KOMMENTAR

Rauswurf für Kimmel: Drei Lehren für unsere Demokratie

9 Minuten
Jimmy Kimmel Live läuft auf unbestimmte Zeit nicht mehr. Die Kritik an Trump war dem Sender ABC zu viel. Es geht hier aber sicher nicht nur um ein TV-Erlebnis. Wir sehen eine Entwicklung, die auch Deutschland betrifft – und ich erkläre Dir, wieso ich das so wahrnehme!
Ein Bild von Jimmy Kimmel und das Logo von
Bis auf weiteres hat man Jimmy Kimmel den Stecker gezogen.Bildquelle: inside digital / Carsten Drees

Es war ein echter Schock in den amerikanischen Medien: Ausgerechnet Jimmy Kimmel, einer der bekanntesten Late-Night-Hosts, verschwindet plötzlich von der Bildfläche. Sein vermeintliches Vergehen? Ein Monolog, in dem er Donald Trump und dessen Anhänger:innen scharf attackierte – etwas, das er seit Jahren regelmäßig macht. Doch diesmal löste das eine Kettenreaktion aus, die zeigt, wie anfällig die amerikanische Medienlandschaft inzwischen geworden ist.

Was nach einer schrillen Episode im Dauerclinch zwischen Comedy und Politik klingt, ist weit mehr als das: Es ist ein Warnsignal für demokratische Gesellschaften weltweit. Denn wenn Empörung, wirtschaftliche Interessen und politischer Druck reichen, um eine prominente Stimme zum Schweigen zu bringen – wie sieht es dann für weniger bekannte Journalist:innen aus? Und was bedeutet das für Länder wie Deutschland, die zwar andere Strukturen haben, aber vor ähnlichen Herausforderungen stehen?

Die Chronologie des Kimmel-Falls

Schauen wir uns an, wie sich das Ganze in den USA entwickelt hat. Auslöser war die Ermordung des rechten Aktivisten Charlie Kirk (… und wir lassen mal offen, ob „rechter Aktivist“ als Bezeichnung reicht). In seinem Montagsmonolog sprach Jimmy Kimmel nicht nur über die Tat, sondern verband sie mit klarer Kritik an Trumps Rhetorik und der Gewaltbereitschaft innerhalb der MAGA-Bewegung. Wörtlich sagte er:

„Wir haben am Wochenende neue Tiefpunkte erreicht, als die MAGA-Gang verzweifelt versuchte, diesen Jungen, der Charlie Kirk ermordet hat, als etwas anderes darzustellen als einen von ihnen und alles tut, um daraus politisches Kapital zu schlagen.“

Seine Worte sorgten sofort für Aufruhr in konservativen Kreisen und waren der Startschuss für das, was dann kam.

Schritt 1: Empörung von rechts

Die rechte Gegenoffensive ließ nicht lange auf sich warten: Schon nach wenigen Stunden griffen Fox News und einschlägige Portale den Monolog auf. Das Framing: Kimmel sei „respektlos gegenüber einem Mordopfer“ und „Feind der Meinungsfreiheit“.

Schritt 2: Druck von der Medienaufsicht

Die Lage eskalierte, als die FCC ins Spiel kam. Brendan Carr, republikanisches Mitglied der US-Medienaufsicht, verschärfte die Situation deutlich. In der von Benny Johnson moderierten Benny Show sagte der von Trump eingesetzte Carr:

„Dies ist derzeit ein sehr, sehr ernstes Problem für Disney. Wir können dies auf die einfache oder auf die harte Tour angehen. Diese Unternehmen können Wege finden, gegen Kimmel vorzugehen, oder es wird zusätzliche Arbeit für die FCC geben.“

Schritt 3: Die Sender sind eingeschüchtert

Dieser Druck traf Nexstar – einen Konzern, der hunderte kleinere US-Sender kontrolliert. Erste Stationen entschieden, die Show nicht mehr auszustrahlen. Schließlich zog auch ABC, eine Disney-Tochter, die Reißleine: Angesichts von Boykottaufrufen nahm man Kimmel auf unbestimmte Zeit aus dem Programm.

Schritt 4: Trump feiert

Donald Trump nutzte die Gelegenheit, um zu triumphieren. Über Social Media erklärte er, dass das erst der Anfang sei. Er lobte ABC für die Entscheidung, verspottete Kimmel – und gleich auch Stephen Colbert, dessen Show schon Wochen zuvor ins Visier geraten war.

Beitrag von Donald J. Trump, der die Absage der Jimmy Kimmel Show und andere Late-Night-Moderatoren kritisiert.
Donald Trump gratulierte ABC zum „Mut“, Jimmy Kimmel aus dem Verkehr zu ziehen.

