Im Januar 2023 ersetzte das Bürgergeld das, was man früher als Hartz IV kannte. Ein Jahr später, im Januar 2024, wurde es angehoben. Alleinstehende, die Bürgergeld beziehen, bekommen seither monatlich 563 Euro – zusätzlich zu Miete und Heizkosten. Anspruch darauf haben Erwerbsfähige, die entweder arbeitslos sind oder so wenig verdienen, dass ihr Einkommen nicht reicht, um den Lebensunterhalt zu sichern. Doch nicht alle Politiker waren von dieser Regelung überzeugt. Und haben das Bürgergeld jetzt abgeschafft.
Tschüss Bürgergeld
Statt von Bürgergeld wird künftig von „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ gesprochen. Die staatliche Hilfe soll mit deutlich schärferen Regeln einhergehen. Besonders gegenüber denen, die Termine schwänzen oder Arbeitsangebote ablehnen. „Wir werden die Mitwirkungspflichten deutlich verstärken, wir werden auch die Sanktionsmöglichkeiten deutlich erhöhen“, sagt Kanzler Friedrich Merz.
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Konkret bedeutet das: Wer einen Termin beim Jobcenter ohne triftigen Grund versäumt, bekommt einen Ersatztermin. Wird auch dieser verpasst, sinkt der Regelsatz sofort um 30 Prozent. Beim dritten Versäumnis wird der monatliche Satz komplett gestrichen. Wer trotz mehrfacher Aufforderung nicht reagiert, verliert auch die Mietzahlung: Die Kosten gehen dann direkt an den Vermieter.
Neues Schonvermögen
Weiteres Detail: Das Vermögen der Leistungsempfänger wird weniger geschont. Die bisherigen Karenzzeiten sollen wegfallen, stattdessen wird das sogenannte Schonvermögen künftig an die Lebensleistung gekoppelt. Die bisherige Regelung: Erwerbslose dürfen Vermögen bis etwa 40.000 Euro behalten, bei jeder weiteren Person in der Bedarfsgemeinschaft kommen 15.000 Euro hinzu.
„Wir kehren zum System des Förderns und Forderns zurück und schaffen mit der neuen Grundsicherung eine neue Gerechtigkeit“, erklärt der CDU-Politiker Carsten Linnemann. „Wir machen es denen schwer, die nicht mitwirken wollen. Wer arbeiten kann, aber Termine verstreichen lässt oder zumutbare Arbeit wiederholt nicht annimmt, der erhält zukünftig auch keine Leistungen mehr“, so Linnemann.
Klagewellen vorprogrammiert
Politisch ist das Ganze ein klarer Richtungswechsel. Mit der Umbenennung des Bürgergelds in Grundsicherung schiebt die Regierung Merz die Sozialpolitik wieder dorthin, wo sie unter Schröder begonnen hat: Kontrolle statt Vertrauen. Das Etikett „Fördern und Fordern“ wird reaktiviert – nur dass der Förderteil diesmal auffällig schmal bleibt.
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Juristisch ist die Sache heikel. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2019 entschieden, dass Kürzungen über 30 Prozent des Regelsatzes unverhältnismäßig sind. Genau dort kratzt die neue Linie nun wieder. Die Regierung spricht zwar von Härtefallregelungen, aber sobald ein Jobcenter Leistungen vollständig streicht, ist der Konflikt mit Karlsruhe programmiert. Juristen aus dem Sozialrecht rechnen mit Klagewellen, sollte das Gesetz in dieser Form umgesetzt werden.
Wen das Bürgergeld‑Aus trifft
Politisch ist die Reform ein Signal an die eigene Basis und an das bürgerliche Publikum. Kanzler Merz will Härte zeigen, nicht Harmonie. Die Union hat im Sommer 2025 die Abschaffung des Bürgergelds zu einem zentralen Wahlkampfthema gemacht. Dass die SPD das mitträgt, überrascht – oder vielleicht auch nicht: Schon 2005 hatte sie mit Hartz IV den Boden für diesen Kurs bereitet.
Praktisch dürfte das neue System vor allem eines bewirken: mehr Arbeit in den Jobcentern. Jeder verpasste Termin, jede 30-Prozent-Kürzung muss dokumentiert, geprüft und rechtssicher begründet werden. Die Zahl der Widersprüche und Klagen könnte explodieren – wie schon zu Hochzeiten von Hartz IV. Betroffene verlieren Zeit und Nerven, die Verwaltung versinkt in Papier. Und sozial trifft die Reform genau jene, die ohnehin im Wind stehen: prekär Beschäftigte, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose. Menschen, die häufig nicht „nicht wollen“, sondern schlicht nicht können. Weil Kinder krank sind, der Bus ausfällt, die Post nicht ankommt.