Zunächst ein Blick auf die Fakten: Meta, die Mutter von Facebook, hat vor ein paar Tagen die Meta-AI-App für Smartphones vorgestellt. Damit nervt uns die Meta AI jetzt nicht mehr nur auf Facebook, WhatsApp und Instagram, sondern auch als eigene App auf dem Handy. Laut Mark Zuckerberg nutzen mittlerweile über eine Milliarde Menschen Meta AI jeden Monat.
Um über die Fortschritte des Konzerns beim Thema KI zu sprechen – und nebenbei ein bisschen Werbung fürs LlamaCon-Event zu machen – war Mark Zuckerberg in verschiedenen Podcasts zu Gast, unter anderem bei Dwarkesh Patel. Das Gespräch, auf das ich mich hier beziehe, findest du im nachfolgenden YouTube-Video ungefähr ab Minute 29:
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jetzt ansehenZuckerbergs Vision: Wir haben zu wenige Freunde – also brauchen wir eben KI-Freunde
Im Podcast hat Zuckerberg nochmal das betont, was ich eingangs erwähnt habe: Laut Studien haben Menschen in den USA im Schnitt weniger als drei enge Freunde. Gleichzeitig, sagt er, hätten sie eigentlich Platz für rund 15. Zwar betont er, dass er es selbst auch bevorzugen würde, diese Lücke mit „echten“ Menschen zu füllen. Aber er verweist eben auch darauf, wie Meta AI heute schon genutzt wird – zum Beispiel, um sich auf schwierige Gespräche vorzubereiten.
Und bitte nicht falsch verstehen: So ein KI-Chatbot kann da tatsächlich hilfreich sein. Er kann dir zum Beispiel dabei helfen, ein Bewerbungsgespräch zu üben. Oder dir Tipps geben, wie du mit deinem zukünftigen Ex am besten Schluss machst, damit es ihm zumindest nicht ganz das Herz bricht. Aber wenn ich merke, dass ich zu wenige echte Freunde habe, wäre meine erste Idee sicher nicht, mir eine KI als Ersatz zu holen – nur, weil sie halt rund um die Uhr verfügbar ist. Warum ich das problematisch finde, erzähle ich dir jetzt.
Eine falsche Lösung für ein echtes Problem
Es ist ja so: Spätestens seit Corona sehen wir, dass Einsamkeit ein immer größeres Thema wird. In Deutschland ist das Problem sogar so groß, dass die Regierung 2024 zum ersten Mal ein Einsamkeitsbarometer vorgestellt hat – samt einer eigenen Strategie, wie man dem entgegenwirken will. Mittlerweile sprechen manche sogar von einer „Pandemie der Einsamkeit“. Das Problem ist also echt.
Aber KI-Freunde als Antwort darauf? Das halte ich für den falschen Ansatz. Klar, KI kann ein super Sparringspartner sein, gegen Langeweile helfen und in den richtigen Händen sogar therapeutisch unterstützen. (Lies dazu auch gern meinen Artikel: Mein bester Freund, die KI)
Meine zwei größten Bedenken sind dabei:
- Will ich wirklich einem privaten, profitorientierten Unternehmen wie Meta meine Daten und meine Freundschaft anvertrauen?
- Und: Macht es mich am Ende nicht noch einsamer, wenn ich statt echten Menschen nur KI-Freunde um mich herum sammle?
Problem 1: Meta selbst
Mark Zuckerberg ist stolz wie Bolle: Über eine Milliarde Menschen nutzen laut ihm jeden Monat Meta AI. Gleichzeitig lesen wir im Wall Street Journal, dass genau diese Meta AI bis vor Kurzem (Meta will offenbar nachgebessert haben) selbst in Chats mit Minderjährigen anzügliche, sexualisierte Inhalte von sich gegeben hat. Und es brodelt gerade sowieso die Debatte, wie Meta seine KI-Modelle eigentlich trainiert. Wer nicht möchte, dass die eigenen Facebook-Postings als Trainingsmaterial dienen, muss ausdrücklich widersprechen.
Und jetzt stell dir mal deinen besten Freund vor. Oder eine Person, die dir wirklich nahesteht. Würdest du ihr nicht auch Dinge anvertrauen, die du sonst kaum jemandem erzählst? Wo das Geld knapp ist. Warum es in der Beziehung gerade kriselt. Oder wie ernst es vielleicht um deine Gesundheit steht. Das sind doch alles Themen, bei denen ich mir sehr genau überlege, mit wem ich darüber spreche. Ein Milliardenkonzern steht auf dieser Liste jedenfalls ganz weit unten – erst recht einer, bei dem ich befürchten muss, dass meine Geheimnisse erst in eine KI einfließen … und später womöglich auch noch verkauft oder anders kommerziell genutzt werden. Schließlich lebt Facebook am Ende vom Werbegeschäft.
Also mal ehrlich: Wem gehören deine Gedanken, wenn du sie Meta anvertraust? Ich würde sagen – dir jedenfalls zumindest nicht mehr allein.
