homeoffice: Pixabay
  • Glasfaser-Ausbau mit Problemen: Der nächste Anbieter ist pleite: Markus Jöckel / PIxabay

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