Auf dem Papier wirkt das Mini-Windrad des Herstellers The Archimedes wie der nächste große Schritt in der dezentralen Energieerzeugung. Ein Gerät, das kaum Geräusche erzeugt, keine Sonne braucht und über das Jahr hinweg beeindruckende Strommengen liefern soll – wer wäre da nicht neugierig? Doch genau an diesem Punkt lohnt sich ein zweiter Blick. Denn während die Technologie spannend klingt, bleibt die Frage, ob solche Ergebnisse auch unter realen Bedingungen erreichbar sind. Denn zwischen wechselnden Windrichtungen, typischen deutschen Windgeschwindigkeiten und den baulichen Grenzen vieler Wohngebiete steht ein Windrad vor Herausforderungen.
Das verspricht der Hersteller zum leistungsstarken Mini-Windrad
Das niederländische Unternehmen The Archimedes hat mit dem LIAM F1 UWT ein Mini-Windrad entwickelt, das jährlich bis zu 1.500 kWh generieren soll. Dabei verspricht es zugleich möglichst geräuscharm zu sein und keine laufenden Kosten zu verursachen. Der Wirkungsgrad der Umwandlung soll laut Hersteller rund 88 Prozent betragen. Das Modell selbst ist dabei in unterschiedlichen Größen verfügbar. Einmal mit einem Durchmesser von 75 Zentimetern und einem Gewicht von 60 Kilogramm sowie 150 Zentimeter Rotordurchmesser mit 280 Kilogramm Gewicht.
Klein genug also, um sie theoretisch auch in städtischen Gebieten aufzustellen. Während die Erzeugung von Strom mit deinem Balkonkraftwerk stets an die Sonne geknüpft ist, kann der Wind zu anderen Zeiten genutzt werden. Er weht auch über Nacht, wenn das Balkonkraftwerk keinen Strom mehr liefert. Theoretisch könnte gerade in verschatteten Gebieten ein Windrad daher eine gute Alternative sein, um Strom zu erzeugen. In der Praxis gibt es jedoch einiges, was dagegen spricht, dass solche Modelle die versprochenen Werte tatsächlich erreichen können.
Warum die Leistungsfähigkeit von Mini-Windrädern begrenzt ist
Denn für die Erzeugung des Stroms durch den Wind sind zwei entscheidende Faktoren relevant. Zum einen natürlich die Windstärke. Zum anderen jedoch der Rotordurchmesser beziehungsweise die Rotorfläche des Mini-Windrades. Grundsätzlich gilt dabei folgende Faustregel: Verdoppelt sich der Rotordurchmesser, so vervierfacht sich der Ertrag des Windrads. Das Design, das der LIAM F1 UWT zugrunde liegt, kombiniert eine deutlich größere Rotorfläche auf einen Durchmesser von bis zu 150 Zentimeter. Daher könnte der Gewinn durchaus etwas höher als bei einem durchschnittlich konzipierten Windrad mit klassisch geformten Rotorblättern ausfallen. Doch 1.500 Kilowattstunden (kWh) Strom im Jahr, wie der Hersteller sie verspricht?
Diese Leistung kann man von Mini-Windrädern erwarten
Betrachten wir einmal folgendes Rechenbeispiel, um zu verdeutlichen, wie viel effizienter das Mini-Windrad dafür arbeiten müsste. Wir gehen hierfür von einer optimistisch guten Lage deines Windrades im Binnenland aus. Je freier der Wind dein Windrad erreichen würde, desto höher wäre dieser Durchschnittswert in der Theorie. Eine gute Lage auf einem Hausdach könnte dir 120 kWh/m² sichern. Ein klassisches Mini-Windrad mit einem Rotordurchmesser von 1 Meter sowie einer Rotorfläche von 0,8 m² könnte dort etwa 96 kWh Strom im Jahr erzielen.
Ja, im Jahr – weit entfernt von den 1.500 kWh Strom, die bei diesem Modell versprochen würden. Realistisch wären das ungefähr Einsparungen von um die 30 bis 35 Euro pro Jahr, wenn du tatsächlich alles davon auch direkt selbst verbrauchen würdest. Abhängig vom genauen Stromtarif. Ein größeres Windrad mit 196 cm Rotordurchmesser hingegen und einer Rotorfläche von 3 m² könnte einen Jahresertrag von 360 kWh liefern. Das wären bei vollem Eigenverbrauch um die 115 bis 130 Euro, die du an Stromkosten einsparen würdest.
Das Windrad von The Archimedes verspricht also mit bis zu 1.500 kWh schon fast das Fünffache an Leistung, was ein Windrad mit deutlich größerer Rotordurchmesser liefern kann. Dabei ist der Rotordurchmesser des Modells auf 150 cm begrenzt – also zwischen unseren beiden Rechenbeispielen angesiedelt. Das besondere Design dürfte die Rotorfläche zwar deutlich vergrößern, dennoch halte ich es für unwahrscheinlich, dass das Windrad im selben Szenario eine so viel höhere Ausbeute erzielen kann.
Deutlich längere Amortisationszeiten als Balkonkraftwerke
Leider konnte ich aufgrund der besonderen Beschaffenheit keine Angabe finden, wie viel Rotorfläche das Windrad genau aufweist, um es in einem Rechenbeispiel gegenüberzustellen. Doch nicht umsonst warnt auch die Verbraucherzentrale immer wieder vor überzogenen Erwartungen gegenüber Windräder. Modelle wie dieses sind sicherlich eine interessante Möglichkeit – wenn sie preislich deutlich attraktiver für die Menschen werden. Denn für ein Windrad der Größenordnung von 3 m² Rotorfläche wie aus unserem Rechenbeispiel zahlst du im besten Fall noch immer zwischen 1.000 und 1.700 Euro. Die Amortisationszeit liegt also mit um die 7,5 bis 15 Jahren deutlich über der von heutigen Balkonkraftwerken. Dabei sind Modelle dieser Größenordnung auch schwieriger auf Hausdächern oder in Wohngebieten zu integrieren. Kleinere Modelle wiederum werfen deutlich weniger ab.
Sie sind dafür bereits unter 1.000 Euro verfügbar. Landen jedoch vor allem bei Modellen unter 150 cm Rotordurchmesser schnell in Amortisationszeiten von über 15 Jahren. Balkonkraftwerke hingegen können sich im besten Fall bereits nach drei bis vier Jahren bereits rentieren. Solltest du daher die Möglichkeit haben, ein Balkonkraftwerk aufzustellen, würde ich dir dieses immer vor einem Mini-Windrad empfehlen. Soll es hingegen ein Mini-Windrad sein, versuche ein Modell mit möglichst hoher Rotorfläche zu erhalten und es möglichst so aufzustellen, dass es viel Wind auffangen kann.