Problem 2: Ich selbst
Klar, ich bin auch selbst Teil des Problems, wenn ich mich auf sowas einlasse. Wie soll ich denn echte Freundschaften aufbauen, wenn ich immer mehr Zeit mit virtuellen Freunden verbringe, die eigentlich gar nicht existieren? Ich klaue mir doch selbst die Stunden, in denen ich draußen echte Menschen kennenlernen könnte.
Und – da schließt sich der Kreis zum Unternehmen wieder – Meta will natürlich Geld mit mir verdienen. Der Konzern lebt davon, dass ich ihm meine Zeit und Aufmerksamkeit schenke. Drei Milliarden Nutzer bringen Meta nämlich nichts, wenn sie nur Karteileichen sind, die nie online sind.
Deshalb sind Plattformen wie Facebook oder Instagram so gebaut, dass wir möglichst lange, möglichst oft und möglichst täglich dabeibleiben. Über die Risiken – von Social-Media-Sucht bis Doomscrolling – haben wir ja schon oft gesprochen. Und auch das, was ich in meinem oben verlinkten Artikel über KI-Freunde geschrieben habe, gehört hierher: Eine KI kann dir im schlimmsten Fall richtig schlechte oder sogar gefährliche Ratschläge geben. Eine KI ist so sehr darauf ausgelegt, dir nach dem Mund zu reden, dass du vielleicht verlernst, dass Freundschaft eben auch aus Widerspruch, Streit und dem gemeinsamen Ringen um Nähe besteht.
Denn klar ist doch: Eine KI kann clever sein – aber echte Freundschaft lebt von Gegenseitigkeit, Verletzlichkeit und Unvollkommenheit.
Was KI stattdessen leisten sollte
Meta AI ist letztlich ein Werkzeug, das vor allem eins tun soll: dich ans Unternehmen binden. Aber wäre es nicht viel sinnvoller, wenn eine wirklich nützliche KI für dich da wäre – und dir tatsächlich bei deinem kleinen Freunde-Problem helfen würde? Ich finde, eine künstliche Intelligenz, die womöglich schon bald die menschliche Intelligenz übertrifft, sollte doch die perfekte Brücke sein. Eine Brücke, die es uns leichter macht, neue Freundschaften zu knüpfen, statt potenzielle Freunde durch einen seelenlosen Daten-Kumpel zu ersetzen.
Ich hab echt ein solides Grundvertrauen in KI – und glaube fest daran, dass sie eines Tages hilft, Welthunger, Klimakrise und andere riesige Probleme zu lösen. Dann müsste sie doch auch in der Lage sein, uns bei etwas so Menschlichem wie Einsamkeit zu helfen, oder? Ich weiß nicht, wie das konkret aussehen könnte. Aber ich stelle mir vor, dass KI uns Tools an die Hand geben könnte, mit denen wir viel einfacher mit anderen einsamen Menschen in Kontakt kommen. Vielleicht baut sie Dating- oder Freundschafts-Apps, bei denen wirklich der Mensch zählt – und nicht die Einnahmen durch Premium-Abos.
KI könnte die Einsamen sichtbar machen, statt sie hinter Chatbots zu verstecken. Wenn KI wirklich so klug ist, wie sie behauptet – dann soll sie mich doch nicht in einem Chat fesseln, sondern mir sagen, wo ich heute hingehen kann, um echte Menschen zu treffen.
Mein kleines Fazit
Ich will gar nicht bestreiten, dass KI uns auch bei diesem Problem helfen kann. Aber ich bin skeptisch, ob ausgerechnet Meta mir den perfekten Ersatz für echte Freunde zusammenbastelt. Deshalb möchte ich Mark Zuckerberg mit seinem sehr eigenen Blick auf die Sache klar widersprechen. Freundschaft ist mehr als das, was uns Zuckerberg da andrehen will. Freundschaft ist spontan, aber auch mal schwierig. Freundschaft ist manchmal ein Widerspruch, meistens aber ein Trostspender und ein Rettungsboot. Freundschaft ist auch körperliche Präsenz und die Summe der Erlebnisse, die man miteinander teilt.
Und was will uns Meta anbieten? Was Zuckerberg als Innovation anpreist, wirkt auf mich eher wie eine Kapitulation. Ein Aufgeben der Hoffnung, dass wir Menschen füreinander da sein können. So schön das freundliche Feedback einer KI auch sein mag – ich hoffe, wir sind uns einig: Es ersetzt nicht den Moment, in dem dich ein Freund in den Arm nimmt. Oder den Moment, in dem ihr zusammen Tränen lacht, bis euch der Bauch wehtut.
Klar, wir werden KI in unzähligen Situationen brauchen – und das ist völlig okay. Aber Freundschaft sollte man nicht simulieren. Und schon gar nicht komplett outsourcen. Ich bin mir sicher: Ich brauche keinen KI-Kumpel. Wenn überhaupt, brauchen wir eine KI, die uns dabei hilft, wieder zu lernen, wie wir echte Freunde finden.