Was Kolleginnen und Kollegen verdienen, bleibt in vielen Unternehmen ein gut gehütetes Geheimnis. Selbst mit bestehenden Auskunftsrechten stoßen Beschäftigte oft an unsichtbare Grenzen. Doch genau daran will die EU rütteln: Ab 2026 soll eine neue Richtlinie für deutlich mehr Offenheit sorgen und damit ein Thema ins Licht rücken, das lange im Schatten lag.
Warum das alte Gesetz kaum Bewegung gebracht hat
In Deutschland gibt es schon seit Jahren ein Entgelttransparenzgesetz. Auf dem Papier klang das nach Fortschritt: mehr Einblick, weniger Ungleichheit zwischen Frauen und Männern. In der Praxis fühlte es sich allerdings oft an wie ein Fenster mit Milchglas. Licht kam durch, Details blieben verborgen.
Viele Beschäftigte wussten gar nicht, welche Rechte sie hatten. Andere scheuten den Aufwand oder die mögliche Spannung im Job. Am Ende blieb Gehalt weiter ein Thema, über das man höchstens flüsterte. Genau hier setzt die neue Regelung an – nicht als Ersatz, sondern als deutliche Nachschärfung.
Die EU zieht die Schrauben zur Gehaltstransparenz nach
Mit der EU-Richtlinie (EU 2023/970) will die Europäische Union genau diese Lücke schließen. Das Ziel ist klar formuliert: gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit, für Frauen und Männer. Und diesmal bleibt es nicht bei einer guten Idee. Bis spätestens 7. Juni 2026 müssen alle Mitgliedstaaten die Vorgaben umsetzen. Für dich heißt das: mehr Klarheit, bevor du einen Vertrag unterschreibst, und mehr Rechte, wenn du bereits im Job bist. Gehalt wird damit weniger Gefühlssache und mehr nachvollziehbare Größe.
Was sich für dich konkret ändert
Eine der spürbarsten Neuerungen beginnt schon vor dem ersten Arbeitstag. Arbeitgeber müssen künftig das Einstiegsgehalt oder zumindest eine Gehaltsspanne nennen. Das Rätselraten entfällt. Gleichzeitig dürfen sie dich nicht mehr nach deinem bisherigen Gehalt fragen, ein kleiner, aber wirkungsvoller Schnitt. Auch im Job selbst bekommst du neue Einblicke. Du kannst erfahren, nach welchen objektiven Kriterien Entgelt festgelegt und weiterentwickelt wird. Auf Wunsch sogar, wie hoch das durchschnittliche Gehalt vergleichbarer Tätigkeiten ist, inklusive einer Aufschlüsselung nach Geschlecht. Das fühlt sich ein bisschen so an, als würde jemand endlich das Licht im Raum einschalten, nachdem man sich zuvor im Dämmerlicht orientieren musste.
Gleichwertige Arbeit: mehr als gleiche Aufgaben
Spannend ist der Blick auf das, was als „gleichwertig“ gilt. Es geht nicht darum, ob zwei Menschen exakt dasselbe tun. Entscheidend sind Faktoren wie Verantwortung, Qualifikation, Arbeitsbedingungen und Aufwand. Unterschiedliche Jobtitel können also durchaus vergleichbar sein. Damit wird das Thema Gehalt komplexer, aber auch fairer. Unterschiede müssen begründet werden – und zwar nachvollziehbar. Große Lücken ohne triftige Gründe sollen künftig nicht mehr einfach hingenommen werden.

Welche Unternehmen was offenlegen müssen – und ab wann es ernst wird
Spannend wird es bei der Frage, wen die neuen Regeln eigentlich konkret treffen. Denn die EU setzt nicht auf einen harten Schnitt für alle, sondern auf ein gestaffeltes System. Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr Transparenz wird verlangt. Das fühlt sich fair an – und verhindert, dass kleine Betriebe sofort überfordert werden.
- Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten bleiben vergleichsweise verschont. Sie können von der Pflicht ausgenommen werden, detaillierte Kriterien zur Entgeltentwicklung offenzulegen. Für dich heißt das: In sehr kleinen Firmen ändert sich zunächst weniger, zumindest auf dem Papier.
- Ab 50 Beschäftigten beginnt die nächste Stufe. Hier greifen bereits erweiterte Informationspflichten, etwa zur Offenlegung objektiver Kriterien für Gehalt und Gehaltsentwicklung. Ganz ohne Transparenz geht es also auch hier nicht mehr.
- Richtig verbindlich wird es ab 100 Beschäftigten. Unternehmen dieser Größe müssen künftig regelmäßig berichten, wie groß die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern ausfallen. Allerdings nicht sofort: Die EU räumt Zeit ein, um Prozesse und Strukturen aufzubauen. Firmen mit 100 bis 149 Mitarbeitenden müssen ihren ersten Bericht bis 7. Juni 2031 vorlegen, danach alle drei Jahre. Das klingt weit weg, signalisiert aber klar: Das Thema verschwindet nicht mehr.
- Bei 150 bis 249 Beschäftigten wird das Tempo angezogen. Hier ist der erste Bericht bereits bis 7. Juni 2027 fällig, ebenfalls mit einem Drei-Jahres-Rhythmus. Ab dieser Größe erwartet die EU, dass Gehaltsstrukturen systematisch erfasst und überprüft werden.
- Am stärksten betroffen sind Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitenden. Sie müssen ihren ersten Bericht ebenfalls bis 7. Juni 2027 vorlegen – danach jedoch jährlich. Große Firmen stehen damit dauerhaft unter Beobachtung. Entgeltlücken lassen sich nicht mehr aussitzen, sondern müssen erklärt und gegebenenfalls geschlossen werden.
Wichtig ist dabei: Finden sich größere Gehaltsunterschiede ohne sachliche Begründung, reicht ein Bericht allein nicht aus. Unternehmen sind verpflichtet, aktiv nachzubessern. Transparenz bleibt also kein Selbstzweck, sondern bekommt echte Konsequenzen.
Noch ist offen, wie genau Deutschland diese Vorgaben ins nationale Recht gießt. Klar ist aber schon jetzt: Mit zunehmender Unternehmensgröße wird Gehalt künftig weniger Bauchgefühl – und mehr überprüfbare Realität.
Transparenz, die langsam wirkt – aber bleibt
Nicht jedes Unternehmen muss sofort umfangreiche Berichte vorlegen. Die Pflichten sind nach Größe gestaffelt, kleinere Betriebe haben mehr Zeit oder sind teilweise ausgenommen. Trotzdem ändert sich der Ton insgesamt. Gehalt wird kein streng gehütetes Geheimnis mehr sein. Für dich bedeutet das vor allem eines: mehr Orientierung. Du weißt besser, wo du stehst, und kannst fundierter entscheiden. Es ist kein lauter Umbruch, eher ein stetiges Öffnen von Türen. Aber manchmal reicht genau das, um frische Luft hereinzulassen.