Trump erwähnte auch Jimmy Fallon und Seth Meyers, also zwei weitere Late-Night-Hosts, die seiner Meinung nach nichts vor der Kamera verloren haben. NBC, die Heimatsender der beiden, solle seiner Meinung nach aktiv werden.

Die US-Medienlandschaft: Konzentration als Risiko der Demokratie

Late-Night-Shows wie die von Carson, Letterman oder Colbert waren nie bloß Unterhaltung – sie haben das politische Klima der USA jahrzehntelang mitkommentiert. Doch inzwischen geraten diese Stimmen massiv unter Druck. Der Hauptgrund: die enorme Medienkonzentration. Konzerne wie Nexstar oder Sinclair kontrollieren hunderte Lokalsender und können so den Tonfall der Berichterstattung landesweit bestimmen. Vielfalt weicht Gleichschritt – und politischer Einfluss lässt sich leichter durchsetzen.

Dazu kommt die Abhängigkeit von Werbung. Werbekunden meiden Kontroversen, also knicken Senderchefs schneller ein, wenn Politik, Lobbygruppen oder die Medienaufsicht FCC Druck machen. Die Behörde ist längst zum Spielball im politischen Machtkampf geworden. Das Ergebnis: Unterhaltung, Journalismus und Politik verschwimmen – und die demokratische Debatte leidet.

Der Fall Kimmel zeigt, wie das konkret funktioniert: Die großen Networks wie ABC oder NBC laufen über zahlreiche lokale Stationen. Hier kommen Unternehmen wie Nexstar ins Spiel, die den ersten Hebel ansetzen: Wenn Kimmel aus diesen Programmen fliegt, brechen Werbeeinnahmen weg.

Gleichzeitig hat Nexstar Expansionspläne. Für 6,2 Milliarden US-Dollar will man Tegna Media übernehmen – die Zustimmung der FCC fehlt noch. Und genau da sitzt Brendan Carr, Trump-Verbündeter und FCC-Kommissar, der ABC unverhohlen nahegelegt hat, bei Kimmel schnell aktiv zu werden. Du erkennst das Muster: wirtschaftlicher Druck, politische Interessen, behördliche Drohkulisse.

Deutschland im Fokus: Öffentlich-Rechtliche unter Beschuss

Ein Blick nach Deutschland zeigt ein anderes Modell: Öffentlich-rechtliche Sender sind gebührenfinanziert, föderal organisiert und historisch als Lehre aus der Zeit des Nationalsozialismus entstanden. Das schützt grundsätzlich vor denselben Abhängigkeiten, die das US-System so anfällig machen. Aber auch hier wächst der Druck.

Die AfD spricht gezielt von „Staatsmedien“ und arbeitet daran, Vertrauen in die Institutionen zu untergraben. Parallel dazu gibt es Beitragsverweigerer und politische Vorstöße, die Gebühren massiv kürzen wollen – Stichwort „GEZ abschaffen“. Die Sender geraten dadurch permanent in eine Verteidigungsrolle, eingeklemmt zwischen Dauerempörung, Reformforderungen und Spardebatten.

Die Folgen spüren Journalist:innen wie Elmar Theveßen und Dunja Hayali hautnah. Sie geraten ins Visier, weil sie Dinge klar benennen, die ein AfD-nahes Publikum nicht hören will. Persönliche Attacken, Einschüchterungen und Drohungen gehören inzwischen zum Alltag. Besonders Dunja Hayali wird aktuell wieder massiv bedrängt – so sehr, dass sie sich aufgrund der Flut an Hassbotschaften und Morddrohungen aus den sozialen Medien zurückziehen musste. Für mehr Kontext schaut Euch folgendes Video an, dass erklärt, wieso Hayali und Theveßen derzeit so heiß diskutiert werden: 

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Der Unterschied zu den USA: Hierzulande gibt es noch keine privaten Medienkonzerne, die das komplette System dominieren. Aber auch bei uns gilt: Medienvielfalt ist kein Selbstläufer – sie muss immer wieder verteidigt werden.

Drei Lehren für unsere Demokratie

1. Öffentlich-rechtliche Medien sind demokratische Infrastruktur

Guter Journalismus darf nicht am Tropf von Werbekunden hängen. Gebührenfinanzierte Sender sichern Unabhängigkeit und sorgen für Meinungsvielfalt – auch dort, wo Quoten alleine nichts tragen würden. Damit das so bleibt, müssen die Öffentlich-Rechtlichen selbstbewusster auftreten und ihren Auftrag offensiv vertreten.

