PV-Anlagen zur Mittagszeit abschalten? Darum werden Menschen dafür bezahlt

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Es klingt kurios, ist jedoch mancherorts bereits eine gängige Praxis geworden: Menschen schalten ihre PV-Anlagen zur Mittagszeit aus und erhalten im Gegenzug eine Vergütung dafür. Das Modell könnte sich als Schlüsselstein in der Energiewende erweisen.
PV-Anlage auf dem Hausdach, Sinnbild für Einspeisevergütung

Einspeisevergütung steigern - Warum PV-Betreiber jetzt höhere Vergütung erhalten können

Üblicherweise bezahlt man Menschen für die Einspeisung des Stroms ihrer PV-Anlage, in Form der bekannten Einspeisevergütung. In Deutschland ist diese zwar kontinuierlich gesunken, doch auch Neuanlagen profitieren weiterhin davon. Sie erhalten lediglich keine Vergütung mehr in Phasen, in denen die Strompreise an der Strompreisbörse mit negativen Preisen gehandelt werden. Ein Pilotprojekt an der niederländischen Nordseeküste geht jedoch einen anderen Weg. Hier erhalten Menschen ausgerechnet Geld dafür, dass sie ihre PV-Anlage zu bestimmten Zeiten vom Netz nehmen.

Abschaltung der PV-Anlagen soll Netze entlasten und mehr Solarmodule zulassen.

Während bestimmter Zeiten produzieren die niederländischen Inseln Tholen, Sint-Philipsland und Schouwen-Duiveland mehr Solarstrom, als sie verbrauchen können. Im Rahmen eines Pilotprojekts hat Energieversorger Eneco daher einigen Kunden angeboten, ihre Solarmodule an sonnigen Tagen teilweise gegen Bezahlung abzuschalten. Insgesamt ist das seit Start des Projekts lediglich zehnmal vorgekommen. Doch dank der Eingriffe bei diesen Kunden konnte man die Netzbelastung des dortigen Stromnetzes um 57 Prozent reduzieren. Dabei ist die vollkommene Abschaltung der PV-Anlagen gegen Bezahlung nicht die einzige Option, die in dem Pilotprojekt zur Anwendung kommt.

Vielmehr nutzten die Teilnehmer auch andere Methoden, um möglichst viel des produzierten Sonnenstroms selbst zu verbrauchen. Etwa, indem sie einzige Zeit nutzten, um ihre E-Autos aufzuladen, sodass dieser Strom nichts ins Stromnetz floss. Mithilfe des Projekts und den gesammelten Daten möchte man ein Energiemanagementsystem entwickeln und verfeinern, das die Belastung des Stromnetzes langfristig senken könnte. Neben dem Energieversorger Eneco ist auch der Netzbetreiber Stedin an dem Projekt beteiligt. Sie berichten, dass der wichtigste Grund für die Teilnehmer dabei der Beitrag zur Energiewende darstellte.

Denn durch das Abschalten einer Reihe von Solarmodulen in Spitzenzeiten sowie eine Erhöhung des Eigenverbrauchs können insgesamt mehr Solarmodule an dasselbe Netz angeschlossen werden. So profitieren auch noch weitere Menschen auf den Inseln von günstigerem Solarstrom. Stedin plant, das Projekt auszuweiten. Eneco soll dabei mit weiteren Energieversorgern zusammenarbeiten. Dabei steht für die Unternehmen im Fokus, das System stärker zu automatisieren. Insbesondere für Verkäufer von Solarmodulen und Wechselrichtern ist es notwendig, dass man die Kontrolle über die Anlagen erleichtert und feste Standards einführt. Ebenso soll ein Umdenken in der Bevölkerung erreicht werden. Etwa, indem man Energie gezielt verbraucht, wenn sie verfügbar ist. Etwa um das Fahrzeug aufzuladen, die Wärmepumpe zu betreiben oder andere Elektrohaushaltsgeräte bewusster einzuschalten.  

Pilotprojekt um PV-Anlagen könnte als Vorbild für Deutschland dienen

Sicherlich kann man nicht jedes Problem in der Energiewende damit lösen, wenn man für die Abregelung von PV-Anlagen eine Gebühr zahlt. Doch das Instrument könnte gemeinsam mit einer smarten Steuerung der Systeme notwendige Impulse setzen, um die Stromerzeugung und den Stromverbrauch in Deutschland an den Wandel unseres Stromnetzes anzupassen. Vor allem in Einzelregionen, in denen viele Abschaltungen oder Anpassungen notwendig sind, könnte man dank eines solchen Vorbilds mehr Möglichkeiten für Verbraucher schaffen. Denn schon jetzt stehen Haushalte nicht selten vor dem Problem, dass Netzbetreiber Anschlüsse von Starkstromverbrauchern oder neuen Anlagen passend an die Netzkapazitäten begrenzen müssen.

Könnte dasselbe Netz jedoch mit einer smarten Steuerung mehr variable Belastung verkraften, profitieren am Ende alle von der zusätzlichen Flexibilität. In den Niederlanden hat das Projekt jedoch eine andere Tragweite. Denn im Gegensatz zu Deutschland gibt es dort keine Einspeisevergütung im eigentlichen Sinne, sondern eine Erfassung des Stromverbrauchs und der Einspeisung in die öffentlichen Netze. Beides verrechnet man dortzulande miteinander, sodass jeder Haushalt mit PV-Anlage praktisch den vollen Strompreis pro Kilowattstunde erhält. Dadurch ist die Motivation zum Kauf eines Stromspeichers deutlich geringer als in Deutschland, wo man die Einspeisung lediglich mit einem Bruchteil der Bezugskosten pro Kilowattstunde entlohnt.

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