Als Apple die neue iPhone-12-Riege im Oktober vorgestellt hat, machten viele Verbraucher große Augen. Denn, anders als bisher, wurden die Geräte ohne Netzteil verschifft. Apples Erklärung fiel simpel aus: Zunächst einmal habe nahezu jeder bereits ein Ladegerät zuhause herumliegen. Darüber hinaus solle das Wegrationalisieren des Netzteils für eine Reduktion von CO2-Emissionen und Elektronikschrott sorgen. Doch die offizielle Begründung wird nun von Verbraucherschützern angezweifelt. Und diese Zweifel könnten Apple riesige Verluste bescheren.
Verbraucherschützer sind misstrauisch
Die für den brasilianischen Bundesstaat São Paulo zuständige Verbraucherschutzbehörde Procon-SP hat vor Kurzem eine Pressemeldung veröffentlicht, in der sie Apples wage Erläuterungen hinterfragt. Demnach konnte der US-Hersteller seine Behauptung bezüglich der Reduzierung von CO2-Emissionen und den damit verbundenen Umweltgewinn nicht nachweisen. Zudem gingen Nutzer laut Procon-SP davon aus, dass ein neu gekauftes Gerät mit einem Netzteil geliefert wird. Darum habe Apple die Verpflichtung, die Verbraucher über eine Änderung in ausreichendem Umfang zu informieren. Das habe Apple jedoch nicht getan.
Ein weiteres Problem, dass die brasilianischen Verbraucherschützer ansprechen, ist die Garantiesituation. Apple habe in seiner Antwort an Procon-SP nicht nachweisen wollen, dass die Verwendung alter Adapter den Ladevorgang und die Sicherheit des Verfahrens nicht beeinträchtigen könne. Noch wichtiger ist jedoch, dass auch die Frage nach der Verwendung von Drittanbieter-Ladegeräten und der damit verbundenen Garantiesituation unbeantwortet blieb. Es kann also durchaus der Fall sein, dass Apple die garantiebedingte Reparatur eines iPhones verweigert, sollte der Nutzer sein iPhone über den Adapter eines Drittanbieters geladen haben.
Das sind Apples Ziele und die Nachteile für Verbraucher
Die Wegrationalisierung des iPhone-Netzteils begründet Apple, wie bereits erwähnt, mit Umweltschutz-Aspekten. Doch zahlreiche Verbraucher bezweifeln diese Erläuterung. Stattdessen geht man davon aus, dass das US-Unternehmen einerseits schlicht bei den Kosten (Produktion, Lieferung, Verpackung et cetera) sparen möchte. Andererseits soll mit dem Verkauf von Ladegeräten der Gewinn gesteigert werden – und das, ohne die Kaufpreise für die neuen iPhone-Modelle zu erhöhen. Denn wie Apple durchaus bekannt ist, gibt es für Nutzer einen guten Grund, sich das neue Netzteil auch trotz eines vorhandenen, alten Ladegeräts zu kaufen.
Die neueren iPhone-Modelle bieten nämlich eine sogenannte Schnellladefunktion. Diese soll dafür sorgen, dass der Akku des iPhone 12 Pro bereits nach 30 Minuten 50 Prozent anzeigt. Allerdings unterstreicht Apple, dass man dazu zwingend ein Netzteil mit einer Ladeleistung von mindestens 20 Watt benötigt. Und dieses war auch bei früheren Modellen nicht im Lieferumfang enthalten. Es kann nur separat für etwas über 24 Euro (UVP) erworben werden. Zusätzlich zum eigentlichen Kaufpreis des iPhones in Höhe von aktuell bis zu rund 1.559 Euro (UVP).
Apple wegen Netzteil unter Druck
Zurück zum Wesentlichen: Die Verbraucherschutzbehörde Procon-SP möchte sich nicht nur auf Beschuldigungen beschränken, sondern will auch gezielt gegen Apples neue Umweltschutz-/ Verkaufstaktik vorgehen. Aktuell prüft der Aufsichtsrat der Organisation die Angelegenheit. Falls Verstöße gegen das Gesetz festgestellt werden, müsste Apple mit einer Geldstrafe rechnen. Zudem wäre der Hersteller dazu verpflichtet, seine Netzteile wieder in den Lieferumfang zu integrieren. Diese Regelung würde zwar nicht weltweit gelten, doch bei einer solchen Entscheidung können auch die Verbraucherschutzorganisationen anderer Länder schnell nachziehen. Und dazu zählen auch die deutschen Verbraucherschützer.