2. Medienkonzentration bedroht die Vielfalt

Wenn nur wenige Konzerne über hunderte Kanäle bestimmen, verschwinden die vielfältigen Stimmen. Das schwächt nicht nur den Lokaljournalismus, sondern macht Medien auch anfälliger für politischen Druck – wie du am Beispiel USA gesehen hast. Demokratie braucht nicht nur viele Inhalte, sondern auch viele Strukturen: föderale Systeme, unabhängige Redaktionen, stabile Finanzierung.

3. Medienfreiheit muss aktiv geschützt werden

Rechtliche Sicherungen reichen nicht. Eine Demokratie – und ich hoffe doch, dass wir alle sie bewahren wollen – lebt davon, dass wir als Gesellschaft unabhängige Medien unterstützen – durch Vertrauen, Kritik und Engagement. Und die brauchen internationale Solidarität: Angriffe auf freie Presse, egal ob in den USA oder bei uns, sind nie nur ein nationales Problem, sondern ein Warnsignal für alle.

„… aber mir können die Systemmedien gestohlen bleiben!“

Solche Sprüche lese ich ständig. Über die Wortwahl zu streiten bringt wenig – wichtiger ist: Wir alle profitieren vom Angebot des ÖRR. Wer sich mal durch die Vielfalt an TV, Radio und Mediatheken klickt, kann das eigentlich nicht übersehen.

Ja, ARD und ZDF stehen oft in der Kritik – manchmal auch zu Recht. Aber: Hier wird keine Sendung abgesetzt, nur weil eine Regierung es so will. Öffentlich-rechtliche Angebote sind keine ideologische Bevormundung, sondern eine Art Grundversicherung: verlässliche Infos in Krisen, regionaler Journalismus, Kultur, Bildung – und Dinge, die sich kommerziell nicht rentieren würden.

Natürlich bauen auch die Öffentlich-Rechtlichen Mist, verschwenden Geld oder führen merkwürdige Personaldebatten. Aber die Alternative? Ein TV, bei dem Konzerne oder Big Tech das Sagen haben – oder eine einzige Partei vorgibt, was du siehst.

Damit das nicht passiert, braucht es ein Gebührenmodell. Ob und wie man das reformiert, ist eine andere Diskussion. Aber bitte nenne es nicht „Freiheit“, wenn Du lieber ein System hättest, bei dem die mehr Macht erhalten, die sich heute schon gerne die Taschen vollmachen.

Mein Fazit: Lasst uns den Kimmel-Moment als Weckruf sehen

Was in den USA gerade passiert, ist mehr als eine Medienposse. Wenn ein Moderator von einer Regulierungsbehörde ins Visier genommen und faktisch kaltgestellt wird, weil er eine Regierung und mächtige Konzerne kritisiert, dann nagt das an den Grundfesten der Demokratie. Das darf nicht normal werden.

Für dich und mich in Deutschland ist das ein klares Alarmsignal. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht hierzulande immer wieder in der Kritik — teils zu Recht, oft aber mit dem Ziel, ihn zu schwächen oder ganz zu beseitigen. Dabei ist er eine zentrale Säule unserer Informationsinfrastruktur: unabhängig finanziert, der Vielfalt verpflichtet und nicht primär dem Profit.

Eine freie Medienlandschaft ist kein Naturgesetz. Sie braucht Schutz — durch funktionierende Institutionen, stabile Strukturen und durch uns als Gesellschaft: kritische Publika, zivilgesellschaftliches Engagement und Solidarität. Ernsthaft, hier sind wir verdammt nochmal alle gefragt!

Wenn wir unsere Medienlandschaft schwächen, laufen wir Gefahr, dass am Ende nur noch ein paar Stimmen übrigbleiben – die lautesten, die mächtigsten, die reichsten. Aber eben nicht die buntesten und vielfältigsten. Der Kimmel-Moment macht deutlich, wie brüchig das Fundament inzwischen ist. Jetzt sind auch wir gefragt: Wollen wir wachsam bleiben? Wollen wir Vielfalt verteidigen, selbst dann, wenn uns einzelne Inhalte dort gegen den Strich gehen?

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass die demokratische Basis unserer Medien erhalten bleibt und an Stabilität gewinnt. Denn das Beispiel aus den USA zeigt: Das Eis ist dünn – und die Gefahr, dass ähnliche Entwicklungen auch hierzulande Fahrt aufnehmen, ist realer, als wir es wahrhaben wollen. Wenn wir nicht gegensteuern, krachen wir mit unseren gemütlichen Hintern durch dieses Eis – und niemand weiß besser als wir Deutsche, wie schwer es ist, eine Demokratie wieder aufzubauen, wenn sie erst einmal zerbrochen ist.

Bildquellen

  • Trump über Kimmel: Screenshot: inside digital
  • Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio.: Beitragsservice
  • Kimmel cancelled: inside digital / Carsten Drees
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