Eigentlich hatte die amtierende Regierung versprochen, die Strompreise in Deutschland für Industrie und Verbraucher entsprechend herabzusenken. Bisher sind viele Ansätze zur Erleichterung der Energiepreise für Haushalte in Deutschland jedoch verpufft. Eine Ankündigung der großen Netzbetreiber schürt daher entsprechend Hoffnung: Sie wollen auf fast 60 Prozent der Gebühren für die Stromübertragung im kommenden Jahr verzichten. Die Bundesregierung preist das als Durchsieg für Verbraucher. Die Opposition hingegen betont: Diese Entlastungen reichen keineswegs.
60 Prozent Ersparnis – doch hauptsächlich Wirtschaft profitiert
Sowohl Unternehmen als auch Privathaushalte können im kommenden Jahr mit einer Entlastung beim Strompreis rechnen. Die vier großen Übertragungsnetzbetreiber planen eine deutliche Senkung der Gebühren für ihre Stromleitungen zu 2026. Sie sind für die sogenannten Stromautobahnen verantwortlich, die die vielen Netzabschnitte der lokalen Netzbetreiber miteinander verbinden. Die Höhe ihrer Netzentgelte soll um beinahe 60 Prozent sinken. Möglich wird das dank einer Subvention der Bundesregierung, die dafür 6,5 Milliarden Euro bereitstellt. Die endgültige Höhe der Netzentgelte müssen die Netzbetreiber bis zum 1. Oktober 2025 anmelden. Mithilfe dieser Daten berechnen wiederum die Verteilnetzbetreiber ihre lokalen Gebühren. Die Kombination aller Entgelte macht ungefähr ein Drittel des Strompreises in Deutschland aus. Ihre konkreten Zahlen werden zum 15. Oktober 2025 bekanntgegeben.
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Doch anhand erster vorläufiger Berechnungen kann sich schon heute einschätzen lassen, wie sich die Strompreise ab 2026 entwickeln werden. Den größten Nutzen bei dieser Einsparung dürften jedoch weniger die Privathaushalte, sondern die Industriekunden genießen. Denn diese zahlen keine weiteren Verteilernetzgebühren, sodass sich die Verringerung der Übertragungsnetzentgelte direkt bei ihnen abzeichnet. Statt bisher 1,05 Cent pro Kilowattstunde (kWh) werden zukünftig nur noch 0,47 Cent pro Kilowattstunde für sie fällig. Das kommt einer Einsparung von 55 Prozent gleich. Allerdings profitieren von diesen Werten nur Verbraucher mit einer Jahresarbeit von 850 Gigawattstunden, einer Jahreshöchstlast von 190 Megawattstunden und 75 Prozent Entgeltermäßigung.
Selbst aus der Wirtschaft ist Kritik an dem Paket zu hören
Entsprechend groß ist die Begeisterung in der Wirtschaft, was die geplante Maßnahme betrifft. „Es ist eine gute Nachricht, dass der staatliche Zuschuss zu einer erheblichen Senkung der Übertragungsnetzentgelte führt, gerade für große Industriekunden ist das eine beträchtliche Entlastung“, sagt Achim Dercks, Vizechef der Deutschen Industrie- und Handelskammer DIHK. Allerdings findet sich selbst in den Reihen, der vermeintlich begünstigten auch Kritik. Denn für viele Betriebe machen die Übertragungsentgelte nur einen Teil der Netzkosten aus. In vielen Regionen steigt diese sogar zunehmend an, da die Ausbaukosten für die Verteilnetze sich erhöhen. „Wichtig ist deshalb, dass die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag versprochen, die Stromsteuer für alle senkt, nicht nur für das produzierende Gewerbe“, so Dercks. „Hier braucht es dringend eine Kurskorrektur, noch im Haushalt für das Jahr 2026.“
Netzentgelte bei Verteilnetzen sind deutlich höher
Die Verteilnetzbetreiber wiederum, die in der Umspannebene zwischen Höchst- und Hochspannung ihre Netze betreiben, zahlen zukünftig 2,13 statt 5,02 Cent. Sie sparen damit 58 Prozent der bisherigen Kosten ein. Doch wie hoch genau die Verteilernetzentgelte ausfallen, ist bisher nicht abschließend festgelegt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die Betreiber ihre Entlastung aus der Vorstufe an den Endkunden weiterreichen werden. Dennoch bestehen rund zwei Drittel der Netzentgelte allein aus den Gebühren der Verteilnetzbetreiber – und an diesen beiden Drittel ist mit wenig Erleichterung zu rechnen.
Statt 60 Prozent unter 5 Prozent Entlastung für Privathaushalte
Das Ergebnis ist daher eine Entlastung, die vor allem den Industriekunden zugutekommt, während deutlich weniger der gesunkenen Netzentgelte eigentlich bei Privathaushalten landet. Wie das Vergleichsportal Verivox meldet, kann ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh damit rechnen, dass die durchschnittlichen jährlichen Netzgebühren von 427 auf 376 Euro im kommenden Jahr fallen werden. Das käme einer Senkung des Strompreises von 1.385 auf 1324 Euro brutto gleich, was etwa 61 Euro im Jahr entspricht. Die reale Entlastung, die also bei den Verbrauchern landet, beträgt lediglich 4,4 Prozent des Strompreises.
Die Bundesregierung hingegen sieht das anders. „Die Senkung wird eine signifikante Wirkung für Mittelstand, Industrie sowie Verbraucherinnen und Verbraucher haben“, so der Sprecher. Zur Illustration macht er eine eigene Berechnung auf: „Für Haushaltskunden rechnen wir mit einer durchschnittlichen Entlastung von zwei Cent je kWh, für einen Vier-Personen-Haushalt entspricht dies einer Entlastung von rund 100 Euro.“
Die Opposition zeigt sich ebenso wenig begeistert von dem geplanten Paket der Bundesregierung. „Unternehmen brauchen Planungssicherheit, deswegen wäre ein dauerhafter Zuschuss zu den Netzentgelten besser“, sagt der energiepolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Michael Kellner. „Der Ansatz der Regierung stellt weder sicher, dass die Entlastungen zu hundert Prozent weitergegeben werden, noch dass sie gleichmäßig sind.“ Keller rechnet mit einer Entlastung von ein bis drei Cent je Kilowattstunde für Bürger und Betriebe je nach Region. „Ein Zuschuss, der auf die Umlagen geht, wäre landesweit gerechter gewesen, weil alle gleich entlastet würden.“